Montag, August 17, 2015

Zwischen Chemie und Alter Liebe: mit den Esten über die Elbe

In der Sommer- und Ferienzeit ist im deutschen Verkehrsfunk eine Durchsage über einen Stau an der Fähre Wischhafen-Glückstadt die Regel - und verkehrstechnisch bezeichnen viele, die nach Schleswig-Holstein wollen, auch den Weg durch Hamburg als "Nadelör".

Neben Hamburg, Bremerhaven, und auch Wilhelmshaven ist Cuxhaven eher als Kurort bekannt: auf der einen Seite das familien- und kinderfreundliche flache Wasser des Nationalparks Wattenmeer, auf der anderen Seite ein wenig Romantik um den Leuchtturm "alte Liebe", einen Helgoland-Anleger, die Reste des früher zu Hamburg gehörenden alten Amerikahafens, ein ziemlich heruntergekommender Fischereihafen, und eine Menge Alterswohnsitze für küstenliebende Rentner.
Diese leicht verschlafene "Halbinsel-Atmosphäre" scheint jetzt ein wenig aufgefrischt zu werden: schon die Investition von SIEMENS in ein Rotorenwerk für Windräder ließ aufhorchen, nun scheint auch eine schnelle Elbquerung wieder zu einem wirtschaftlich attraktiven Modell zu werden. Zwischen Cuxhaven und Brunsbüttel, einer Strecke von (wg. der Strömungsverhältnisse nautisch anspruchsvollen) 17 Seemeilen (ca. 30 km) wird eine neue Fährverbindung eingerichtet. Die Betreiberin, die neu gegründete ELB-LINK-Reederei ist eine Tochter der estnischen "Saaremaa"-Reederei, Christian Schulz der Geschäftsführer. Irritationen entstanden durch Presseberichte, dahinter stehe auch der estnische TALLINK-Konzern - was dieser aber angeblich dementierte, berichtet "Schiffe-und-Kreuzfahrten.de".

Wer Teele Viira noch nicht kennen sollte: vielleicht
braucht jemand in Cuxhaven noch eine
Galionsfigur?
Das hindert die Betreiber jedoch nicht, die Eröffnung in Cuxhaven ausgiebig ESTNISCH zu feiern: auftreten sollen am Mittwoch, den 19.August in Cuxhaven die Folkband "Viirelind", die Akkordeonspielerin Reet Lõugas von der Insel Saaremaa, sowie die Popsängerin Teele Viira und ihre Band (Mai Agan, Ain Agan) (Cuxhavener Nachrichten).
Zur Eröffnung hat sich neben den beiden Wirtschafts- und Verkehrsministern aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen auch Vjatseslav Leedo von der "Saaremaa Laevakompanii" angesagt. Angeblich soll es am Nachmittag auch Ansprachen geben von Arnold Rüütel, Ex-Präsident Estlands, und Viljar Arakas vom Estnischen Unternehmer-Verband. Ein echter Estland-Stützpunkt in Deutschland also - vielleicht bei Erfolg der Fährlinie ausbaubar in Richtung einer Städtepartnerschaft? 

Die Wirtschaftsförderung in Cuxhaven hatte ein Verkehrsaufkommen für die neue Linie von jährlich 265.000 Pkw, 48.000 Lkw sowie 625.000 Passagieren vorausgesagt. Wie es heißt, soll sich besonders die Chemieindustrie in Brunsbüttel über die neue Verbindung freuen - denn die beiden Fährschiffe "Grete" und "Anne-Marie" (Ex "MV Saaremaa" und "MV Muhumaa") werden auch Waren aller Art, wie es heißt sogar Gefahrgut, transportieren. Die Schiffsnamen nehmen angeblich Bezug auf eine Cuxhavenerin, die zwischen 1919 und 1938 bereits einen Fährverkehr zwischen ihrer Heimatstadt und Brunsbüttel betrieben hatte (siehe "SHZ", Cux-Wiki - "Anne-Marie" war damals ein als Fähre umgebauter Fischkutter, die damalige "Grete" ein Krabbenkutter).
24 Fährfahrten pro Tag, das ergibt einen Abstand von 1 1/2 Stunden zwischen den einzelnen Abfahrten. Pro Fähre sollen 160 Pkw (oder 52 Pkw plus 16 LKW) Platz finden, dazu 600 Personen. Ohne Fahrzeug gelangt man schon für 5 Euro auf die andere Elbseite, eine Person plus Fahrrad kommt mit 8 Euro aus - eine Option also auch für Touristen und Reiseradler.
Dennoch: es gibt auch kritische Kommentare. Frank Behling weist in den "Kieler Nachrichten" auf die unterschiedlichen Fahrpreise hin: während man seinen PKW in Glückstadt / Wischhafen für 5 Euro über die Elbe bringen kann, sind es in Cuxhaven 25 Euro. Ob die Verhältnisse dann so bleiben, dass in Wischhafen die Autoschlangen teilweise stundenlang warten müssen und in Cuxhaven "Fährplatz frei" meldet, muss abgewartet werden. Für den Betrieb der Linie Cuxhaven-Brunsbüttel hatte es aber auch andere Interessenten gegeben: die Bremer "Naval Consult Lasse und Pache GmbH" hatte erst Anfang des Jahres ihr Projekt "Elbe-Ferry" vorgestellt. Diese Schiffe sollten mit schadstoffarmem verflüssigtem Erdgas betrieben werden, das Projekt fand jedoch keine Investoren.
Der letzte bisherige Versuch des Bremer Unternehmers Egon Herbert Harms mit seiner "Elb Ferry" dauerte nur 19 Monate, von 1999 bis 2001. Ob es unter estnischer Regie erfolgreicher sein wird? Vielleicht bringen die Esten ja auch noch ein paar "e-Lösungen" (e-Elbe von e-estonia?) mit nach Art der mobilen Cuxhaven-Info bei "Geocatching" - wundern würde mich es nicht. Eine Online-Buchungsmöglichkeit gibt es jedenfalls schon jetzt.

Einladung zur Eröffnung (PDF) / Webseite Elb-Link / Facebookseite Elb-Link/
Elb-Link auf Twitter
Berichte zur Eröffnung auf Estnisch:
meiemaa.ee / Saarte Hääl