Montag, November 29, 2021

Geehrter Thomas

"Lieber Thomas" ("Dear Thomas"), ein Film von Andreas Kleinert, hat das Leben des Schriftstellers Thomas Brasch als Thema (Trailer), der 2001 mit nur 56 Jahren in Berlin starb. Der Film wurde jetzt beim "Black Nights Film Festival" (PÖFF) in Tallinn mit dem Grand Prix für den besten Film ausgezeichnet (Pressemitteilung / ERR).

Brasch, Sohn jüdischer Emigranten, war in den 1950iger Jahren in die DDR übergesiedelt. Mit einem Vater als stellvertretendem Kulturminister, von der Filmhochschule exmatrikuliert, und dann auch noch 1968 gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings protestieren - die Lebensgeschichte bietet sicherlich genug Filmstoff.

"Tobende Körper, packende Augen" fielen der ZEIT an diesem "spannenden Kunstwerk über die Verzweiflung eines deutsch-deutschen Lebens" auf. Um dann zu urteilen: "die Verfilmung seines Lebens ist ein seltener Glücksfall für das deutsche Kino". Anders das ZDF: "Einen der auszog, Unruhe zu stiften" - unklar ob damit Brasch oder der Filmemacher gemeint ist. "Erzählt in traumhaft schönen Schwarz-Weiß-Bildern". "Eine brilliante Filmbiografie" (Süddeutsche). "Der letzte Held der DDR" (Welt)(weitere Pressestimmen: NDR , Kino-Zeit, KinoKino, EPD-Film, der Freitag, Augsburger Allgemeine, rbb)

Schön, dass jetzt auch die Estinnen und Esten etwas davon haben. Der Film lief auf dem PÖFF auch mit estnischen Untertiteln.

Mittwoch, November 17, 2021

Finale in Mexiko

 "Vamos, Anett!" das werden in den kommenden Stunden sicherlich die estnischen Sportfans wieder ihrem neuen Tennissternchen zurufen wollen (delfi.sport). Etwas überraschend steht die 25-Jährige Estin Anett Kontaveit im Finale des WTA-Finalturniers in Mexiko. Teilnehmerinnen sind hier die besten acht der Tennis-Weltrangliste - also eigentich kann Kontaveit als Achte froh sein, überhaupt dabei zu sein. Aber nach Siegen über die beiden Tschechinnen Karolína Plíšková und Barbora Krejčíková (Nr. 3 und 4 der Weltrangliste) sowie der Griechin Maria Sakkari (laut estnischer Presse eine gute Freundin / ERR) steht die junge Estin sogar im Finale (sportschau). Dabei war allein schon die Qualifikation in sofern senationell, dass es noch nie eine Estin zuvor unter die besten acht Spielerinnen geschafft hatte (Estonian World). Zitat Kontaveit: "Ma ei suuda siiani päriselt uskuda, et isegi siin olen" (ich kann immer noch nicht glauben, dass ich hier bin / ERR)

Damit ist nicht nur sicher, dass dies das größte Finale ihrer bisherigen Sportlerinnenkarriere sein wird - auch 860.000 Dollar Preisgeld hat sie schon klar gemacht. Nun wartet im Finale noch die Spanierin Garbiñe Muguruza (wta-tennis), die noch im Gruppenspiel vorher klar gewonnen hatte. Aber: Kontaveit gewann 29 der vergangenen 32 Matches. Sie hat den "winning spirit", heißt es.

In ihrem Heimatland erzeugte Kontaveit natürlich schon länger Aufsehen: 2009 wurde sie im Alter von 13 Jahren estnische Tennismeisterin. Seit 2011 spielt sie im Rahmen der Tourniere des ITF (International Tennis Federation) und WTA (World Tennis Association). Und auch für dieses Finale am 18.11. (2.30 Uhr MEZ) hat die estnische Presse ein Zitat von Kontaveit bereit: „Mul pole midagi kaotada“ (ich habe nichts zu verlieren) / Ohtuleht)

Nur für Fans: wer weiß, was es mit diesen Namen auf sich hat, der ist wahrscheinlich eine/r: Andrei Luzgin, Märten Tamla, Peeter Lamp, Paul McNamee, Glenn Schaap, Nigel Sears, Ain Suurthal, Dmitry Tursunov.

Freitag, November 05, 2021

Trolley ohne

Trolleybusse, also Busse die ihre Energie aus Oberleitungen beziehen (manche nennen sie auch O-Busse), fahren in der estnischen Hauptstadt Tallinn seit 1965 - erst kürzlich wurde das 55.Jubiläum des Tallinner Trolleybusverkehrs gefeiert (tlt.ee). Das Betreiberunternehmen "Tallinna Linnatranspordi" betont aus diesem Anlass, Trolleybusse seien heute besonders wichtig für die Bewohner/innen der Stadtteile Mustamäe, Väike-Õismäe, Kristiine, Põhja-Tallinn and Kesklinn. 

Nun gibt es aber Pläne, bis 2025 keine Diesel-Busse und bis zum Jahr 2035 in Tallinn nur noch Busse mit Elektroantrieb einzusetzen (err). Um das zu erreichen, sollen nach und nach 650 Elektrobusse neu gekauft werden (err). Das Aus für die traditionellen Trolleybusse? "Trolleybusse werden stufenweise aus dem Stadtbild von Tallinn verschwinden", hieß es schon öfter in estnischen Presseberichten - ohne allerdings konkrete Daten zu nennen. (err / Baltic Times) Noch gibt es 50 Trolleybusse, eingesetzt auf nur noch vier von ehemals neun Linien.

Seit wenigen Wochen werden nun neue Fahrzeuge für die Tallinner Trolleybusflotte getestet. Die Fahrzeuge mit der Bezeichnung Solaris Trollino 24 MetroStyle sollen vor allem in der Lage sein, eine kurze Zeit auch ohne Stromabnehmer, also ohne Kontakt zu den Oberleitungen fahren zu können. Ein Fahrzeug, das auch bereits einen Designpreis abräumte (omnibusrevue) Auch in der slowakischen Hauptstadt Bratislava wurden bereits Probefahrten absolviert (busstreff).

den ganzen Bus auf ein Foto bekommen?
Schwierig ...

Das Gefährt aus Polen kann einige Kilometer mit bordeigenen Batterien bestreiten, die durch die Oberleitung aufgeladen werden. Das bringt die Tallinner Stadtplaner/innen auf neue Ideen. Zum einen wird über Express-Linien nachgedacht, "Metro-Busse" genannt, bei denen diese Fahrzeuge auf Hauptstraßen in Verkehrsspitzenzeiten eingesetzt werden und Kreuzungen schneller passieren können sollen. (Postimees) Außerdem ist statt Seitenspiegeln ein spezielles Kamerasystem eingebaut, das den "toten Winkel" eliminieren soll und den Fahrer vor anderen Verkehrsteilnehmer/innen wie Fahrradfahrer/innen oder Fußgänger/innen warnt.

Setzen offenbar eher auf die
Variante "selbstfahrend":
Uschi von der Leyen, Ministerpräsidentin
Kallas

Andererseits sind diese "Doppelgelenkbusse" auch 24 Meter lang, und damit doppelt so lang wie ein regulärer Bus, drinnen sollen 200 Passagiere Platz haben. Kaufpreis: 800.000 Euro. "So können wir vielleicht mit der zusätzlichen Energie aus den Batterien auch Stadtteile erreichen, die bisher unerreichtbar schienen", sagt Deniss Boroditš, Vorstandsmitglied bei "Tallinna Linnatranspordi AS". Immerhin koste so ein Metrobus dreimal weniger als eine Straßenbahn (err). "Der Elektrobus, das wird wie ein Trolleybus ganz neuer Art sein", versucht Boroditš die Nostalgiker zu trösten (err)

Bis Dezember werden nun zunächst die Trollino-24-MetroStyle-Busse in Tallinn getestet. Vorteil für Fahrgäste: einfach zusteigen und abfahren - Ticketkontrollen gibt es in den Testbussen nicht. Und wer die Fahrt mit Trolleybussen so richtig genießen kann, dem/der wird vielleicht auch das Lied von Viktor Tsoi vom "Троллейбус –Trolleybus” durch den Kopf gehen (ein Tipp des estnischen Bloggers "Flatfish") "We look out the window, with some hope at least, on the trolley-bus that goes to the east ..."