Dienstag, August 30, 2005

Bundestagswahl in Deutschland - estnische Politiker

In der deutschen Provinz häufen sich die Wahlkampftermine, heute kommt Merkel und morgen Fischer nach Osnabrück, zwischendurch auch Westerwelle. Das Fernsehen bestimmt einen großen Anteil an diesem Geschehen. Ich sehe kaum fern, deshalb habe ich Fischers leidende rauhe Stimme nur einmal im Hörfunk mitbekommen.
In diesen turbulenten Medienzeiten ist es manchmal nützlich, das Ganze von aussen zu betrachten. Zum Beispiel mit Hilfe der Betrachtungen von Mart Laar vor wenigen Tagen im Brüssel Journal, er war Ministerpräsident in Estland. Er berichtet dort in einem Interview über seine Entscheidungen als Politker und über seine angeblichen Unkenntnisse in einigen Bereichen. Erstaunlich mit welcher Unverfrohrenheit er behauptet, von Wirtschaft keine Ahnung zu haben und doch vor zehn Jahren die richtigen Rückschlüsse gezogen zu haben. Der erste Gedanke zu seinen Äußerungen: Sowas undiplomatisches kann sich hierzulande kein deutscher Politiker leisten. Hier ein Auszug:

Paul Belien: You turned Estonia into an economic miracle model. Can you tell us how you did it? You are not an economist. What did you do? Where did you get the inspiration from?

Mart Laar: I am not an economist. I am a practical man. I had read only one book on economics. This was Milton Friedman’s “Free to choose.” I must say that to my mind all the ideas which were presented there looked to be very practical. I was not too informed. I did not know that not many countries or rather no country at all had ever used the same policies. It looked very logical to me. Hence I introduced these things. They have worked very well in Estonia and are now being followed in lots of other countries.

PB: How was the economic situation in Estonia when you came into power?

ML: We were completely down. In 1992, the year when I became Prime Minister, we had an inflation of more than 1,000%. We had a drop in the economy of more than 30%. We were totally dependent on Russia. Most of our economy was state owned. Food was rationed. There was no gasoline, which means no cars in the streets. If I look back now and see the traffic congestion on Estonian streets I sometimes think that perhaps it was not such a bad time when there were no cars at all.

PB: You came up with this revolutionary idea of the flat tax. You were actually the first country in Europe to introduce this. Where did you get this revolutionary idea?

ML: This was also from the Milton Friedman book, but I really did not know that I was the only one to try it. It just looked so logical to introduce this, so this was one of the first reforms that we did. It was enforced on 1 January 1994.

PB: Did you have a hard time convincing your party members in Estonia to accept this brand new idea?

ML: Yes, indeed. I must say, however, that it did not take too long. We passed flat tax legislation in 1993 in order for it to become effective on 1 January of the next year. But, yes, sometimes to convince your own party is the most difficult part. When we introduced it, it was a highly unpopular idea. It was attacked by all the specialists. Most economists said that I was completely mad and that I did not know anything about economics. To say that this man really does not know anything about economics, was actually true.


Das Beispiel "Flat Tax" soll hier einmal im Hintergrund bleiben. Erstaunlich finde ich, wieviel Spielraum in Osteuropa für neue Politik vorhanden war, während wir mit Millimeterarbeit leben müssen. Egal wer regiert.

Montag, August 29, 2005

Journalistische Reflexe


Der Deutschlandfunk kündigt eine Sendung zum Thema- Estland und der Preis der Reformen -an. Termin 17. September 11:05
Voraussichtlich gut recherchiert mit vielen Zeitzeugen, trotzdem ist etwas in der Vorankündigung, was einen nachdenklich macht. Es heisst dort:
...
"Doch die konsequente Umsetzung marktwirtschaftlicher Reformen hat ihren Preis. Viele ältere Menschen leben heute am Rande der Armut."


Es ist nicht das erste Mal, dass die Senioren als Opfer der Marktwirtschaft nach 1991 bezeichnet werden, aber hier wird etwas auf den Kopf gestellt.
Es gab nichts mehr zum Verteilen beim Bankrott der Sowjetunion. Das Land war marode und abgewirtschaftet. Aus dem Nichts hätte man also für Sozialleistungen auch nichts holen können, Schulden machen, damit die Älteren zufrieden sind - eine Alternative? So sah Estland und das Baltikum vielerorts im Innern aus- Foto links oben 1991/1992 in einer Fabrik in Valka.
Kommunikation anno 1992, umsonst Telefonieren zum Ortstarif in Tartu

Lebensmittel aus dieser Produktion waren billig. Deswegen:














Die Zeit der Sowjetunion hat mit ihren getürkten Wirtschaftsdaten, dem Rohstoffraubau, den geliehenen Sozialleistungen viele Illusionen hinterlassen und getäuschte Opfer. Nur den Preis dafür zahlen sie jetzt. Am Pranger stehen diejenigen Politiker, die versuchen diesen Nachlass loszuwerden. Verkehrte Welt.

Freitag, August 26, 2005

Narva


Narva ist eine der größten Städte Estlands. Das historische Narva ist mit dem Zweiten Weltkrieg verschwunden. Die sowjetische Nachkriegszeit hat bis auf einige Ausnahmen die Reste beseitigt. Entstanden ist eine sowjetisch-sozialistische Siedlung, die die heutigen Städteplaner herausfordert. Mehr als alle Beschreibungen geben die Luftaufnahmen des Architektur- und Stadtplanungsamtes her, hier die vollständige Auflistung.
Der Ist-Zustand sieht in Narva häufig so aus: Die einzelnen Stadtbereiche hängen lose zusammen (Foto). Gerechterweise sollte man auch betonen, dass das historische Narva nur eine begrenzte Fläche einnahm, während die neuen Stadtbezirke tatsächlich auch Neuland waren. Die Zukunftspläne berücksichtigen das.

Mittwoch, August 24, 2005

Estnische Jugend und die Politik - Optimismus, aber kritische Distanz?

Die Ergebnisse einer neuen Studie zu "Teilnahme von Jugendlichen in EU-Mitgliedländern an der Politik" bringt es an den Tag: In Estland interessieren sich viel weniger junge Leute für Poltik als in Deutschland, und vertrauen eher auf NGOs als den Politikern, gehen aber mit viel Optimismus durchs Leben.
Deutsche junge Leute legen dagegen eher eine sehr skeptische Lebenseinstellung an den Tag (ebenso wie die Österreicher übrigens), interessieren sich aber von allen untersuchten EU-Ländern am meisten für Politik.

Diese Aussagen finden sich im Untersuchungsbericht mit dem langen Namen "Political Participation of Young People in Europe - Development of Indicators for Comparative Research in the European Union" (EUYOUPART). In Deutschland beteiligt war das Deutsche Jugendinstitut in München. Es wurden Jugendliche befragt in Deutschland, Finnland, Estland, der Slowakei, Italien, Frankreich, Österreich und Großbritannien.

Der zusammenfassenden Darstellung nach geben 51% der befragten deutschen Jugendlichen politisches Interesse an, während es in Estland nur 29% sind. Im Durchschnitt aller Länder lag das Interesse an Politik nur bei 37%.
Dennoch nehmen die meisten ihr Wahlrecht wahr, obwohl viele das nur als eine von mehreren Möglichkeiten der politischen Beteiligung sehen.
Insgesamt ist das Vertrauen in Parteien gering, und die Attraktivität von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und neue soziale Bewegungen für Jugendliche wächst.

Die einzelnen Länderberichte lassen sich auf der Webseite des Deutschen Jugendinstituts als PDF-Dateien herunterladen.

Dienstag, August 23, 2005

Tage zum Erinnern

Vor über 15 Jahren befand sich das gesamte Baltikum im Umbruch. An einzelne Ereignisse wird häufig in Jahresabständen erinnert. Zum Beispiel an den blutigen Sonntag in Vilnius, den Augustputsch in Moskau oder an den Tag des Baltischen Weges, als Millionen Balten gegen die sowjetische Bedrohung eine Menschenkette bildeten. Allaboutlatvia hat dieses Ereignis aufgegriffen, ist aber nicht sicher, ob im August 1989 erstmals die westlichen Medien auf das Baltikum aufmerksam wurden.
Es geschah schon ein Jahr zuvor, 1988, als die jahrzehntelange westliche Nachrichtenlücke über das Baltikum beendet wurde. Allerdings waren die Deutschen dann 1989 vollauf mit den Flüchtlingen aus der DDR und dem Zusammenbruch des SED-Regimes beschäftigt, so daß die Nachrichten von der Ostsee wieder im Hintergrund rangierten. Hier nun ein paar der ersten großen deutschsprachigen Artikel:

Presse 1988 Posted by Picasa

Montag, August 22, 2005

1. Weltkrieg Fotoserie - Die Archive


Seit wir mit der 1.Weltkriegs-Fotoserie angefangen haben, stellt sich die Frage: Wieviel ist aus dem Nachlaß des Soldaten Biesenbach über die Ostfront bereits bekannt oder in der Zwischenzeit verschwunden. Nach der Ansicht des amerikanischen Historikers Liulevicius, Kriegsland im Osten, ist das schwierig zu beantworten. Ein Großteil des Bildarchivs WWI ist im 2. Weltkrieg verloren gegangen.
Liulevicius:
Somit stellt die Vernachlässigung der Ostfront in der Historiographie des Ersten Weltkrieges eine bemerkenswerte Lücke dar. ...
... Nach dem Zweiten Weltkrieg ging man davon aus, daß vor allem im Potsdamer Reichsarchiv fast alles Dokumentationsmaterial den Bomben zum Opfer gefallen war, während die Archive in der Sowjetunion unzugänglich oder unbekannt waren (im nachhinein stellte sich allerdings heraus, daß wichtige Materialien erhalten geblieben sind, wenn auch weit verstreut und mitunter unvollständig).

Das oben gezeigte Foto, Vormarsch der deutschen Truppen nach Tartu, stammt aus dem Militärarchiv und besitzt eine Numerierung. Ob es bis jetzt der Forschung zugänglich war oder nicht, lässt sich von uns aus nicht feststellen.

Samstag, August 20, 2005

Deutsche Großstadtprofis unterwegs

Was für ein Artikel verursacht diese Folgekommentare ?

irrgaertnerin am 20.8.2005, 14:13
oh. estland. ich hab die stunden sehr genossen, die ich dort verbrachte, auf dem weg nach russland.
und esten sind ja wohl die nettesten leute überhaupt.
oh ja.
irreal am 20.8.2005, 14:22
Die nettesten Menschen überhaupt?

Was ist das denn für eine schockierende Aussage?
Und was ist mit Türken, Österreichern, Dänen und Vietnamesen?


Wer es wissen will: Hier nachzulesen.

Automobilgeschichte Estlands

Marmot´s hole (ein Korea-Blog) hat eine Seite über die koreanischen Oldtimer vorgestellt. So was sollte es auch im automobilbegeisterten Estland geben. Auf alte Traditionen wird in diesem Zusammenhang häufig hingewiesen. Vor allem Traditionen, die während der ersten Unabhängigkeitsperiode begründet wurden. Hier also die estnische Automobilgeschichte.
Nebenbei gibt es dort eine kleine Statistik:

In January, 1. 1940 in Estonia vehicles were listed as follows:


Passenger cars 3618
Trucks 2476
Buses 289

Auf einer Fläche der Größenordnung wie der Schweiz oder Belgien.

Hier die Entwicklung über den gesamten Vorkriegszeitraum, mit Fotos der früheren Verkehrssituation. In der linken Spalte sind die PKW aufgelistet, von den 20ern bis 1940. Und wer nicht auf Anhieb die Linkliste findet, sie ist hier.

Der öffentliche Nahverkehr kommt auch nicht zu kurz: So sieht das in Tallinn aus: Trolli, Tram und Bus.

Freitag, August 19, 2005

Finno-Ugrischer Kongress mit ersten Ergebnissen






Russland.ru:

Am Mittwoch wurde in Joschkar-Ola ein Memorandum über die Zusammenarbeit zwischen dem Bildungsministerium der Republik Mari El und dem estnischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft von der Bildungsministerin von Mari El, Galina Schwezowa, und der estnischen Bildungsministerin Mailis Reps unterzeichnet.

Laut dem Dokument werden Estland und Mari El bei der wissenschaftlich-pädagogischen Tätigkeit, beim Austausch von Bildungsmethodiken und -technologien, beim Schüleraustausch in den Sommerferien und beim Informationsaustausch auf Dorfschulebene zusammenarbeiten.

"Ich habe bemerkt, dass in der Republik ernsthaft gearbeitet wird, und habe das hohe Niveau der Lehrer gesehen. Meine Fragen wurden professionell beantwortet. In den Schulen von Mari El gibt es Probleme, doch keine sprachlichen", sagte Reps zu Journalisten.


Ausserdem wurde gleichzeitig ein neues Rundfunkprogramm für die Bevölkerung in Mari el gestartet:

Eine Präsentation des nichtkommerziellen marisprachigen Rundfunksenders "Mari El Radio" hat am Mittwoch in Joschkar-Ola stattgefunden. Wie der Generaldirektor der Rundfunkholding, Alexander Kurmusakow, bei der Eröffnungszeremonie mitteilte, können die Sendungen von "Mari El Radio" faktisch in allen Rayons der Republik Mari El und teilweise auch in den angrenzenden Regionen, wo Gemeinden der Mari leben - den Gebieten Kirow und Nischni Nowgorod und der Republik Tschuwaschien - empfangen werden.

Die Teilnehmer der Zeremonie, darunter auch Delegierte des 10. internationalen Kongresses der Forscher auf dem Gebiet der finnisch-ugrischen Kultur, verwiesen darauf, dass "die autochtone marische Bevölkerung jetzt die Möglichkeit hat, neueste Informationen in weit entlegenen Teilen der Republik zu erhalten".

Bei Vesti, einem russischen Fernsehkanal, gibt es einen kurzen Bericht zum Kongress, im Bild auch einige Mari in traditioneller Tracht. Und die estnische Ministerin mit einer Stellungnahme auf Russisch. Das Video ist mittlererweile auf Seite 11-12 zu finden.

Informationen auf Englisch (aus Estland) über Mari El, hier.

Donnerstag, August 18, 2005

Eine Synagoge für Tallinn

Was es die letzten Jahrzehnte gar nicht gab, wird jetzt gebaut. Die einzige Synagoge für die jüdische Gemeinde in Estland. Und weil der ganze Vorgang so einmalig ist, weist die Architektur gleich in die Zukunft. Einen ersten Eindruck liefert die Federation of Jewish Communities of the CIS, hier.
A major part of the construction of the new Synagogue and JCC is being made possible by Mr. Alexander Bronstein of Moscow , who is dedicating the Synagogue in loving memory of his mother Baila, who passed away this year and is buried in Tallinn. Mr. Bronstein’s father, Michael, is a well known Economics Professor in Tallinn and an active member of the local Jewish community.

An additional major capital grant was made by the Rohr Family Foundation of Miami, Florida and New York, headed by Messrs. Sami and George Rohr. The Rohr Family Foundation is a major partner in the construction of Synagogues and Jewish Community Centers across the Former Soviet Union.

und noch ein Eindruck, hier.

Dienstag, August 16, 2005

Immer Ärger mit den Finno-Ugriern- oder was?

In dieser Woche findet der große Kongress der Finno-Ugrier statt. In Mari El, dem Gebiet der Tscheremissen/Mari, mitten in Russland. Warum Ärger?. Die Gesellschaft für bedrohte Völker zeichnet die Entwicklung der letzten Jahre in Mari El nach. Alles andere als friedliche Zustände.
Russland.ru gibt dazu eine Meldung von RIA/Novosti weiter:
Der Kongress hat ausschließlich eine wissenschaftliche Richtung und ist der Erörterung der jüngsten wissenschaftlichen Leistungen und Forschungen auf dem Gebiet der ugro-finnischen Sprachwissenschaft gewidmet, obwohl auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingeladen wurden. Ein hohes wissenschaftliches Niveau des Kongresses wird es ermöglichen, die Hauptrichtung der Entwicklung der Forschung der ugro-finnischen Sprachen in den nächsten Jahren vorauszubestimmen“, sagte Valeri Markow, Vorsitzender der Assoziation der ugro-finnischen Völker der Russischen Föderation, in einem RIA-Nowosti-Interview.

Aha, also nur wissenschaftliche Fragen werden erörtert. Gut zu wissen. Bei Ugri.info kann man dagegen ganz andere Dinge erfahren:
These circumstances have cast a shadow on the most important event for fennougrists, the international congress. Its President Prof. Yuri Anduganov was recently killed in a mysterious car crash. Three years ago Anduganov was constrained to leave Mari El and continued his work in the neighbouring region; like many other fennougrists, he had doubts about holding a congress in Mari El in the present situation. Many scientists from all over the world have joined The Appeal on Behalf of the Mari People (see http://www.ugri.info/mari). The Appeal was signed by each tenth of those who had intended to participate in this congress and, outside Russia, even by each fourth. Many have now refused to attend the event held in the Mari capital. For example, out of the initial 70 members of the Hungarian delegation, only some twenty have arrived.

One of those who refused to attend the congress, Finnish member of the International Organizing Committee Prof. Pauli Saukkonen, sent the following letter to the Organizing Committee:

'I will thus cancel my participation to the X International Congress of Finno-Ugric Studies as a PROTEST against president Markelov's administration and the Russian Foreign Ministry. The answer of the Russian Foreign Ministry to the resolution of European Parliament, concerning the oppression against the Maris and other Finno-Ugric people, included lies and support to Markelov's policy. This i s n o t against the local Organizing Committee. On the contrary: all my best wishes to the Congress and Finno-Ugric Associations.'

The authorities of Yoshkar-Ola have prepared the riot police ready for action. The last week the police carried out exercises in the centre of the city to improve the technique of blocking the street traffic, dispersing demonstrators and evacuating people from the Opera House where the congress will hold its plenary sessions. A ban has been imposed on public assembly in Yoshkar-Ola. The city administration refused to permit the Mari organisation Mari Ushem to hold a meeting this Sunday to welcome the delegates.


Wann werden die ersten deutschen Journalisten endlich in diese Gegend geschickt und berichten aktuell? Immerhin beschäftigen die Vorgänge in Mari El bereits die europäischen Institutionen.

Montag, August 15, 2005

Infoseite für den Restsommer


Etwas verspätet, aber doch noch einen Blick wert: Die Strandinfos für Estland. Eine übersichtlich gestaltete Seite der Zeitung Postimees. Weiter unten auf der Seite ist dann der europaweite Vergleich. Alles auf estnisch: Ohutemperatuur - Aussentemperatur und Veetemperatuur - Wassertemperatur

Freitag, August 12, 2005

Unknown images of the Eastern Front WWI

The Eastern Front is also called the "Unknown Front" of WWI. But recently published works has led to a new discussion about the after war concepts of Germany for the western part of Russia what is Poland, the Baltics and Belarussia today.This article of BBC explains the ideology of "Lebensraum" in the East.
Here are the WWI photos we have published at flickr.com.

1. Weltkrieg Fotoserie Zwischenbilanz


Seit zwei Monaten ist das Internet- Bildarchiv von der Ostfront des 1. Weltkrieges auf über 100 Aufnahmen angewachsen. Von der Preussischen Grenze bis nach Finnland reichen die Dokumente. Und sie stammen alle aus dem Besitz eines höherrangigen Soldaten, der für Transport und Versorgung zuständig war. Hier im Vordergrund mit Lederhandschuhen, Ort noch nicht identifiziert.
Seine eigene Einstellung zum Krieg und den Umständen lässt sich nicht erfassen, die Albumeinträge und Fotorückseiten sind sehr kurz gehalten. Lange Zeit hielt er sich in Mitau - Jelgava und Schaulen - Siauliai auf, jetzt Lettland und Litauen. Damals gehörten die Städte zum Russischen Reich. Die deutsche Besatzungszone bekam eine besondere Militärherrschaft, genannt Oberost. Hier Auszüge einer Buchrezension aus DIE ZEIT:

Dieses wenig bekannte Kapitel in der Geschichte des Ersten Weltkrieges hat der an der University of Tennessee lehrende Historiker Vejas Gabriel Liulevicius zum Gegenstand einer großen Untersuchung gemacht. Gestützt auf einen reichen Fundus von Quellen aus deutschen und litauischen Archiven, beschreibt er die Praxis der deutschen Militärverwaltung in den Jahren 1915 bis 1918. Er schildert die Konflikte, die sich zwischen den Besatzern und der einheimischen Bevölkerung entwickelten, und er fragt danach, welches „Bild vom Osten“ sich in den Köpfen der deutschen Soldaten festsetzte und welche Wirkung es hinterließ.

Im Verlauf des Krieges dienten zwei bis drei Millionen deutsche Soldaten an der Ostfront. Für viele war es die Begegnung mit einer fremden Welt. Mehr noch als unter der Weite des Landes und den Unbilden der Witterung litten sie unter den scheinbar allgegenwärtigen kleinen Plagegeistern, den Läusen, die, wie der Autor anmerkt, in den Augen der Besatzer zum „Markenzeichen des Ostens“ wurden. Hinzu kam das verwirrende Gemisch aus verschiedenen ethnischen Gruppen – Litauern, Letten, Esten, Weißrussen, Ostjuden –, das so gar nicht dem Klischee vom monolithischen zaristischen Großreich entsprach. Aus den ersten Eindrücken formte sich der Wille, Ordnung in diesem Chaos zu schaffen. Die deutschen Militärs machten sich mit der Überzeugung ans Werk, eine „kulturelle Mission“ zu vollbringen. Im Militärstaat Ober Ost sollten Land und Leute nach deutschem Bilde umgeformt und der Weg für eine dauerhafte Herrschaft geebnet werden.

In der ersten Phase der Besetzung ging es darum, ein engmaschiges System der Kontrolle zu errichten. Das Territorium mit seinen drei Millionen Einwohnern wurde in sechs Verwaltungsbezirke gegliedert; die Grenzziehung erfolgte willkürlich, ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten des Landes. Zugleich wurde die Infrastruktur – Eisenbahnlinien, Straßennetz sowie Post- und Telegrafenverbindungen – wiederhergestellt beziehungsweise deutschen Standards angepasst. Militärische Sicherheitsinteressen verbanden sich hier mit der Absicht, die Ressourcen des Landes für die deutsche Wirtschaft verfügbar zu machen. Dem diente auch die statistische Erfassung der Bevölkerung. Nichts durfte nach dem Willen der Militärs ungeregelt bleiben; eine Flut von Verordnungen überschwemmte das Land. Überdies mühten sich Reinigungskommandos und Entlausungsstationen darum, deutsche Vorstellungen von Sauberkeit durchzusetzen. Einheimische, die unter Aufsicht Straßen und Plätze säubern mussten – das war in den Worten des Autors der „archetypische Akt“ deutscher Militärherrschaft im Osten.

Die unterworfene Bevölkerung sollte freilich nicht nur kontrolliert und zur Reinlichkeit erzogen, ihr sollte auch eine neue Gesinnung eingepflanzt werden. Zu diesem Zwecke entwarf die Besatzungsmacht ein umfassendes „Kulturprogramm“. Dabei versicherte sie sich der Mitarbeit von Schriftstellern wie Richard Dehmel oder Arnold Zweig und auch junger Wissenschaftler wie Victor Klemperer. Die Zeitungen wurden ganz auf die Bedürfnisse der Militäradministration zugeschnitten; ein „Buchprüfungsamt“ wachte über den Literaturkanon. In den Theatern avancierte Friedrich Schillers Wallensteins Lager zum meistgespielten Stück. „Jetzt bietet sich eine einzigartig dastehende Gelegenheit, Fremdvölkern zu zeigen, was das Wesen deutscher Kunst ist“, hieß es in der offiziellen Darstellung Das Land Ober Ost aus dem Jahr 1917.

Auch das Schulsystem wurde von Grund auf neu organisiert. Deutsch war Pflichtfach von der ersten Klasse an. Der Betrieb höherer Bildungseinrichtungen wurde stark eingeschränkt. Denn eine einheimische Intelligenz wurde nach Ansicht der Besatzer nicht gebraucht.


Militärs und Beamte führten sich im Lande Ober Ost wie Kolonialherren auf, die glaubten, „primitive“ Völker mit den Segnungen deutscher Arbeit und Kultur beglücken zu können – und ihnen doch durch Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, durch willkürliche Requisitionen und demütigende Rituale wie die Grußpflicht gegenüber deutschen Offizieren das Leben immer beschwerlicher machten. „Die russische Knute tat manchmal weh, die preußische Fuchtel immerfort“ lautete eine wiederkehrende Klage.
Je länger die Besatzung dauerte, desto mehr wuchsen Erbitterung und Hass. Die deutsche Militärverwaltung erreichte das Gegenteil dessen, was sie beabsichtigt hatte: Statt die Grundlagen zu legen für eine dauerhafte Beherrschung der eroberten Gebiete, förderte sie die nationalen Bestrebungen der unterjochten Völker. Nach der Russischen Februarrevolution 1917 wurde der Ruf nach Selbstbestimmung immer lauter. Längst bevor die deutsche Oberste Heeresleitung Ende September 1918 die militärische Niederlage eingestehen musste, war Ludendorffs ehrgeiziges Projekt gescheitert.
Das besprochene Buch in der englischsprachigen Ausgabe.

Donnerstag, August 11, 2005

Skandinavien und Estland

Finnland und Estland wollen die Anzahl ihrer gemeinsam genutzten Botschaftsgebäude rund um den Globus ausbauen. Jahrzehntelang galt hier eher die Verbindung der skandinavischen Staaten mit dem Kreuz in der Staatsflagge. Das symbolische Begleitmotiv jeder Reise in den Norden sind die skandinavischen Fahnenparaden (Norwegen, Finnland, Schweden, Dänemark und auch Island) vor jeder Raststätte und überhaupt. Später kamen Botschaftsgebäude wie in Berlin hinzu, die gemeinsam genutzt wurden. Finnland und Estland sind da das neuere Paar, und wenn gemeinsam, dann wohl nur zu zweit. So haben es die Premierminister beider Länder beschlossen:

HelsinginSanomat

At the end of their discussions the two prime ministers signed an agreement under which Estonia will have a consular official working at the Finnish Embassy in New Delhi. Estonia does not have an embassy of its own in India.
Under the agreement, Finland would be allowed to place its diplomats at Estonian embassies in countries where Estonia has an embassy, but Finland does not. One such country might be Georgia.
The agreement breaks new ground in diplomatic cooperation.
Currently the Nordic Countries share embassy buildings in Berlin, and in the Slovak capital Bratislava.


Das ist ein sehr pragmatischer Umgang in diplomatischen Angelegenheiten, wo sonst auf Unabhängigkeit penibel geachtet wird. Besonders das Berliner Botschaftsgebäude ist für letzteres ein Beispiel. Hier die Wiedereröffnung der estnischen Botschaft in Berlin nach langer Unterbrechung.

Mittwoch, August 10, 2005

Hubschrauberabsturz - Details

Details zum Hubschrauberabsturz am 10.August gab das estnische Aussenminsterium im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt. Die Audiofile dieser Pressekonferenz lässt sich auf der Internetseite des Minsteriums herunterladen.

Es gibt zwei Hotline-Telefonnummern für direkte Infos: (+372) 628 7425 und (für Anfrufe aus Estland -1345.

Der Hubschrauber war eine Sikorsky S-76C+ auf dem Weg von Tallinn nach Helsinki. Diese Strecke wird mehrfach täglich von mehreren Firmen als Alternative zur Fährüberfahrt kommerziell geflogen.
Um 12.43 Uhr verlor der Kontrollturm den Kontakt zum Hubschrauber, drei Minuten nachdem er in Tallinn gestartet war. Es waren 12 Passagiere an Bord, darunter 6 Finnen, 4 Esten und 2 US-Amerikaner, plus zwei finnische Crew-Mitglieder.

Rettungsversuche wurden von Hubschraubern der estnischen Grenzwacht wie von mehreren Schiffen unternommen. Finnland entsandte ebenfalls einen Rettungshubschrauber sowie ein spezielles Tieftaucherteam mit ihrem Schiff Merikarhu.

Ein Sonargerät der estnischen Schiffahrtsverwaltung konnte das Wrack des Unglückshubschraubers um 15.40 Uhr Ortszeit ausmachen. Die Koordinaten des Wracks sind 59 Grad 32.5529 Minuten und 024 Grad 43.8754 Minuten. Es liegt 1.8 Seemeilen von der Küste entfernt und 45 Meter tief im Meer. Die Absturzstelle liegt in der Nähe der Insel Naissaar.
Zur Zeit des Unglücks blies der Wind mit 6m/sec aus Osten.

Von Seiten des Wirtschaftsministeriums wurde eine spezielle Kommission zur Untersuchung des Unglücks gebildet. Die estnische Staatsanwaltschaft untersucht den Fall ebenfalls. Die estnische Polizei hat die Angehörigen der estnischen Absturzopfer unterrichtet. Es waren die beiden 12-jährigen Mädchen Liisa und Carolina, sowie die 38-jährige Ruta und die 40-jährige Kristel.

Das estnische Aussenministerium hat auf einer weiteren Webseite ein ständiges Info-update eingerichtet.

Hubschrauberabsturz

Hauptschlagzeile des Tages. Eine der zitierten Quellen über den Hubschrauberabsturz an der estnischen Nordküste: Eesti Politsei. In Abständen gibt es den neuesten Stand der Kenntnisse über Ursache und Opfer.

Samstag, August 06, 2005

Die Leichtathletik WM in Helsinki


Vor einiger Zeit beklagte ein Leichtathletik-Fan aus Estland die momentane Schwäche der deutschen Zehnkämpfer. Das ist Sergej Sonnenberg (Jahrgang 84), hier beim Training für die Deutschen Meisterschaften. Im Stabhoch Bestleistung 4,60m in diesem Jahr. Vielleicht gehört er zur neuen Generation, die den alten Vorbildern zumindest auf nationaler Ebene folgen kann. Sergej stammt übrigens aus Kohtla-Järve, die Familie wanderte Anfang der 90er nach Deutschland aus. Was sie mitgebracht haben, ist die alte Sportdisziplin des Ostens. Neben dem Grundwehrdienst wird weiter trainiert. Der Samstagvormittag gehört der nächsten Trainingseinheit (in Osnabrück) Posted by Picasa

update:
Das Diskusfinale in Helsinki war gestern eine baltisch-deutsche Angelegenheit. Postimees titelt mit "WM-Silber für Gerd Kanter". Gold holte sich der Litauer Alekna im letzten Versuch, und "oldie" Möllenbeck Bronze. Wer noch mehr über Gerd Kanter wissen möchte, hier ist der Fanclub.

update Donnerstag 11.08.

"Aitäh, maailmameister" Danke, Weltmeister (EPL)

Estland hat einen Weltmeister,Andrus Värnik. Der Stellenwert so eines Titels ist ungleich höher in einem kleinen Land, sehr viel gewichtiger als in Deutschland - Fußball mal ausgenommen.

Tom Pukstys ein litauisch stämmiger Weltklassewerfer der USA beschrieb die Situation im Stadion von Helsinki folgendermaßen.


That was great competition. Varnik was the man- Top three all threw well and glad to see Estonian at top. Good for Heino Puuste too (der Trainer). Makarov could use a follow through. Consistant thrower but he bails at block and stops... hurts to watch it....looked in pain. Norway dude is tough guy and threw well and he has good follow through he will go 90m.
Rain stopped after first 3 throws----but still cold and wet and strong headwind...Too bad for Tero.....He looked like he was pressing...he was under serious pressure and to see Aki not take final throw was totally weird. He must have really hurt himself. No finn would do that in worlds at home unless it was serious. Seppo was king of throwing injured. Hope it does not end his carreer...looking forward to women and better weather...


Bei Makarov dem dritten ließ sich gut beobachten, was es heisst, 80m zu werfen. Er drehte sich beim Abwurf deutlich weg vom Speer, dass macht man nur, wenn Schmerzen einen behindern. Und mit dieser Einschränkung ist er nicht der einzige. Dagegen lasteten auf dem jungen Finnen Tero die Siegeshoffnungen eines ganzen Landes. Warum die Finnen so gut im Speer sind, darüber wird gestritten, aber wie ernsthaft sie es betreiben, zeigen die Bilder aus dem Wintertraining von Seppo Räty. Auch so eine Wurflegende.

Nicht sehr scharf die Bilder, aber die provisorische Anlaufbahn ist zu erkennen, und 75m weiter soll ein Speer im Schnee stecken. Auf dem Weg zum Haus von Räty, nicht im Stadion.

Donnerstag, August 04, 2005

"Typisch russische Pressemitteilung" ?

"Typisch russische Pressemitteilung" - ja, dass die NOVOSTI ihren deutschsprachigen Dienst seit Anfang 2005 erheblich erweitert hat, habe ich auch schon gemerkt.
Diese Meldungen sind wohl eher mit dem Begriff "Propaganda" zu kennzeichnen. Schon in ihrer beliebigen Mischung von Nachricht und Kommentar sind sie charakteristisch (aber sowas wollen Ideologen wohl lesen - pure Info, ohne ideologische Leitschnur, das geht eben nicht!).

Übrigens hat NOVOSTI, nach einer ersten Meldung zu den russisch-finnischen Gesprächen, dann mit einer Meldung über die OSZE nachgelegt. NOVOSTI scheint nahezu gegründet nur dazu, um der Vielfalt der westlischen Pressemeldungen mal etwas "russisch Gefärbtes" entgegenzusetzen. Da ist es dann oft erstaunlich, wie unterschiedlich der Eindruck sein kann, wenn man mit einfachen Bürgern Russlands spricht. Mit Meínungsvielfalt hat NOVOSTI nichts zu schaffen - obwohl auf der dazugehörigen Internetseite auch eine Möglichkeit eingebaut ist, ein Leserfeedback an die Redaktion zu schreiben. Aber angesichts des durchweg demagogischen und teilweise nationalistischen Tonfalls der Meldungen ist dies vielleicht nur als Rückversicherung und Kontrolle gedacht, ob die Meldungen tatsächlich jemand liest? Ohne jemand zu ärgern, lohnt sich ja der Aufwand nicht :-) Und angesichts dessen, was die baltischen Staaten in letzter Zeit geschafft haben - nämlich beständig, dauerhaft und auf vielen höheren diplomatischen Ebenen immer wieder an die Tatsache der Okkupation ihrer Länder hinzuweisen, ist für eine Großmacht wie Russland eben Grund genug, im Tonfall immer "bissíger" zu werden.

Ein weiteres Beispiel ist die Meldung von NOVOSTI vom 3.August 2005 (Zitate daraus im Folgenden gekennzeichnet) zur Lage in der OSZE. Diese beginnt mit dem erstaunlichen Satz:
"Die Staatschefs der Sowjetunion, der USA und Kanadas sowie von 32 europäischen Staaten haben am 1. August 1975 ihre Unterschriften unter die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) gesetzt."
Ja genau! Möchte man da direkt ausrufen, deshalb haben sich ja die Menschen in den zwangsweise sowjetisierten Ländern besser wehren können, und schließlich mit vielen Mühen die Unabhängigkeit wieder erlangt. Doch NOVOSTI übergeht dieses Kapitel, und schlägt ein anderes auf:
"Das neue Russland hat im Laufe der 90er Jahre beharrlich versucht, die OSZE zur Grundlage für das europäische politische System zu machen."
Das neue Russland? Beharrlich? Sind nicht fast alle demokratischen Ansätze in Russland unter Putin wieder zurückgenommen worden? Stört sich denn Russland an internationale Vereinbarungen, wenn es mal darauf ankommt? (siehe die Weigerung, die Ostsee zu schützen, und die Ölbohrung vor Kalningrad zu unterlassen!)
NOVOSTI strickt weiter an Legenden. Aber es wird auch mit berechtigten Befürchtigungen gearbeitet, die bei all denen vorhanden sein mögen, die nicht an die Allmacht der Großmächte und deren "Führer" glauben.
"Tatsächlich, die Organisation fing an, sich mit jedem Jahr weiter von ihren Zielen zu entfernen und sich immer mehr in ein Instrument zur Bedienung der Interessen nur einer kleinen Gruppe ihrer Mitglieder oder sogar einzelner Staaten zu verwandeln." .... Dabei schrecken die Experten der Organisation nicht vor Doppelstandards zurück, wenn sie daran gehen, die Situation um die Menschenrechte, die Qualität einer Wahlkampagne oder das Maß an Freiheit in nationalen Massenmedien einzuschätzen. Geht es um die Wahlen in der Ukraine oder in Tschetschenien, so neigen OSZE-Beobachter dazu, alles schwarz zu malen. Sind es die Wahlen in Afghanistan, im Kosovo oder in Irak, wo Hunderttausenden Menschen das Recht auf Willensäußerung entzogen wurde, klatschen dieselben Beobachter 'dem Triumph der Demokratie' Beifall."
Soweit also ganz bedenkenswert. Aber sind die sozialistischen Ideologen auch die besseren Demokraten? Da sollte dann wohl doch das "kritische Bewußtsein" wach werden, auf das sich auch die Sozialisten so gerne berufen. Von Russland lernen? Ja, vielleicht. Ich kenne viele Russen, und da kann man manches lernen, zumal es gerade wegen dieser schwierigen Situation der Medien, die nicht neutral und offen berichten, nicht einfach ist, sich ein Urteil zu bilden (das ist es übrigens bei "westlichen" Medien auch nicht - nur haben wir da mehr Auswahl, und der Bürger selbst hat mehr Freiheiten).
Aber nun kommt NOVOSTI zum Kern der Aussage. Warum die ganze Mühe, die OSZE zu verunglimpfen, und ein wenig "kritischen Journalismus" aufzuschminken? Ja richtig, wir haben es uns ja schon gedacht: Um wieder mal - ohne wirkliche Fakten liefern zu müssen - auf die Balten losschlagen zu können.
"Die Experten der Organisation umgehen seit Jahren die himmelschreiende Diskriminierung der russischsprachigen nationalen Minderheiten in Lettland und Estland mit Schweigen. Dabei hätte Europa vor Scham rot anlaufen müssen, denn in seiner Mitte entstand eine regelrechte Apartheidzone. Mehr als 700 000 Menschen, die in Lettland und Estland leben, besitzen Pässe anderer Farbe, welche sie zum erniedrigenden Status eines Nichtbürgers verdammen. Die Juristen der Bürgerrechtszentren haben 62 Unterschiede in den Rechten der Bürger und der russischsprachigen Außenseiter in Lettland und 46 solche Unterschiede in Estland aufgedeckt.
Das Verhalten der Behörden dieser beiden Länder, die erst vor kurzem der EU beigetreten sind, hat mit den Prinzipien der Demokratie, wie diese in der Schlussakte von Helsinki gedeutet werden, deren 30-jähriges Bestehen zurzeit begangen wird, nichts gemein. Trotz all der Versuche Russlands, die Aufmerksamkeit auf die skandalöse Situation zu lenken, wahrt die Organisation Schweigen, und ihr Schweigen wird naturgemäß als Einverständnis mit den sehr ernsthaften Abweichungen von den gesamteuropäischen Normen durch Riga und Tallinn aufgenommen.
Dieses Missverhältnis im Bürgerrechtsprozess steht in krassem Widerspruch zu den Zielen, für die die OSZE-Struktur denn auch ins Leben gerufen wurde: einen unteilbaren gesamteuropäischen Sicherheitsraum mit für alle gleichen Demokratiegeboten schaffen."

Diskriminierung von Menschen anderer Hautfarbe? Ach nein, bitte genau lesen: Nur die Pässe haben eine andere Farbe. Und was ist daran diskriminierend, bitte schön? Wieder einmal werden nur die absoluten Zahlen russischsprachiger (-stämmiger) Einwohner genannt, aber nicht diejenigen, die sich bisher bereits haben einbürgern lassen, oder auch derjenigen, die gar nicht die Einbürgerung anstreben. Zählt man diese beiden Gruppen ab, bleiben nämlich gar nicht mehr so viele "ungerechtfertigt schlecht Behandelte" übrig. Schließlich hat jeder die Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen, und vorbei sind die Zeiten, in denen man darauf jahrelang warten musste. Diskutieren könnte man natürlich auch die Bedingungen der "Sprachprüfung" oder ähnliches, aber nein, dazu muss man wissen: die sozialistisch geprägten Russen in Lettland oder Estland (und sie sind weit davon entfernt, die Mehrheit der Russen in den beiden Staaten zu repräsentieren!) skandieren "Integration, unser Staliningrad!" (Slogan auf entsprechenden Plakaten).
Ja, was soll man mit ideologisch verblendeten Menschen machen, die auch noch gegen die Integration agitieren? In den Meldungen der NOVOSTI kommt davon natürlich nichts zum Ausdruck, und so lassen sich viele der schwungvoll in Lettland oder Estland demonstrierenden Jugendlichen oder Rentner aussenpolitisch von der russisch-nationalistischen Sturmfront für deren Zwecke missbrauchen.
Ich kann nur sagen: Wer nur Englisch, oder nur Russisch kann, wird die schwierige Situation zwischen Esten und Russen, oder Letten und Russen, niemals richtig verstehen. Denn schließlich ist die baltische Region nicht "Russland", sondern die Esten und Letten haben ein Recht auf ihren eigenen Staat, der ihnen mehrfach von Nationalsozialisten und Bolschewisten geraubt wurde, und der von vielen Deutschbalten bis 1939 immer stark angezweifelt und unterminiert wurde. Darum halte ich mich auch als Deutscher zurück in einer Empfehlung - aber gegenüber Einmischung aus Russland, die sich auch noch der Unterstützung aus Deutschland sicher glaubt (siehe Strickjacken Kohl und Jelzin, oder Schröder und Putin!) sicher glaubt.

Und nun der Clou der ganzen NOVOSTI mühen. Die OSZE scheint Russland lästig zu werden - NOWOSTI plädiert schlicht für eine Abschaffung! (das hätte man sich wohl 1975 schon erträumt!!)
Trotz all der Versuche Russlands, die Aufmerksamkeit auf die skandalöse Situation zu lenken, wahrt die Organisation Schweigen, und ihr Schweigen wird naturgemäß als Einverständnis mit den sehr ernsthaften Abweichungen von den gesamteuropäischen Normen durch Riga und Tallinn aufgenommen.
Dieses Missverhältnis im Bürgerrechtsprozess steht in krassem Widerspruch zu den Zielen, für die die OSZE-Struktur denn auch ins Leben gerufen wurde: einen unteilbaren gesamteuropäischen Sicherheitsraum mit für alle gleichen Demokratiegeboten schaffen.
Eben deshalb besteht Moskau auf einer allumfassenden Reform zur Optimierung der Arbeit der OSZE-Institute und ihres Sekretariats.


Optimierung der OSZE? Ja schön, aber "Schweigen" herrscht nun wirklich nicht. Ständig setzen sich estnische und lettische Behörden und Institutionen mit Kritik an Menschenrechten, in Einzelfällen wie auch auf politischer Ebene, auseinander. Nur geschieht dies offensichtlich nicht im Sinne Moskaus, und dessen Schäferhündchen (namens NOWOSTI).

Also nochmals: Lasst euch nicht zu anti-russischen Statements hinreissen, wenn ihr solche Pressemitteilungen lest. Nur: Infos über die Situation in Estland und Lettland bekommt ihr doch besser woanders -von den Menschen in den betreffenden Ländern selbst, oder von demokratisch orientierten Institutionen.
Und vielleicht werden dann auch die ideologisch geschulten Agitatoren verstehen: mit Verunglimpfungen übelster Art ("Apartheid") könnt ihr nichts erreichen - wer ohne richtig zu überlegen Hass säht, muss überlegen, was er erntet. Das wissen auch die meisten Russen in Estland und Lettland, die sich entschieden haben, weiter dort zu leben, und lassen sich nicht so leicht zum Spielball durchsichtiger politischer Interessen machen.

Putin in Finnland

Und er hat wieder gegen die Minderheitenpolitik in Estland und Lettland, und damit nicht genug, auch gegen finnische NGOs lamentiert. Diesmal misslang aber der Versuch, einen Keil zwischen Baltikum und die übrigen EU-Mitglieder zu treiben gründlich:

Helsingin Sanomat aus Helsinki:

Halonen defends Baltic Countries at press conference with Putin

President Tarja Halonen gave an exceptionally strong defence of Estonia and Latvia during an outdoor press conference with Russian President Vladimir Putin at the Finnish President’s summer residence Kultaranta in Naantali.
Putin had lamented what he saw as the poor treatment of Russian-speaking minorities in the Baltic Countries. Halonen said that the legislation of Estonia and Latvia are acceptable, and that she would have hoped that Russia would have ratified the border treaties Estonia and Latvia.

There was also some disagreement on the roles of non-governmental organisations. A few weeks ago Putin hinted that various Russian environmental organisations had received funding from Finland to prevent Russia from building oil terminals on the Gulf of Finland.
At a press conference late Tuesday morning, Putin said that he takes a positive view of cross-border cooperation of NGOs - with certain reservations.
"I oppose the financing of political activities... I oppose the use of environmental protection as a means of competition", Putin said.
President Halonen saw the new sewage treatment plant in St. Petersburg, and the Vuosaari Harbour in Helsinki as good examples of what can be achieved by cooperation between states and among NGOs.
"Naturally it is not possible to co-opt the NGOs, nor is it a good idea to try to do so, but friendly support, also on the side of government, for the activities of such organisations is part of today’s Europe", Halonen said.
Putin said that he hoped that Halonen could attend the opening of the new sewage treatment plant in St. Petersburg in September. Halonen said that she probably would attend.

Aleks Tapinsh, ein russischsprachiger Lette in den USA, hat sich die Mühe gemacht, eine typisch russische Pressemitteilung zu dem Thema (RIA Novosti) auseinanderzunehmen und zu kommentieren: "Naturalize".
Mehr zur NGO-Arbeit im Ostseeraum und Russland unter baltic-ngo.blogspot.com

Dienstag, August 02, 2005

Weltniveau

Dieser Begriff bedeutete früher im DDR-Deutsch eigentlich Westniveau: Bald verbinden Fähren der ersten Generation Helsinki mit Tallinn. Tallink hat neue Schiffe beim finnischen Nachbarn bestellt, Aker Finnyards wird sie bauen. Die Zeit der Fähren, die mehrmals umbenannt wurden und unter neuer Reedereiflagge liefen geht auf den Hauptlinien dem Ende entgegen.

Aker Yards to build ferry for Tallink
01-August-05

Aker Yards and the Estonian Tallink Group have signed a contract for the building of a fast passenger ferry for delivery in spring 2007, worth around 110 million euro. The contract includes an option for another similar vessel.

The new ferry to be delivered from the yard in Helsinki is of a new and innovative design. She will start regular traffic between Helsinki and Tallinn and will be capable to cross the sea between the two cities in 1 hour and 50 minutes. The ice class of the ferry will allow year-around operation.

Besides 1,900 passengers, the 185 m long and 27.7 m wide vessel is designed to carry private cars and freight units by having more than two kilometres of vehicle deck space.



Wer aber den Charme der alten Schiffstypen bevorzugt kann noch auf den Nebenstrecken auf seine Kosten kommen. Zum Beispiel zwischen Saaremaa und dem lettischen Ventspils. Wie wär`s mit Baujahr 1966?