Sonntag, Juli 29, 2018

Und wie nu nach Ruhnu?

Bereits kurz vor den Mitsommerfeiern gab es eine böse Überraschung für die touristischen Dienstleister auf der kleinen estnischen Insel Ruhnu: die seit 2012 im Einsatz befindliche Fähre "Runö" war mit Maschinenschaden im Hafen von Pärnu liegen geblieben und machte so die Anreise vieler Sommergäste wochenlang unmöglich.(bnn)

Zwar fährt gelegentlich noch eine weitere kleine Fähre vom lettischen Roja aus nach Ruhnu, aber viele Gäste hatten Aufenthalt und Anreise ja bereits gebucht, und so blieb kaum eine Alternative. Und damit nicht genug: die "Amalie", als Ersatzschiff für die "Runö" herbeigeholt, konnte Ende Juni ebenfalls den Hafen nicht verlassen - "starke Winde" wurden diesmal als Grund genannt. "Amalie" sollte wenigstens eine Verbindung nach Saaremaa möglich machen - wenn auch langsamer, kleiner und unbequemer als die reguläre Lösung.

Während bei der "Runö" unterdessen erst einmal der Motor komplett ausgebaut wurde - ein neuer musste bei Volvo in Schweden bestellt werden - waren estnische Politiker mit recht seltsamen Aussagen zur Stelle. "Ruhnu war immer schon ein extremer Ort zum Leben und für Besuche," so locker sah es Janek Mäggi, estnischer Minister für öffentliche Verwaltung. Nun hat sich auch Wirtschaftsministerin Kadri Simson zu Wort gemeldet. Auch ihre Aussage klingt wenig hilfreich, aus Sicht der Einwohner der Insel: "Sie haben diese Katamaran-Fähre gewollt doch selbst gewollt!". (ERR)

Dem vorausgegangen war ein Brief aus Ruhnu an die Ministerin, in dem die Tauglichkeit des eingesetzten Schiffes für die Route anzweifelte. Die Ministerin wiederum beruft sich auf die Aussagen der estnischen Seefahrtsverwaltung, der zufolge die "Runö" allen Anforderungen entspricht. Bereits seit 2012 habe das in Estland gebaute Schiff auch schon mehrere Verbesserungen bekommen, um eine sichere Fahrt und eine zuverlässige Verbindung zwischen der Insel in beide Richtungen - Saaremaa und Pärnu - zu gewährleisten. 2009 hatte das Ministerium eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die drei verschiedene mögliche Lösungen zum Ergebnis hatte. Diese wurden dann den Einwohnern auf Ruhnu präsentiert, und die Gemeinde habe sich dann für den Katamaran entschieden.

Inzwischen hat die "Runö" den regelären Fährbetrieb, mit einem komplett neuen Motor, wieder aufgenommen. Das Schiff war 2012 auf der "Baltic Workboats AS (BWB)" gebaut worden und war Teil eines EU-geförderten Projekts zur Förderung der Verkehrsverbindungen zwischen den estnischen Inseln und dem Festland gewesen. 1998 wurde die BWB von den beiden Geschäftsleuten Margus Vanaselja und Märten Väikmaa gegründet - ein estnisches Vorzeigeprojekt des "Made-in-Estonia". Drei weitere Schiffe wurden bei "BWB", die bis dahin vor allem schnelle Patrouillenboote gebaut hatten, in Auftrag gegeben: die "Ormsö" (Linie nach Vormsi), die "Abro" (Abruka-Linie) und die "Kihnu virve" (Kihnu und Manija). Zusätzlich baute "Reval Shipbuilding" die "Wrangö" für die Linie nach Prangli - kleine Schiffe, die außer ein paar Dutzend Passagieren noch maximal zwei Autos oder einen LKW mitnehmen können. 

Ein weiteres Boot kam im April 2017 dazu. Die "Soela" soll zwischen Hiiumaa und Saaremaa verkehren, ist 45m lang, hat ein Fassungsvermögen von 200 Personen plus 22 PKWs und kostete 9,4 Millionen Euro (85% EU-finanziert).

"Der Fährverkehr nach Ruhnu kostet 530.000 Euro jedes Jahr," erinnert Minister Mäggi, "dazu 420.000 Euro für die die Flugverbindung von Mai bis Oktober. Das ist das Dreifache des Gesamtbudgets der Inselgemeinde." Von Pärnu aus fliegt ein kleines, achtsitziges Flugzeug die Strecke nach Ruhnu. Die Insel hat gegenwürtig 170 Einwohner. Bei solch hohen Kosten sei es einfach nicht möglich, kurzfristig auch noch einen Plan B in der Schublade bereit zu halten. (ERR) "Schon als 1918 Estland seine Unabhängigkeit errang, da bekamen die Insulaner das erst irgendwann im Mai heraus, nachdem das Eis geschmolzen war."

Der estnischen Regierung kann aber momentan schwerlich vorgeworfen werden, die Sorgen in Ruhnu vergessen zu haben. Erst kürzlich wurde ein weiteres ambitioniertes Projekt (Eesti Energia) eröffnet, gar nicht weit vom Flugplatz: eine 150KW-Solaranlage, die zur nachhaltigen energetischen Selbstversorgung beitragen soll. Auch die seit 2007 bestehende Windenergieanlage soll in Kürze erneuert werden. (ERR)

Samstag, Juli 28, 2018

Parteiliche Zwischenbilanz

Die nächsten Wahlen zum estnischen Parlament (Riigikogu) stehen erst im März 2019 an, aber in den Monaten zuvor lohnt immer ein Blick auf die aktuelle Lage -schon oft haben sich kurz vor den Wahlen Parteien neu gebildet oder Zusammenschlüsse gebildet.

Einer Übersicht des "Baltic News Service" (BNS) zufolge ist es für die Parteien gar nicht so einfach, die politische Arbeit zu organisieren: mindestens 1000 Mitglieder sind nötig, um überhaupt registriert zu werden als Partei (Parteiengesetz).Und 4x pro Jahr muss jede Partei angeben, wie es mit Einnahmen und Ausgaben steht, inclusive Spenden.  Ein Pluspunkt an Transparenz, so urteilen Parteienforscher (FINEC).

Diese Herren müssen draufschauen: die Mitglieder des "Political Party
Funding Supervision Committee" (es gibt auch weibliche Mitglieder - die
hatte mann aber offenbar nicht fürs Gruppenfoto eingeladen)
So kommen solche Zwischenberichte zustande, wie sie jetzt bei ERR zu lesen waren; hier geht es um die Ausgaben und Einnahmen im zweiten Quartal 2018. Diesen Zwischenberichten zufolge konnte sich die "Isamaa/Pro Patria" über 62332 Euro an Spenden freuen und lag damit mehr als 10.000 Euro vor der "Reformpartei". Aber andererseits verwundert es doch, wie wenige Mitglieder derselben Partei ihren Mitgliedbeitrag regelmäßig bezahlen. Andererseits ist die Zahlungsmoral der Mitglieder bei Parteien wie der "Freiheitspartei" (Vabaerakond) sehr hoch, die Partei erhielt nur 4000 Euro an Spenden.Und durchschnittlich geben ausgerechnet die estnischen Grünen persönlich am meisten für Beiträge aus, obwohl sie ja momentan gar nicht im estnischen Parlament vertreten sind.

im Überblick:
Zentrumspartei - 14841 Mitglieder - 21,76 Euro (durchschnittliche Beitragshöhe per Mitglied) - 3,12% (Anteil der Mitglieder, die im 2.Quartal mindestens einmal gezahlt haben)
Reformpartei - 12216 Mitglieder - 14,89 Euro - 5,97%
SDE (Sozialdemokraten) - 5818 Mitglieder - 20,28 Euro - 5,87%
Pro Patria - 8680 Mitglieder - 15,17 Euro - 1,19%
EKRE (Konservative) - 8430 Mitglieder - ? - 2,41%
Vabaerakond (Freiheitspartei) - 635 Mitglieder - 16,64 Euro - 26,77%
Grüne - 1066 Mitglieder - 30,43 Euro - 4,3%