Montag, Juli 03, 2023

Alles fägt mit Aabits an

Ein estnisches "Aabits" - hier in Variante
aus der bekannten "Lotte"-Reihe

In Estland fängt das Lernen mit "Aabits" an - Deutsch würden wir vielleicht "ABC-Fibel" sagen. Solche estnischen "Aabits" soll es bereits seit dem 16. Jahrhundert gegeben haben. Für die Heranwachsenden in Estland gibt es gegenwärtig einige Änderungen: Für Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 4 beginnt ab 2024 der Übergang zum Sprachunterricht ausschließlich in estnischer Sprache, mit dem Ziel, diesen Prozess bis 2030 abzuschließen. 

Bis das soweit ist, gibt es aber offenbar noch einige Probleme. Da ist zunächst mal der Mangel an Lehrkräften, die Estnisch unterrichten können. Und es geht auch nicht nur um Kinder: in Bezirk Ida-Virumaa etwa, im Nordosten Estlands gelegen, seien es zumeist Frauen älter als 40 Jahre, die sich verbesserte Estnisch-Kenntnisse aus beruflichen Gründen wünschten (ERR). Darunter seien auch Lehrerinnen, die bisher zwar Estnisch verstehen, aber nicht unbedingt gefordert waren ihren Unterricht tatsächlich auf hohem Niveau in Estnisch abzuhalten. Und auch für die Flüchtinge aus der Ukraine werden Estnisch-Kurse und entsprechend Lehrkräfte gebraucht. Tallinns Bürgermeister Mihhail Kõlvart stellt allein für die Hauptstadt 700 Erzieher/innen mit guten Estnisch-Kenntnissen in den Kindergärten und weitere 144 Pädagog/innen für die ersten vier Grundschulklassen fehlen würden. (err)

Der estnische Rechnungshof (Riigikontroll) hatte hatte Anfang Juni einen Bericht vorgelegt, der im Ergebnis mehr Sorgfalt beim Übergang zur estnischen Sprache in den forderte. Hier wird zum Beispiel festgestellt, dass obwohl in Schulen mit Russisch als Unterrichtssprache in neun Grundschuljahren insgesamt 1050 Stunden Estnisch unterrichtet wird, etwa ein Drittel der dortigen Absolvent/innen nicht genügend Estnisch-Kenntnisse aufweisen um ein Studium anschließen zu können. 

Bemängelt wird in diesem Bericht auch, dass die estnischen Kommunalverwaltungen nicht genügend auf Fortschritte in diesem Bereich achten würden - weder durch Anreize, noch durch Strafen. Die estnische Bildungsministerin Kristina Kallas (Eesti200, ein Koalitionspartner der Reformpartei von Regierungschefin Kaja Kallas) gab zu dass etwa das Berufsbildungszentrum in Ida-Virumaa weiterhin auch in Russisch unterrichte und forderte den dortigen Schuldirektor Hannes Mets zum Rücktritt auf. (err). Nach Darstellung von Mets habe man im vergangenen Herbst 1500 neue Studierende aufgenommen, von denen 1350 nicht über ausreichende Estnisch-Kenntnisse verfügten. Allerdings lehre seine Schule auch Kenntnisse in den Bereichen Handel und Wirtschaft und sei nicht auf Sprachen spezialisiert. Ende Juni trat Mets dann zurück (ERR), und nur kurze Zeit später wurde Mati Lukas zum neuen Leiter ernannt (ERR). 

Die estnische Sprachaufsichtsbehörde (Keelamet) hatte bereits eine Reihe von Strafen für Lehrkräfte des Bildungszentrums wegen unzureichender Estnisch-Kenntnisse verhängt. Das Strafmaß für Schulen, welche die Anforderungen an den Estnisch-Unterricht nicht erfüllen wurde auf maximal 10.000 Euro erhöht und dem "Keeleamet" das Recht zugestanden, Klassräume zu besuchen und Sprachkenntnisse der Pädagog/innen zu prüfen. Für Schulen im Bezirk Ida-Virumaa habe es bisher etwa 200 Strafen gegeben, in einer Höhe zwischen 30 - 400 Euro. (err)

Nach Angaben der estnische Regierung liegt das Ziel des Übergangs zum estnischen Sprachunterricht vor allem darin, allen Kindern in Estland, unabhängig von ihrer Muttersprache, die Möglichkeit zu bieten, einen qualitativ hochwertigen estnischen Sprachunterricht zu bekommen.