Dienstag, Februar 12, 2019

Fischdosenköpfe, Honigtöpfe

In Estland ist Wahlkampf anders. Oder doch nicht? Ich dachte schon, in Estland sei die Aussenwerbung der Parteien deshalb verboten, weil alles - selbstverständlich - digital und im Internet stattfinden wird. Nein, ganz so ist es wohl doch nicht.

Estland liegt an der "Westsee" - das scheinen einige
Kandidaten auch politisch besonder betonen zu wollen
Allein die große Menge an Wahlgeschenken, die offenbar auf den Straßen Estlands und bei Wahlwerbeveranstaltungen in diesen Tagen abgeboten werden, ist schon erstaunlich. Das reicht von Honig über Gewürzpfeffer, Schokolade, Kräutertee bis hin zu eingelegtem Hering - jeweils natürlich mit dem Foto des Kandidaten darauf (ERR). Wer Glück hat, kann auch eine Portion getrocknete Beeren oder Haselnüsse an den Wahlständen abgreifen - Bonbons, Anstecker, Kugelschreiber wirken da beinahe schon "old-fashioned".

Die andere Seite des üblichen Wahlkampfs: die Umfragen. Angeblich bevorzugen 35% der Wahlberechtigten in Estland den gegenwärtigen Regierungschef Jüri Ratas auch weiterhin in diesem Amt (ERR). Ihm folgt die Spitzenkandidatin der Reformpartei, die bisherige Europaabgeordnete Kaia Kallas mit 18% - eine Tochter des früheren Regierungschefs und EU-Verkehrskommissars Siim Kallas. Diesmal gilt es, Kandidatinnen mit dem Nachnamen "Kallas" genau auseinanderzuhalten: neben der Parteichefin der Reformpartei tritt auch Kristina Kallas an, bisher Leiterin des Narva College, und seit November 2018 Vorsitzende der neu gegründeten Partei "Estland 200".

Die Journalisten des ERR haben hier genau hingeschaut:
das Haltbarkeitsdatum der mit Politwerbung vermischten
Ware reicht nicht weit über den Wahltermin hinaus -
genau wie die Wahlversprechungen?
Aktuelle Umfragen sehen die estnische Zentrumspartei gegenwärtig bei 24,4% Zustimmung,mit der Reformpartei gleichauf auf 24,5%. Die rechtskonservative EKRE liegt bei 18,9%, die Sozialdemokraten SDE bei 11,5%, und die Vaterlandspartei Isamaa bei 8,6%. Auch "Estland 200" wäre mit 6,4% noch im Parlament. Die estnischen Grünen dagegen liegen bei 2,2%, und die Freiheitliche Partei (Vabaerakond) bei 0,7%.

Insgesamt bewerben sich 1099 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich um einen der 101 Sitze im estnischen Parlament. (valimised) Diese verteilen sich auf 10 verschiedene Parteien, dazu kommen 15 parteiungebundene Kandidat/innen.
Bereits am 21.Februar wird die elektronische Wahlmöglichkeit freigeschaltet.
Bei den vergangenen Parlamentswahlen im Jahr 2015 entfielen bereits 4,3% auf das e-Voting.
Wer indessen in Deutschland als Estin oder Este sein Wahlrecht wahrnehmen möchte, muss sich beeilen: die estnische Botschaft in Berlin stellt dort die Wahlurnen bereits am 17. und 18. Februar auf.