Sonntag, Dezember 31, 2006

Neue EU-Mitglieder


Sofia parliament
Originally uploaded by Jens-Olaf.
Bulgarien wird in wenigen Stunden EU-Mitglied. Rumänien ebenfalls. Estland ist es schon seit 2004. Die EU-Osterweiterung geht weiter. Glückwunsch von hier, obwohl die vielen kritischen Stimmen nicht überhört wurden. Auch in Estland gab es eine große Minderheit an Europa-Skeptikern. Das Foto zeigt das immer noch exisitierende Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Sofia, aufgenommen vor 1917.

Freitag, Dezember 29, 2006

Die Weihnachtskämpfe 1917

Verbrüderungen zu Weihnachten 1914 an der Westfront des 1. Weltkrieges, in den letzten Jahren Thema für Buchveröffentlichungen, einen Kinofilm und jetzt auch in der Regionalpresse, wo neu aufgetauchte Feldpostbriefe dieses Ereignis aus Soldatensicht beschreiben.
An der Ostfront gab es auch historische Wendungen zum Jahreswechsel 1917. Letten in der Russischen Armee starben zu tausenden, für den Zaren, gegen die Deutschen. Diese Zeitperiode ist völlig ausgeblendet im deutschen Geschichtsbewusstsein. Und nach den Siegen der Deutschen und dem Frieden mit Russland entstand ein eigenartiges Staatsgebilde, das an das Deutsche Reich angegliedert werden sollte: Das Vereinigte Baltische Herzogtum mit Adolf Pilar von Pilchau an der Spitze. Eigentlich ein deutsches Thema. Aber wiedereinmal, wenn es um diese Jahrzehnte während des 1. Weltkriegs und danach geht, bringt der deutsche Wikipedia-Artikel nur dürftige Informationen. Der englischsprachige ist viel ausführlicher.
Hier die Flagge des Herzogtums, das nur vom Deutschen Reich anerkannt wurde. Nach der Revolution 1917 wurden die lettischen Schützenregimenter eine der Hauptstützen der späteren Roten Armee. Hauptgegner unter anderem wieder die Deutschen. Trotzdem sind die Einheiten nicht pauschal gleichzusetzen mit den Zielen der Bolschewisten. Ein genauerer Blick auf die Geschichte ist hier notwendig. Peteris Cedrins in Daugavpils hat es in diesem Post getan, hier lesen.

Dienstag, Dezember 26, 2006

Vor 100 Jahren - eine unbekannte Episode


Aber nicht in Estland, obwohl die Esten in dieser Episode die Hauptrolle spielen. Es handelt sich um den Auszug aus Memoiren einer Deutschen, oder genauer einer Russin mit deutscher Herkunft, die noch nicht ahnen kann, dass später ihre Schwester einen Esten heiraten wird. Die Autorin ist Tochter des "mächtigsten" Unternehmers in Sosnowka, nahe Jaroslawl, das nördlich von Moskau liegt. Kurz vor der Revolution 1905 noch im Russischen Kaiserreich:
Das besondere daran, solche Episoden sind selten überliefert im Originalton, das hier wurde noch nie veröffentlicht:

"In der Gegend von Sosnowka siedelten sich estnische und lettische Kolonisten an. Das waren meistens sehr tüchtige Leute. Wahrscheinlich kamen sie mit einem kleinen Kapital in unsere Gegend, denn sie begannen sofort zu bauen - stabile Häuser und Ställe. Die Häuser hatten hohe Fenster und die Dächer waren nicht mit Stroh, sondern Brettern bedeckt. Auch das Vieh war rassig und gepflegt. Sie pflanzten Buchweizen, den die Russen viel essen, aber in dieser Gegend nie anpflanzen. Wie alle Fremde waren sie den russischen Bauern ein Dorn im Auge, schon deswegen, weil die Kolonisten alle evangelisch-lutherischer Konfession waren, also Ungläubige! Eines Tages lief ich mit Herbert und ein paar Bauernjungen an die Pelenda, unterhalb der Fabrik, wo der erste Hof eines estnischen Kolonisten stand. Dicht am Fluss weideten Kühe und die kleinen Estenjungen, mit schlohweissen Köpfen hüteten die Herde. Da nahmen die russischen Jungen paar Steine aus dem Flusse und warfen sie den estnischen Kindern nach. Dabei schrien sie "Jeretik, Jeretik!" (Ketzer, Ketzer!) Ich natürlich machte es ihnen nach und Herbert [ihr Bruder] auch! Die estnischen Kinder liefen davon. Ich hätte natürlich für diesen groben Unfug eine Tracht Prügel bekommen sollen. Nicht für den "Jeretnik", dann müsste man die halbe Menschheit strafen! Sondern für die nachgeworfenen Steine (es waren nicht die kleinsten Steine), es könnte leicht ein großes Unglück passieren! Leider haben sich die estnischen Bauern bei Papa nicht beschwert - sie fürchteten sich vor dem Allgewaltigen der Gegend. ich habe von Papa nur zwei Mal vollwertige Dresche bekommen, ungefähr im Alter von sechs-sieben Jahren. An das andere Mal erinnere ich mich genau - wir haben mit Herbert aus der Pelenda Wasser getrunken, was uns strengstens verboten war. In einigen Nachbardörfern gab es mehrere Fälle von Magentyphus! Mama dagegen hatte ein lockeres Handgelenk!"

Vor 70 Jahren

Grußkarte mit Festtagswünschen, 1936 von Tallinn nach "Saksamaal"

Lieber Baltikum ... (Teil 2)

Die Laufzeit ist unbegrenzt. Die Aussichten sind verheißungsvoll, Gewinne bis 50%, Empfehlung: als Depotbeimischung nutzen.
Warum könnte es hier gehen?

Es geht um Aktionen und Fondanteile. FINANZEN-NET macht seinen Leserinnen und Lesern das Baltikum als Anlagemarkt schmackhaft. Die Kaufempfehlungen beziehen sich hier ausschließlich auf Estland: Eesti Telekom, der Wasserversorger Tallina Vessi, die Bauunternehmung Merko Ehitus, und der Einzelhändler AS Baltika.

Aber wussten wir das nicht schon? Dann kommen in diesem Fall nämlich die Einschränkungen: für Privatanleger sei der Kauf zu risikoreich, Interessenten sollen sich lieber Zertifikaten von Banken anvertrauen. In diesem Fall wird nur eine einzige genannt, die niederländische Bank AS AMRO mit Niederlassung in Frankfurt/Main.

Die Frage bleibt, ob deutsche Kunden hier nicht etwas zu einseitig beraten sind. Gibt es nicht doch noch ein paar mehr empfehlenswerte Firmen? Insbesondere, wenn von "Baltikum" die Rede ist. Aber auch so bleibt der Eindruck: das Marketing für "Baltikum" läuft gut.

Samstag, Dezember 23, 2006

Lieber Baltikum statt Balkan

Lange Zeit wurden die baltischen Staaten verwechselt, verkannt, oder unterschätzt. Ob Estland ein baltisches, oder lieber ein nordisches Land sein möchte, ist sowieso ein gern diskutierte Frage - bei der sich auch der jetztige estnische Präsident Ilves gerne zu Wort gemeldet hat. Estland ist nicht Island - und Baltikum nicht Balkan.

Nun gibt es eine ganz neue Art der Wiederbelebung solcher Irritiationen. "Wir möchten Baltikum statt Balkan sein", so die Überschrift der WIENER ZEITUNG am 20.12.2006. Wer sich hier zu Wort meldet, ist der Kleinstaat Montenegro, laut diesem Beitrag "der jüngste Staat der Welt", und "ungefähr so groß wie Oberösterreich". Am 21.Mai hatte eine Mehrheit der Einwohner sich in einer Volksabstimmung für die Loslösung von Serbien ausgesprochen. "Wir wollen für ausländische Investoren ähnlich attraktiv werden wie das Baltikum", wird Petar Ivanovic, Leiter der montenegrinischen Investitionsförderungsagentur MIPA, in der österreichischen Presse zitiert.

Na, das sind noch Vorbilder!

Mittwoch, Dezember 20, 2006

Erinnerungskulturen V


Estland möchte den Gebrauch von Sowjet- und Nazisymbolen in der Öffentlichkeit verbieten. Der russische Aussenminister Sergei Lavrov ist weiterhin aufgebracht über die Gleichbehandlung beider Symbole und versucht es mit alten Propagandatricks:
“We considerate it sacrilegious and dangerous to put an equality sign between liberators and occupants. At present, this is happening in Estonia,” he told a news conference on Wednesday.
He added that Russia “will continue work in contacts with Estonian leadership and in the international arena to avert a revival of fascism and its heroisation”.

Hat tip to Giustino
Diese Kontroverse war der Anlass für die Reihe Erinnerungskulturen. Warum andere Länder nicht die Befreiung durch die Sowjetunion am Ende des 2. Weltkrieges feiern können. Jetzt kommt die Perspektive der Koreaner hinzu und macht deutlich, dass Russland noch lange an seiner sowjetischen Geschichte arbeiten muss. Es geht um die Zwangsdeportationen von annährend 200 000 Koreanern in die kasachische Steppe. Nachkommen dieser Tragödie leben übrigens heutzutage in Tallinn als Betreiber der koreanischen Restaurants, in der Hauptstadt Estlands.
Es begann 1937, einige Historiker meinen sogar, der 2. Weltkrieg hätte schon damals begonnen. Nämlich mit der japanischen Besetzung Chinas. Korea war da schon längst einverleibt in das japanische Imperium. Viele Koreaner gingen nach Russland um gegen die Japaner kämpfen zu können. Aber Stalin sah das anders. Wer zu Japan gehörte, war potentieller Spion. Egal ob besetzt und unterdrückt. Sowjetische Logik. Daraus folgte:
All 180,000 Koreans were packed into crowded cattle cars to make the 3700 mile journey to Kazakhstan and Uzbekistan. This highly organized, month long deportation is vividly brought to life though the memories of first hand survivors. About 98,000 Koreans were brought into Kazakhstan and disbursed throughout the country to establish collective farms. In the first years, many Koreans were relocated to uninhabited lands without any housing. At a small village named Ushtobe, 34,000 Koreans were brought and thousands lived out in the open steppe, digging holes in the ground for shelter. Others were sent far away to live among nomadic Kazakh herders making their homes in yurts. Native Kazakhs welcomed these Koreans and often assisted them as they settled into their new lives in these remote lands.

Ein Zitat aus einem Film, der gerade in den USA veröffentlicht wurde."Koryo Saram - The unreliable Koreans", Die unzuverlässigen Koreaner. Sie wurden also genauso wie die anderen Ethnien nach Zentralasien in Güterwaggons verfrachtet und dort ausgesetzt. Zum großen Teil ohne Behausung, einfach so, irgendwo. Wer überlebte hatte Glück. Bis zu Gorbatschows Zeiten war es Tabu über diese Geschichte zu forschen und zu berichten. Hier der wissenschaftliche Überblick von einem Koreaner in Kasachstan. Bezeichnend ist, dass deutsche Webseiten häufig den Begriff "Umsiedlung" benutzen, anstelle von Deportation. Das macht deutlich an wen Lavrov seine Propagandaoffensive richtet. In Polen, Ungarn, Korea wird er kein Gehör finden aber in Deutschland.

Dienstag, Dezember 19, 2006

Estonia - ein Geständnis?

Heute wurde ein weiterer Bericht zum Untergang des Fährschiffs Estonia veröffentlicht. Was lange im Hintergrund bei vielen als Verschwörungstheorie gehandelt wurde, bekommt nun eine überraschende Wendung. Es geht um die geheimen Militär - Geheimdiensttransporte über die Ostsee 1994. Trivimi Velliste behauptet nun davon gewusst zu haben, anderslautend als immer wieder behauptet wurde. Das könnte jetzt für einige Parlamentarier in Estland eng werden, wenn das stimmt. Gegenüber der Untersuchungskommission wurde immer das Gegenteil vertreten:
The Vice Chairman of the Constitutional Committee of the Estonian Parliament, Evelyn Sepp, considers Pro Patria Union (Isamaaliit) and the former Prime Minister Mart Laar responsible for carrying out sneaky business of transporting military technology and links it to the real reasons behind the sinking of Estonia.
Sepp said Trivimi Velliste's confession during today's final hearing of the weapon's commission, came to her as a complete surprise. "Velliste said he had known all along that the government of Estonia was involved in weapons transports on the passenger ferry Estonia.

Auch die Schweden müssen sich wieder mit dem Thema beschäftigen:
Mehrere Parlamentarier warfen dem früheren estnischen Außenminister Trivimi Velliste vor, er verschleiere die wahren Hintergründe der „Estonia“-Katastrophe von 1994. So habe er zunächst zugegeben, von geheimen Militärtransporten an Bord der „Estonia“ gewusst zu haben. Später habe er diese Aussage abgestritten. Hohe schwedische Offiziere hatten schon vor längerer Zeit eingeräumt, sie hätten gewusst, dass mit der „Estonia“ mehrmals geheimes Militärmaterial nach Schweden gebracht worden sei.

Donnerstag, Dezember 14, 2006

Symbole



Originally uploaded by windkeeper.
Windkeeper ist eine 18jährige Amateurfotografin aus Estland. Ihre Aufnahmen sind meist weniger politischen Inhalts. Das neue Gesetz zum Verbot von Nazi und Sowjetsymbolen in Estland hinterlässt viele Fragen:
"You know what, starting from a few days back it´s criminal to use that kind of symbolics publicly in Estonia. Wow, I can get us arrested like that..
Neat! (:"
Es ist ab jetzt wohl eine Straftat so etwas zu veröffentlichen, fragt sie ironisch in einem eigenen Kommentar zu diesem Photo.

Dienstag, Dezember 12, 2006

Estnische Woche in der Schweiz - Rückblick


Kalevipoeg Monument Tallinn
Originally uploaded by Jens-Olaf.
Die estnische Woche ist vorbei, aber die Veranstaltungs-Webseite hinterlässt zahlreiche lesenswerte Texte und Informationen. Die meisten zu finden unter der Rubrik Presse. Zum Beispiel eine genauere Betrachtung des estnischen Nationalmythos Kalevipoeg von Peter Petersen.
Das Kalevipoeg-Epos beeindruckt mich als Therapeut aus einem besonderen Grunde:
Der Held des Epos, Kalevipoeg, erkämpft sich zweimal, ohne Zwang, aus freiem Willen, den Weg in die Hölle; beim zweiten Mal gelingt es ihm, den „Gehörnten“ (den Teufel, den Bösen) zu besiegen. Der Sieg besteht jedoch nicht in der Vernichtung des Gehörnten, sondern Kalevipoeg bändigt den Teufel. Er fesselt ihn in Eisenbanden an den Felsen in der Hölle.
Kalevipoeg verzichtet damit auch auf Rache. Er hätte sich rächen können für die zahlreichen Untaten des Gehörnten. Der Verzicht auf Rache ist ein Akt der Klugheit und Weisheit.

Sonntag, Dezember 10, 2006

Live-Bloggen und Radio über Estland

Phil, der Autor von einem bekannten englischsprachigen Finnlandblog interviewt gerade Giustino. Er ist auf unserer Linkliste mit dem Titel seines Blogs "Itching for Eestimaa" vertreten und wohnt derzeit in New York. Die "Radio"-Show läuft gerade über Skype. Skype ist eher berüchtigt als Internet-Telefonprogramm. Wer ein Skypekonto besitzt kann sich einloggen und später Fragen stellen. Wahrscheinlich wird die Sendung später als Audiodatei - Podcast - abrufbar sein. Soweit zu den Möglichkeiten, die die neuen Medien und das Internet bieten. Für mich ist es das erste Mal, dass ich Giustino live höre. Zu den Inhalten der Diskussion später. Hier ist die Internetadresse von Radio Free Finland (Phil).
Update:
Phil hat die Audiodateien diesem Post hinzugefügt, mit einem kleinen Überblick über den Inhalt des aufgezeichneten Gesprächs.

Erinnerungskulturen IV

Die Stichworte Vertreibung und Polen bringen bei der Internetsuche vor allem die deutsche Perspektive der Vertreibungen seit 1944. Bezeichnend, dass es deutschsprachig kaum etwas über die Vertreibung der Polen durch die Sowjets gibt. Wie sollen sich Nachbarn, Deutsche, Polen, Litauer verstehen, wenn sie noch so große Lücken, Nichtwissen über die Geschichte der anderen Seite, besitzen.
Daniela Stankiewicz, 1928 im litauischen Wilna geboren, hat keinerlei Zweifel. Als sie und ihre Familie am 10. Dezember 1945 die Heimat Richtung Westen verlassen muss, geschieht das nur vordergründig freiwillig

Die ganze Zeit machten die russischen Truppen Straßen-Razzien, nahmen willkür-lich Leute fest, fingen an, sie abzutransportieren - richtiger Terror begann. Sie droh-ten: 'Wenn ihr Wilna nicht verlasst, schicken wir euch schnurstracks in die Lager nach Russland!'

Dies ist ein kurzer Ausschnitt aus einer Reihe des Deutschlandfunks. Hier Folge 10 aus Flucht und Vertreibung
Die Schilderungen machen deutlich, warum der Begriff "Befreier" (Synonym für Sowjets)in Polen wie eine nachträgliche Verhöhnung der Opfer klingen muss.

Freitag, Dezember 08, 2006

Erinnerungskulturen III


Budapest
Originally uploaded by Csaba1981.
Kaum zwei Monate zurück fanden die anhaltenden Demonstrationen gegen die Regierung in Ungarn statt. Anlass war das Eingeständnis der vorsätzlichen Lüge. Die Lage Ungarns wurde offiziell rosiger dargestellt als sie in Wirklichkeit war. Es ging um den Machterhalt. In diese stürmischen Wochen mit Dauerprotesten fiel der Jahrestag des Ungarnaufstandes 1956. Und hier zeigt sich, dass Ungarn gespalten ist. Die einen hätten nachträglich 1988/1989 gerne eine Revolution gesehen. Eine friedliche wie in der DDR, eine Singende Revolution wie im Baltikum, statt dessen gab es eine Wende. Das ist die Terminologie der ehemaligen Kommunisten. Ein Begriff den Egon Krenz auch für die DDR anwendete und der es geschafft hat bei uns die "Friedliche Revolution" zu verdrängen. Das zeigt, wie wenig sensibel wir mit osteuropäischer Vergangenheit umgehen, während für die Zeit ab 1933 in bundesrepublikanischer Tradition sich keiner einen Fehltritt in der Beschreibung des Nationalsozialismus und seiner Zeit leisten darf und durfte.
Nun war die Verwunderung groß, dass das estnische Parlament das Benutzen von Nazi- und Sowjetsymbolen verbieten möchte. Klingt überraschend, aber Ungarn hat dieses Gesetz schon längst. Und im Photo sieht man Demonstranten im September beim Vollzug. Sie entfernen das Sowjetsymbol am Obelisken für die "Befreier" in Budapest. Csaba, der die Aufnahme gemacht hat, meint, die heftige Reaktion aus Russland auf das estnische Verbotsvorhaben läge wohl daran, dass Estland Teil der Sowjetunion war und dadurch die Empfindlichkeiten in Moskau größer seien.

Donnerstag, Dezember 07, 2006

Erinnerungskulturen II


Kyiv
Originally uploaded by Neeka.
Anders als Estland gehörte die Ukraine während der Zwischenkriegszeit zur Sowjetunion. Hier stand im November ein Gedenktag im Vordergrund, die Erinnerung an den Holodomor. Die große Hungersnot während der Zwangskollektivierung, die Millionen das Leben gekostet hat. Während der Sowjetzeit gab es also kein Gedenken an die Opfer des 1. Weltkrieges, siehe letzter Post, sondern auch nicht an die Opfer der Jahre 1932-33. Und wie sieht sowjetische Propaganda aus: Es sei kein verschleierter Mord, sondern eine Missernte gewesen. Dass Menschen, nachdem das Getreide beschlagnahmt wurde bei der Suche nach übriggebliebenen Körnern auf den Feldern erschossen wurden, spielt da eine untergeordnete Rolle. Zwischen der Ukraine und Russland gibt es einen Streit um den Begriff Genozid. Mehr dazu bei Wikipedia.
Estland hat nach dieser Information den Holodomor als Genozid anerkannt, Deutschland anscheinend nicht.

Dienstag, Dezember 05, 2006

Europäische Erinnerungskulturen

Lange habe ich überlegt, ob ich den aktuellen Streit um das mögliche Verbot von Nazi- UND Sowjetsymbolen in Estland kommentieren soll. In Russland sind einige wieder aufgebracht, deutsche Medien übernehmen die entsprechenden Pressemeldungen von dort und in der Blogosphäre wird anhand dieser Meldungen drauflos diskutiert.
Das ist alles wertlos. Der Zweite Weltkrieg ist weitaus komplizierter als in Russland dargestellt und in Estland ist die Forschung über diese Jahre auch noch nicht abgeschlossen. Im Frühjahr diesen Jahres erschien der Band: "Die vergessene Front. Der Osten 1914/15" Es ist eine Sammlung verschiedener Autoren im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. Daraus ein Zitat das nachdenklich stimmt über die Erinnerungskultur in Russland.
Kristiane Janecke, Seite 344:
"Das kollektive Gedächtnis [nach dem 1. Weltkrieg in der Sowjetunion] war von nun an ausschließlich mit der Erinnerung an die Helden und Toten des neuen Regimes besetzt. In der Tat erinnert in Russland nicht ein einziges National- oder Ehrenmal oder ein Friedhof an den Weltkrieg, bis in die neunziger Jahre gab es keinen Verband und keine Organisation, die sich der Erinnerung widmete."
Sie erwähnt auch die Zahlen für Russland: 1,7 Millionen Soldaten gefallen, fast 5 Millionen verwundet, 2,5 Millionen in Gefangenschaft.
In dem oben genannten Forschungsband wird auf die Bedeutung des 1. Weltkriegs für die Planungen des daruffolgenden hingewiesen. Getrennt lässt sich das nicht mehr betrachten. Die Europäer haben sich noch viel zu erzählen.
Das Foto oben zeigt übrigens estnische,bzw. russische Offiziere beim Pontoonbau an der Wolga 1917.

Sonntag, Dezember 03, 2006

Vielleicht kommt jetzt der Kaiser,


My First visit in Tallinn
Originally uploaded by TosYum.
gemeint ist der japanische, nach Estland. Unser Kaiser Beckenbauer war schon da. Und wieder wird es ein Erste-Mal-Besuch werden. Der Zeitraum soll laut einer Pressemeldung Frühjahr 2007 sein, also bald. Dann ist es nicht mehr so kalt, wie bei dem Besuch von TosYum, hier vor einem Wasserfall an der Nordküste Estlands. Er ist ebenfalls Japaner und hat eine estnische Freundin. Gemeinsam veröffentlichen sie Fotos bei Flickr.com. Kürzlich hatten wir hier eine Aufnahme vom Aufenthalt der Queen in Tallinn von TosYums Photostream entnommen. Im Internetforum der Zeitung Postimees werden schon Basiskenntnisse in Japanisch ausgetauscht. Es gibt demnach immer noch Leute, die von Staatsbesuchen nicht genug bekommen können.