Samstag, Oktober 05, 2024

Virtuelle Nachbarn

"Ihre digitale Identität, ihre Firma, ihre Freiheit!" So bewirbt Estland die Möglichkeit gerade für Firmeninhaber, sich digital an das estnische Kommunikationssystem anzudocken. 

"Die E-Residency ist in Estland eine von der Regierung ausgestellte digitale Identität, die globalen Unternehmern Fernzugriff auf das digitalste Land der Welt ermöglicht", so die regierungsamtliche Information. Eine sichere Authentifizierung online werde ebenso geboten wie ein Weg, Dokumente mit elektronischen Signaturen zu signieren. Natürlich könne man ein Unternehmen überall gründen (auch online). Eine "positive Kapitalrendite für globale Unternehmer" wolle man schaffen. "Estland war das erste Land, das 2014 E-Residency anbot. Es ist nach wie vor das beliebteste Programm seiner Art für ambitionierte Unternehmer." (e-resident.gov.ee)

Verläufige Bilanz nach 10 Jahren: 59.644 ausländische Staatsbürger mit "E-Residenz" gibt es inzwischen. Gebührenfrei ist die Registrierung allerdings nicht: 100-120 Euro nimmt der estnische Staat pro Person ein. 

Unerwünschte Elemente? 

Nun müssen die digitalbegeisterten Estinnen und Esten allerdings feststellen, dass sich natürlich auch zwei Länder unter insgersamt 170 virtuell vernetzten Nationen befinden, zu denen seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die Beziehungen kompliziert geworden sind: Russland und Belarus. 

Eigentlich habe man schon seit März 2022 keine E-Residency mehr an Antragsteller aus diesen beiden Ländern vergeben, so Oscar Õun, Risokomanager für das E-Residency-Programm gegenüber ERR. Und da die E-Residency nach einem Gültigkeitszeitraum von fünf Jahren erneuert werden muss, sei auch die Gesamtzahl der Registrierten leicht gefallen. Einige dieser erneuten Antragsteller habe man also nicht wieder zugelassen. 

Noch im Februar 2022 sollen sich 8,5 Prozent aller gültigen estnischen E-Residency-Karten im Besitz russischer und weißrussischer Staatsbürger gewesen sein - bis zum Ende des Sommers 2024 ist dieser Wert auf 5 Prozent gesunken. Genauer gesagt seien es 4.421 russische und 902 belarussische Bürgerinnen und Bürger mit E-Residency-Status gewesen, verblieben sind noch 2.573 bzw. 565 – ein Rückgang um 42 Prozent. 

Sanktionsfrei

Die estnischen Behörden betonen, dass es bisher keinerlei Sanktionen gäbe, die russischen Bürgerinnen und Bürgern untersagen würden, sich an estnischen Unternehmen zu beteiligen oder sie zu besitzen - ob nun mit E-Residency oder ohne. „Selbst wenn die digitale E-Residency-ID einer Person widerrufen wird, beendet dies nicht die Geschäftstätigkeit der mit dieser Person verbundenen Unternehmen in Estland“, sagt Anita Preinvalts, Sprecherin der Polizeibehörde (Politsei- ja Piirivalveamet). 

Ein Unternehmen von überall führen zu können, und doch an das digitale System der "Residenz" angeschlossen zu sein - gerade damit hatte Estland ja sehr aktiv geworben. Reduzierung von Bürokratie und Papierkram sowie eine globale Community werde geboten - die bereit ist, Wissen und Erfahrungen auszutauschen. Der Status einer E-Residency bedeutet nicht, dass man tatsächlich in Estland ansässig ist.

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