Dienstag, April 28, 2009

Kolga


Portal
Originally uploaded by rene j
Um an den vergangenen Post anzuknüpfen: Hier ist eine Aufnahme von rene_j. Der Ort ist Kolga, das Gutshaus, und spiegelt die dänisch-schwedisch-estnische Geschichte wider.
The estate has its roots in the Danish conquest of parts of Estonia in the beginning of the thirteenth century. The Danish king, Waldemar Sejr, gave it as a gift to his son Knud. Later it was donated to Roma monastery at Gotland.


Aus einer schwedischen Webseite.

Eine der wenigen deutschsprachigen Quellen:
Mit der Besetzung Estlands enteignete die Sowjetunion 1940 die Familie Stenbock. Das Gut ging in sowjetischen Staatsbesitz über. 1993, nach Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit, gab der estnische Staat der Familie das Anwesen zurück. Ein Großteil des Herrenhauses ist heute in sehr schlechtem baulichen Zustand.


Wikipedia über Kolga

Freitag, April 24, 2009

Europa - ein Jahrestag, die Georgsnacht


Die kommenden Europawahlen. Sie stehen nicht gerade im Mittelpunkt der politischen Debatte. Aber das war schon immer so. Viele empfinden Europa lediglich als europäischen Bürokratie-Überbau. Das hat seine Gründe. Noch lange bleiben wir in nationalen Perspektiven verwurzelt. Ein gemeinsames deutsch-französisches Geschichtsbuch hatte da schon für Aufregung gesorgt. Ansonsten wachsen wir weiter mit eigenen nationalen Mythengestalten, Märchen und Geschichtsbildern auf. Jedes Land hat dabei seine eigenen wichtigen Daten. Für Deutsche und Dänen könnte die Georgsnacht ein wichtiges Kapitel sein. Aber ihr wird wohl bis auf Weiteres nur in Estland gedacht werden, oder es greift das Thema ein Geschichtsenthusiast auf.
Torsten von AVH hat es getan. Über seinen Blog schreibt er:
In diesem Blog möchten wir Geschichte aus einem anderen Blickwinkel betrachten. An einzelnen Tagen greifen wir ein Ereignis heraus, das an eben diesem Datum in einer anderen Zeit geschehen ist. Vielleicht vor einem Jahr, vielleicht vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden. Dabei setzen wir keine thematischen oder geographischen Schwerpunkte. Wir fragen uns, wie ein zeitgenössischer Betrachter, außen stehend oder in das jeweilige Ereignis involviert, eine zeitgenössische Zeitung oder ein Berichterstatter, vielleicht auch eine Person aus einer späteren Epoche dieses Ergebnis wahrgenommen haben könnte und versuchen unsere Idee dieses Betrachters hier nieder zu schreiben.


Der letzte Eintrag gilt:
Livo Narvalannen: Aufstand in der St. Georgsnacht (23. April 1343)


...
In der St. Georgsnacht, am 23. April 1343, brach die Rebellion der estnischen Bevölkerung gegen die deutschen und dänischen Herren über das Land los, denen sie sich nicht länger unterwerfen wollten. Estnische Bauern griffen Kirchen, Klöster und Gutshöfe an, töteten Deutsche und Dänen, wo sie ihnen in die Quere kamen und belagerten die Stadt Tallinn.
...

Der ganze Text

Und aus Wikipedia: Aufstand in der Georgsnacht, die Erinnerung an die Konsequenzen, Dänemark verlor seinen Einfluss.
Alle wichtigen, bis dahin dänischen Städte in Estland fielen als Folge des Aufstands in der Georgsnacht in die Hand des militärisch und politisch gestärkten Schwertbrüderordens und des Deutschen Ordens, vor allem 1343 Tallinn und Rakvere (Wesenberg) sowie 1345 Narva. 1346 verkaufte der geschwächte König Waldemar IV. die Provinzen Harju und Viru für 10.000 Mark an den Orden.


Foto: Estonian Institute

Das treiben Esten rund um das Ereignis, hier 2008 ein Fotoset: Jüriöö ülestõus


Anmerkung: Die historischen Quellen sind wie so oft in der Geschichte dürftig, das ist wahrscheinlich der Stand der Dinge:
Sulev Vahtre beschäftigt sich mit den Quellen, die vom Aufstand der Esten in der Georgsnacht des Jahres 1343 berichten (55-69). Kein einziger der Berichte, die wir besitzen, ist zeitgenössisch, und alle längeren Texte, deren Unterschiede der Autor herausarbeitet, repräsentieren die Ordensperspektive. Während die "Jüngere Reimchronik" die livländische Sicht repräsentiere, biete die Chronik Wiegands von Marburg den preußischen Blick.


aus Sehepunkte, ein Überblick: Bernhart Jähnig / Klaus Militzer (Hgg.): Aus der Geschichte Alt-Livlands

Mittwoch, April 22, 2009

Verschollenes per Post zurück

Als schlichtes Postpaket kehrten kürzlich im 2.Weltkrieg aus Bremen verschwundene Bücher in die Hansestadt zurück. Die Bücher waren bei der Bearbeitung von Altbeständen in der Universität Tallinn gefunden worden, teilte jetzt die Universitätsbibliothek Bremen mit. 1942/43 waren Bücher in Bremen wegen vermehrter Bombenangriffe nach Sachsen-Anhalt ausgelagert worden. Laut der Bremer Bibliotheksdirektorin Marie Elisabeth Müller seien die Bücher "völlig unkompliziert" auf dem Postweg jetzt nach Bremen zurückgelangt.

Siehe auch:
Meldung Radio Bremen

Bericht News-ad-hoc


Frankfurter Rundschau

Samstag, April 18, 2009

"Set Skype Free !" Ein Treffen in Kalifornien


Set Skype Free !
Originally uploaded by jurvetson
Hier ein paar Gedanken von Steve Jurvetson zu Skype, das (noch) an Ebay gebunden ist. Die früheren Macher von Skype bei einem zufälligen Treffen, an dem es zu einem Gedankenaustausch kam, und die Idee endlich wieder Skype auf eigenen Füßen zu sehen.
Es geht auch um die Zukunft des Telefonierens. Die aufgeschriebenen Bemerkungen zum Treffen beim Anklicken des Fotos.

Donnerstag, April 16, 2009

On top of Tallinn


On top of Tallinn
Originally uploaded by das kine
das kine mal mit einer anderen Perspektive von Tallinn. Meist wird von der gegenüberliegenden Seite auf dem Domberg fotografiert. Der Frühling kommt, bald wird es grün.

Dienstag, April 14, 2009

Ein Fotoarchiv - entdeckt in Australien

Hugo Salasoo war Pharmazeut, floh 1944 aus Estland mit Zwischenaufenthalt in Deutschland und kam 1949 nach Australien. Dort arbeitete er an einem Archiv ueber Estland waehrend der Kriegsjahre und der sowjetischen Besetzung. Seine Fotos (Glasplatten) wurden in Australien von einem Sammler in einem Antikhandel entdeckt und aufgekauft. Nach und nach werden sie nun eingescannt und bei Flickr in einem Set hochgeladen:
Das Set heisst "Glas negatives"

I have recently acquired a collection of glass negatives (200-300 of them) relating to ~ WWII history of Estonia. They used to belong to Dr Hugo Salasoo (http://www.anbg.gov.au/biography/salasoo-hugo.html) who was an archivist of the Estonian Archives in Australia. I am going through the process of scanning them and posting them

Crafty Dogma

Update: Das Foto mit dem Leuchturm konnte ich lokalisieren. Es ist Vilsandi mit dem Rettungsbootshaus des Roten Kreuz. Es existierte bis 1939. Etwa 88 Menschen wurden aus Seenot gerettet.

Freitag, April 10, 2009

nicht in Estland: Laptop-Verbot für Politiker

Gegen ein Laptop-Verbot im Parlament wehren sich offenbar gegenwärtig die Politiker/innen in Rheinland-Pfalz. Mehreren Medienberichten zufolge (z.B. ddp, ad-hoc-News) wehrt sich der Ältestenrat des Landtags in Mainz dagegen, Laptops für Abgeordnete zuzulassen.

Im ddp-Interview sind es CDU-Abgeordnete, die sich dagegen wehren: unter anderem mit dem Verweis auf andere Länder: selbst in Staaten wie Estland, Lettland oder Litauen gebe es kein Parlament mehr ohne Laptop für jeden Abgeordneten - so zitiert ddp den Abgeordneten und Vorsitzenden des Landtagsausschusses für Medien, Norbert Mittrücker.
Bisher ohne Erfolg: während der Landtagssitzungen bleiben Laptops in Mainz verboten.

Auch Dieter Lang, Sprecher des rheinland-pfälzischen Landtags, wird von ddp zitiert. Der Landtag sei ein Ort der Debatte - daher habe man sich für ein Laptop-Verbot parallel zum Handy-Verbot entschieden.

Mittwoch, April 08, 2009

Euro = teuro? Aber für wen?

Rund um die gemeinschaftliche Währung in der Europäischen Union hat es zu keinem Zeitpunkt an Skepsis und Kritik gemangelt.

Zunächst und in Westeuropa ging es um Nutzen und Risiken. Die deutschen Professoren Wilhem Hankel, Wilhelm Nōlling, Karl Schachtschneider un Joachim Starbatty warnten vor der Einführung und jüngst im Rahmen der Finanzkrise erneut vor den Gefahren. Die Währungsunion werde scheitern. Einige Staaten wollten den Euro gar nicht erst einführen und blieben entsprechend bei ihrer nationalen Valuta.

In den 2004 beigetretenen Staaten ging es um dan Namen selbst. Vom allgemein französisch ausgesprochenen, eigentlich englischen Kürzel ECU abrückend hatten sich die beteiligten lAnder auf den – meiner Meinung nach einfallslosen – Namen Euro geeinigt. Die Griechen traten dank unkorrekter statistischer Angaben der Euro-Zone sofort bei und durften einen griechischen Aufdruck auf den Banknoten durchsetzen, weil ihre Sprache nicht das lateinisch Alphabet verwendet. Nach 2004 foderten die Letten, es möge Eiro oder besser noch Eira als dritte Variante hinzugefügt werden, damit sich der Name der Währung in ihrer Sprache deklinieren läßt.

Darum aber soll es hier nicht gehen.

In der Finanzkrise gibt es nun erneut eine Kakophonie der Meinungen. Während Professor Nölling den Zusammenbruch der Euro-Zone prognostiziert, weil die reichen Länder die ärmeren de facto unterstützten, so behauptete der im lettischen Ventspils lehrende Ökonom Dmitrij Smirnow, der für seine markigen Sprüche schon einmal vom Verfasungsschutz verhaftet worden war, daß für sein wirtschaftliche bedrängtes Land die EU generell kein Rettungsanker sei, denn die Union werde sowieso binnen der nächsten zwei bis drei Jahre zerbrechen.

Andere Länder hingegen spekulieren mit der Einführung der Gemeinschaftswährung. Island diskutierte sogar über den dafür erforderlichen Beitritt zur EU.

Die Regierungen Ostmitteleuropas wiederum setzen angesichts eines Abwertungsdruckes auf ihre nationalen Währungen jetzt noch mehr auf den als stabiler geltenden Euro und wollen die Einführung der Gemeinschaftswährung in ihren Länder beschleunigen. Im Baltikum trat insbesondere der estnische Ministerpräsident Andrus Ansip in den letzten Wochen mehrfach mit Prognosen an die Öffentlichkeit. In Lettland war Smirnow gerade wegen seiner Abwertungsspekulationen 2008 zwei Tage lang festgehalten worden.

Nun prescht nach einem Bericht der Financial Times der IWF vor. Ungarn, Rumänien, der Ukraine und Lettland wurde bereits Hilfe zugesagt und auf dem G20 Gipfel in London die großzügige Aufstockung der IWF-Mittel beschlossen. In einem vor einem Monat erstellten, vertraulichen Dokument schlägt der Währungsfond vor, die ostmitteleuropäischen EU-Mitglieder sollten den Euro als Zahlungsmittel einführen, auch ohne der Währungsunion formal beizutreten. Dieser Vorschalg würde bedeuten, daß die betreffenden Staaten zwar den Euro als Bargeld einführen, aber keine Sitze in der Europäischen Zentralbank einnehmen.

Das wäre ein Zustand ähnlich wie im Kosovo. Das nur halb unabhängige Land verfügt allerdings nicht nur nicht über eine eigene Währung.

Der IWF begründet seinen Vorschlag damit, daß die Stabilität der Länder damit erhöht werde, weil die auswärtige Schuld kalkulierbarer und nicht mehr als nötig steigen werde. So könne Unsicherheit abgebaut und Vertrauen erhöht werden. Die Alternative sei, so heißt es, einen drastischen Sparkurs im Inalnd gegen zunehmenden Widerstand durchsetzen zu müssen. Dieses Szenario verfolgte die Regierung Godmanis in Lettland ebenso wie der neue Ministerpräsident Dombrovskis.

Dieser IWF Report wurde zur Unterstützung einer gemeinsamen Kampagne mit der Weltbank und der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erstellt, mit der die EU-Länder überredet werden sollten, einen speziellen Fond für die ostmitteleuropäischen Mitglieder einzurichten. Diese Idee aber war am Widerstand sowohl aus Westeuropa wie auch aus dem Ostteil des Kontinents gescheitert. Die Länder der Eurozone wie auch die EZB lehnen eine Änderung oder Abschwächung der Beitrittskriterien ab.

Der IWF prognostziert für die ostsueropäischen Staaten inklusive der Türkei 413 Milliarden US-$ Auslandschulden und weitere 84 Milliarden US-$ Außenhandelsdefizit. Die Finanzierungslücke für 2009 und 2010 werde 186 Milliarden US-$ betragen.

Montag, April 06, 2009

Nachbarschaftliches

Es ist ja in diesem Blog (wie auch im Lettland-Blog) schon mehrfach die Rede davon gewesen, was Nachbarn so übereinander reden. "Baltische Geschwister" sozusagen. Nein, das ein lettischer Botschafter in Estland schon mal mit Alkohol am Steuer erwischt wird, das könnte an dieser Stelle höflich verschwiegen werden. Und auch die estnischen Spottlieder über die lettischen Bankpleiten kennen wir nun schon. Aus Anlaß des Besuchs von Präsident Zatlers in Estland könnten wir mal schauen, ob über Estland in Lettland ähnlich geschrieben wird wie in Deutschland.

Gott schützt nur Lettland?
"Estland, das unreligiöseste Land der Welt!" Das stand am 11.Februar in der lettischen Tageszeitung DIENA zu lesen. Na gut, es waren schlicht die (zitierten) Ergebnisse einer Gallup-Umfrage: nur 14% der befragten Esten antworteten auf die Frage, ob Religion ein wichtiger Teil ihres Alltagslebens darstelle, mit 'Ja'. Damit bildete Estland das Schlußlicht (je nach Sichtweise auch die Spitze) aller befragten Länder. Danach folgten Schweden und Dänemark (17 bzw. 18%), Norwegen (20%) und Tschechien (21%). Lettland folgte zusammen mit einer Gruppe von Ländern, in denen noch der überwiegende Teil eher nichts mit Religion zu tun haben will (prozentual ähnlich wie Großbritannien, Finnland, Niederlande, Bulgarien und - erstaunlich? auch Litauen). Als "am meisten religiös" erwiesen sich hier Griechenland, Italien, Portugal, Rumänien und Polen.
Soweit der "Schwesternvergleich" in DIENA.

Konkurrenten oder Partner?
Heute nun beleuchtet "Latvijas Avize" den Staatsbesuch von Präsident Zatlers beim nördlichen Nachbarn, und befragt den Amtskollegen Tomas Henrik Ilves (durch die beiden Journalisten Viesturs Serdāns un Ģirts Kondrāts). Ob denn nicht Estland und Lettland heute eher Konkurrenten als Partner seien, fragt die lettische Seite, und spiegelt wohl gleichzeitig die typische Einstellung jener Letten, die Estland immer ein Stück voraus glauben. Ganz Diplomat (und Este!) weist Ilves das zurück. Schließlich sei man ja gemeinsam Mitglied in EU und NATO. Einen Wettbewerb macht er allerdings aus zwischen Lettland und Litauen, wer von beiden die Energiebrücke nach Schweden nun bekomme (ebenfalls beliebt: wenn zwei sich vertragen wollen, verweise immer auf Schwester Nr.3!).

Estland sei mehr skandinavisch und weniger baltisch - auch dieses Zitat von Ilves haben sich die lettischen Journalisten offenbar gut gemerkt. Ach, das habe er vor 10 Jahren mal gesagt, gibt Ilves zurück. Das habe vor allem mit dem Suchen nach kultureller Identität zu tun, die in tausenden von Jahren geprägt worden sei. Aber Gemeinsamkeiten zwischen Estland, Lettland und Litauen gebe es ja, mindestens seit der Unabhängigkeit dieser drei Staaten vor 90 Jahren.

Gürtel enger schnallen - und trotzdem überleben
Die es die Esten schaffen, die Finanzkrise zu überstehen, ohne den Rentern, Lehrern und Kindern allzuviel wegzunehmen. Nun, das sei in erster Linie Aufgabe der estnischen Regierung, meint Ilves. Aber immerhin gehe es hier "nur" um einen Aufschub von Renten- und Lohnerhöhungen, nur in geringem Maße um Kürzungen (bei staatlichen Angestellten -8%). Dennoch seien die meisten Esten gegenwärtig nur mit dem Überleben beschäftigt, an "Aufschwung" könne erst später wieder gedacht werden.


Und dann kommt der oberste Este vielleicht auf ein estnisches Lieblingsthema. "Mehr Innovationen in der Wirtschaft", fordert Ilves, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass viele Firmen in der jetzigen Situation viel zu viel Geld in Immobilien gesteckt hätten (was man auch mit dem lettischen Wort "unbewegliches Eigentum" übersetzen und verdeutlichen kann). "Wer gute Schuhe produzieren möchte, und dies auf kluge Weise mit Datenverarbeitung kombiniert, baut eine bessere Zukunft als derjenige, der nur umherreist und irgendwo Häuser verkauft," so Ilves. Nicht "schnelles Geld", sondern frische Ideen seien erforderlich.
Auch der Präsident schreckt nicht vor allseits bereits bekannten Schablonen zurück. 'Skype' sei von Esten erfunden worden, inzwischen sei der Sitz der Eigentüberfirma in Luxenburg. Aber der Eindruck sei geblieben, dass auch "arme Esten" etwas derart Innovatives erfinden könnten. "Das ist besser als von den Bauern die Wiesen zu kaufen und Immobilienprojekte darauf zu setzen!"

Da riskiert der Präsident natürlich die Rückfrage der interessierten lettischen Interviewer, ob er denn selbst 'Skype' nutze. Er habe es ausprobiert, gibt Ilves zu, warte aber derzeit auf noch bessere Wege der Kommunikation (und gebe sich einstweilen mit einem "Iphone" zufrieden).

Estland und Europa - möglichst ohne rosarote Brillen
Was zu tun bleibe, fragen die 2 Zeitungsletten weiter, wo Estland wie Lettland doch jahrelang darauf hingearbeitet hätten, wieder in die "Eurozone" zurückzugelangen, dies aber nun doch seit 5 Jahren bereits erreicht sei? Erstmal die Freiheit wiederzuerlangen, sei natürlich 1990 das Wichtigste gewesen, antwortet Ilves. Heute aber stehe man den "Maastricht-Kriterien" der EU gegenüber, und die alle zu erfüllen, sei eine wirkliche Herausforderung.

Zum Schluß noch eine interessante These von Ilves, auch gegenüber dem Nachbarn Lettland. Beim Rückblick auf die eigene Geschichte sei Opfern auf allen Seiten zu gedenken, mahnt der estnische Präsident. "So wie die Spanier wissen wollen, was in den 30er Jahren geschah, die Franzosen was in den 40er Jahren geschah, die Deutschen ebenfalls ihre Vergangenheit aufarbeiten - so müssen auch wir es tun, damit ähnliche Dinge wie damals sich nicht wiederholen." Das alles sei nicht nur eine Frage für die Gerichte, so Ilves, denn viele der Schuldigen seien ja bereits gestorben. Aber genauso wie es um die Verbrechen von Sowjets, von Militärs, von Geheimdienstlern oder Kommunisten gehe, dürfe man auch vor dem genauen Blick auf diejenigen Esten nicht zurückschrecken, die mit Verbrechen in Zusammenhang zu bringen seien.
Ein interessanter estnischer Schriftzug ins lettische Stammbuch.

Samstag, April 04, 2009

Politologe aus Rußland: Moskau wird an Einfluß verlieren

Wieso eine solche Überschrift in einem Blog über Estland? Die Zeitung Postimees berichtete am 30. März über den Besuch des russischen Politologen Andrej Piontkowski an der Universität Tallinn, wo er in einer Vorlesung eben diese Prognose abgab.

In den Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges wurden viele Theorien publiziert wie Fukuyamas Ende der Geschichte und Huntingtons Kampf der Zivilisationen. Immer wieder wurde dabei die Frage diskutiert, ob die Zukunft des Machtgefüges auf der Welt unipolar sei – Huntingtons Lonely Superpower – was von anderen Autoren angezweifelt wurde. Viele Kommentatoren sind der Ansicht, es werde sich eine multipolare Struktur herausbilden. So bezweifelte jüngst auch der Global Trends 2025-Bericht des National Intelligence Council, daß die USA ihre Bedeutung in der Welt werden erhalten können. Der konservative US-amerikanische Kommentator und Politikberater Robert Kagan zweifelt am Niedergang der USA.

Piontkowski ist der Ansicht, Rußland habe im Rahmen des Krieges gegen Georgien erkannt, daß der eigenen Politik alles aus der Hand geglitten sei. Solche Konflikte könnten sich auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion wiederholen, um von anderen Problemen im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise abzulenken. Die fehlende Nachhaltigkeit der Außenpolitik Putins für die Entwicklung des eigenen Landes ist schon vergangenen Sommer auch von Politikern, Journalisten und Wissenschaftlern angemerkt worden, die allerdings zwischen verstehender Erklärung und schroffer Ablehnung Rußlands schwankten. Piontkowski hält die Bedeutung Rußlands auf der Weltbühne für eine mehr scheinbare.

Der Politologe ist überzeugt von der Bedeutung solcher Länder wie Estland, das in der Informationstechnologie führend sei. Hier sei beispielsweise Skype erfunden worden, das jetzt die ganze Welt verwende. Estland demonstriere dem großen Nachbarn auch durch die Beteiligung an der Mission in Afghanistan seine Bedeutung beim Schutz vor dem auch Rußland bedrohenden islamistischen Terror.

Wenn auch Piontkowski es sich in einigen Punkten sehr einfach macht, sollte diese Meinung nicht auf die Goldwaage gelegt werden. Es besteht kein Zweifel, daß die Bedeutung eines Staates nicht monokausal ist und Rußland nicht wegen sinkender Rohstoffpreise und “allgemeiner Unbeliebtheit” in der Bedeutungslosigkeit versinken wird. Andererseits wird Estlands Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Techniken mitunter überbewertet, auch wenn in Tallinn schon früh möglich war, einen Parkplatz per Handy zu bezahlen. Aus der Idee, das Erbgut des gesamten estnischen Volkes zu erfassen, ist nie etwas geworden und das Wählen per Internet, das 2007 durch die Medien ging, hat die Zettelwirtschaft keineswegs ersetzt. Die genannten Theorien sind weniger als erfolgreiche Erklärung der Welt zu verstehen, denn als Beobachtungen und Idee, als Grundlage für Diskussionen.

Freitag, April 03, 2009

Dezemberhitze

Geschichte landet irgendwann im Film, im Kino. In Deutschland fehlt noch ein großes Drama über den Mauerfall 1989. Aber über die Zeit davor, in der DDR, gibt es bereits Produktionen wie "Das Leben der Anderen" oder "Good Bye Lenin", wo die Mauer immerhin eine indirekte Rolle spielt. Historische Themen gibt es in Mitteleuropa zuhauf.

In Estland entstehen nach und nach ebenfalls historisch inspirierte Filme. Zum Beispiel Marmortahvlil über den Freiheitskrieg 1918-1920 oder Revolution of Pigs (Sigade revolutsioon) über die Komsomolzenzeit der 80er.


Seit einigen Monaten liegt der Trailer für Detsembrikuumus (Decemberheat) vor. Die Handlung spielt im Jahr 1924, als ein kommunistischer Putschversuch die junge Republik Estland bedroht. Es gab über 100 Tote, danach eine Verhaftungswelle.


Cyrus Farivar hat mit dem Produzenten Artur Talvik ein Email-Interview geführt.
Talvik:
...
The battles are pretty similar. Althought the battle at the 5th police station wasn’t so big. The battle at the Ministry of Defense was probably similar, but the ministry wasn’t the Red headquarters and the counterattack by the guards started earlier. Something similar happened at Balti Jaam. The battle there was actually one of the biggest but we decided do not go back there because we tried to fallow Tanel’s moves. The battle at the military school barracks was probably historically the biggest. So this is very similar.


Das ist für mich insofern auch interessant, weil sich hier Familiengeschichte und die Filmrekonstruktion treffen. Mein Großvater hatte im Dezember 1924 seine Arbeitsstelle auf Toompea beim Verteidigungsministerium. Auf dem Weg zur Arbeit wurde er von einem Putschisten mit einer Handfeuerwaffe bedroht. Mehr hat er dazu nie gesagt. Vielleicht lassen sich nachträglich aus dem Archivmaterial, das für den Film gesichtet wurde, die Uhrzeit und die Umstände recherchieren.

Mehr zu den Film- und historischen Hintergründen im Post von Cyrus Farivar.
Interview mit Artur Talvik.