Sonntag, November 19, 2006

Was bleibt?


Die Architektur? Die Bindung an Europa? Schwierige Fragen. Es wird stiller um die "Deutschbalten", die 1939 heimgekehrt waren, ins "Warthegau",. Aber das war nur bis 1944. Das sogenannte Warthegau liegt heutzutage in der Mitte von Polen. Was bleibt von deutscher Kultur in Estland, die dort 700 Jahre lang die Stadtlandschaft und die Herrschaftsverhältnisse auf dem Lande geprägt haben? Die russisch - estnischen, oder baltisch- russisch Auseinandersetzunegen lassen da nicht viel Spielraum. Die Zeit ist darüber hinweggegangen. Das Dokument erinnert an den Einschnitt, der Nichtwiederkehr.

3 Kommentare:

  1. Dieser Heimkehrer, mit dieser Nummer, war noch nicht einmal ein Deutscher! Auch das macht diesen Einschnitt nicht verständlicher.

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  2. Danke für den Verweis auf den Text! Für den zentralen Satz halte ich: "If Estonians could get rid of mystifying the language border that separated the upper classes form working classes in the past, the history and culture of Estonia could be viewed as an integral whole." So sehr das nationale Erwachen der Esten und die (in Europa einzigartige, in ihren Grundzügen noch mittelalterliche) ständische Ordnung die Abgrenzung zu den Balten (also der Oberschicht mit deutscher Muttersprache) nahe gelegt haben, so sehr wird ein konsequentes Auseinanderdividieren von Esten und Estländern (der bis zu den Weltkriegen gängige Name der Balten in der Provinz Estland) fadenscheinig bei näherer Betrachtung. Zum Ende der Republikzeit gab es Bestrebungen von Gruppen beider Seiten, der estnischen Eliten wie der Angehörigen der Estländischen Ritterschaft, aufeinander zuzugehen und das Gemeinsame zu betonen. Es liegt auf der Hand, warum die Umstände dem nicht günstig waren. Aber hieraus ergibt sich auch, was bleibt. Eine estnische Nation, die ihr (deutsch)baltisches Erbe nicht annimmt (nach meinem Empfinden tun viele Esten dies jedoch in noch vor zwanzig Jahren unvorstellbarer Weise)und pflegt, bringt sich um vielfältige Möglichkeiten der Selbsterklärung und damit auch eines robusten Selbstbewußtseins. Wie meine älteste estnische Freundin einmal bekannte, Vieles in Estland konnte sie erst dann ganz einordnen und sich erklären, nachdem sie näheren Umgang mit den Nachkommen der Balten hatte. Das gilt im Übrigen auch umgekehrt für Menschen mit familiärem Herkommen aus Estland - ohne näheren Umgang mit Esten und Sicheinlassen auf Estland bleibt Vieles verschüttet und unfruchtbar. Estland hat eine einzigartige Geschichte, die über Estland hinaus zur Anschauung und als Beispiel dienen kann, im Sinne bester europäischer Tradition eines kreativen Miteinanders trotz ausgeprägter verschiedener Eigenarten.

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  3. Genau, man sollte weg von den einfachen Geschichtsbildern, die allein von dem Wort "Deutschbalten" geschaffen werden. Ich meine weg aus der Einengung durch den Begriff "Deutsch". Wie es zum Beispiel Hagen Schulze mit seinem kurzen Text: "Gibt es überhaupt eine deutsche Geschichte?" getan hat. Und da angesetzt verändert sich das Bild und zwar drastisch. Die "deutschen" Siedler im Baltikum stammen im Mittelalter zum Teil aus Westfalen. Sie bilden später in den Städten die Kaufmannshanse und die daraus entwickelte Städtehanse. Ihre Schriftsprache ist Niederdeutsch, das mit Sicherheit die Niederländer besser verstehen als die Bayern. Der Deutsche Orden, getragen von der Ritterschaft, wird zu einem der merkwüdigsten Staatsgebilde in Europa. Mit der Betonung auf staatlich, während bei uns im Römischen Reich (deutsch)Dynastien im Mittelalter den Ton angeben. Der Stauferkaiser Friedrich II. wiederum baut in Süditalien ebenfalls ein Sonderreich mit Hilfe von fast modern anmutenden staatlichen Beamten und stützt sich dort auf die verschiedenen Völkerschaften der Griechen, Sarazenen, Lombarden usw.. Also was wiederum völlig anderes als auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Dazu wandert der Schwerpunkt des Reiches wenig später in Mitteleuropa nach Prag. Die Tschechen könnten dazu auch einiges sagen. Das liesse sich jetzt endlos fortsetzen.

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