Montag, März 03, 2025

Ausgeskeipt

Es gab Zeiten, da hing das Telefon noch an einer Schnur, oder es war in Telefonzellen zu finden. Und in Estland gab es Zeiten, als öffentliche Telefone nur scheinbar zufällig mal funktionierten. Aber noch bevor diese kleinen Geräte in unseren Alltag Einzug hielten, die heute nahezu jeder und jede täglich mit sich herumträgt, wurde Skype erfunden.

Das war 2003. Für Estland war es noch die schwierige Übergangszeit: warum müssen diese kleinen baltischen Länder unabhängige Staaten sein? Auf der europäischen Bühne schienen noch nicht alle verstanden haben, warum das für Estland unverzichtbar ist. Und Estland war noch kein Mitglied von EU und NATO, einige brachen noch auf zu trügerischen Billigjobs in Irland oder England, oder ins scheinbare Traumland USA. 

Drei Einhörner

Es ist tatsächlich wahr, dass einer der drei IT-Entwickler, der "Skype" mit erfand, mit Nachnamen "Tallinn" hieß: Ahti Heinla, Priit Kasesalu und Jaan Tallinn. Offenbar haben alle drei versucht, ihr durch den Verkauf von "Skype" verdientes Geld wieder zu investieren: Ahti Heinla ist an den "Starship"-Robotern beteiligt, die in Tallinn an vielen Stellen die Pakete ausliefern. Priit Kasesalu hat auch "Kosmonaut", das erste kommerzielle Computerspiel in Estland mit entwickelt, und arbeitet heute bei Ambient Sound Investment. Über Jaan Tallinn heißt es, er sei zu einem der bekanntesten estnischen Expoerten zu "künstlicher Intelligenz" (KI) geworden und nun führender Investor und Anwalt für KI-Sicherheit. Außerdem sei er Anhänger von Kryptowährungen und halte einen großen Teil seines Vermögens in Bitcoin. Er hat unter anderem in "DeepMind" investiert, das inzwischen zu "GoogleDeepMind" geworden ist. (investinestonia)

Von der Öffentlichkeit vergessen scheint inzwischen, dass es mit Toivo Annus noch einen weiteren Beteiligten an der Skype-Erfolgsgeschichte gab. Er starb 2020 im Alter von nur 48 Jahren (estonianworld). Microsoft hatte den Web-Anruf-Pionier "Skype" 2011 für 8,5 Milliarden Dollar (rund 8,2 Milliarden Euro) gekauft.

Steigendes Selbstbewußtsein

Estland hat inzwischen den Minderwertigkeitskomplex, als kleine Nation keinen Einfluss in der Welt zu haben, abgelegt - das schrieb im vergangenen Jahr Journalistin und Schriftstellerin Airika Harrik. Vor 20, 30 Jahren hätten sich die Esten als kleine, arme Menschen gesehen, die durch die Winde der Geschichte herumgeworfen würden; inzwischen aber beschäftigten sie sich auf globale Politik. Sie zitiert Alar Kilp, Dozent für vergleichende Politik an der Universität von Tartu, mit der Aussage: "Bis 2020 wurde eine Art Erfolgsgeschichte nach Möglichkeit hervorgehoben - ob ein olympischer Sieg, Skype, Arvo Pärt oder jemand anderes". Nach Ansicht von Kilp könnte es jedoch sein, dass Estinnen und Esten inzwischen als Nation ein gewisses Maß an Selbstvertrauen erreicht haben: "Erfolge sind die Norm, und es besteht keine Notwendigkeit, jeden Sieg so laut wie möglich hinauszutrompeten." (err)

Ende ohne Schrecken

Auch in der deutschsprachigen Presse findet das "Ende von Skype" breiten Widerhall. Während die einen dieses Ende "überraschend" finden (Kleine Zeitung) oder sogar titeln "Skype stirbt" (Computerwoche), analysieren andere die Gründe für das Aus und konzentieren sich auf praktische Tipps für Nutzerinnen und Nutzer: "Skype verlor insbesondere während der Corona-Pandemie Marktanteile an Konkurrenten wie Zoom oder WhatsApp. Microsoft Teams hat sich inzwischen allerdings als einer der führenden Anbieter im Markt für Kollaborationssoftware etabliert und spielt eine zentrale Rolle in der Unternehmenskommunikation." (ZDF)

Nico Ernst schreibt für "Heise.de" in einer Analyse: Was damals fehlte, war "das eine Programm – damals noch nicht 'App' genannt – das Sprache, Chat, Screensharing und Dateiübertragung vereinte. Und das einfach nur funktionierte. Das war Skype." Und weiter: "Den Sprung aufs Smartphone hat Skype aber schlecht hinbekommen, sondern WhatsApp, Signal und Co. waren dort allgegenwärtig." Resumee: der Pionier tritt ab. Und: "Mal sehen, wie lange 'skypen' noch im Duden steht."

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