Bei der letzten Wahl war
Peeter Tulviste Konkurrent des jetzigen Präsidenten
Arnold Rüütel. Tulvistes Partei
Isamaaliit hat ihn gegenwärtig neben zwei weiteren Kandidaten aufgestellt. Über Ilves haben wir schon berichtet. Obwohl Tulviste beiläufig als Akademiker bezeichnet werden könnte, hat er aber schon früh gezeigt, dass er auch jenseits des universitären Elfenbeinturms Spuren hinterlassen kann.
Am 28. Oktober 1980 war er einer von 40 Unterzeichnern eines offenen Protestbriefs aus der Estnischen SSR. Es war die Zeit, als Breschnew scheinbar noch ewig die UDSSR regieren würde. Opposition bedeutete genau das Gegenteil eines ruhigen Lebens innerhalb des Sowjetsystems. Hier ein Auszug:
Gewisse Facetten des estnischen Nationalbewußtseins sind leicht verletzbar, und jede Unachtsamkeit gegenüber solchen Gefühlen kann ernste Konsequenzen haben. Die ausgeprägte Empfindsamkeit der Esten namentlich im Hinblick auf ihre Sprache läßt sich unschwer aus dem Umstand verstehen, daß die Deutschen, die hier jahrhundertelang die Oberherren waren, die estnische Sprache als Kulturträger für zu schwach, ja nutzlos erklärten. Den gleichen Standpunkt nahm das der deutschen Herrschaft folgende zaristische Regime ein. Die Esten freilich widersetzten sich solcher Pressionen. Für sie gewann die Sprache eine symbiotische Bedeutung, die sie bis auf den heutigen Tag an ihren harten Kampf um menschliche Würde erinnnert.
1991 war das Ziel erreicht. Estland konnte selbst über seine Sprach- und Bildungspolitik entscheiden. Peeter Tulviste, später Leiter der wichtigsten Universität in Estland, berichtete dazu aus anderer Perspektive auf einer Veranstaltung in Münster 1996 zum Thema 5 Jahre Unabhängigkeit:
Peeter Tulviste in Münster(Mitte)
...
Auch ging er[Peeter Tulviste] auf die Probleme der russischen Bevölkerung ein: Nur 8,5% betrage der Anteil russischsprachiger Studenten an der Universität Tartu. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung müßte er eigentlich bei etwa 30% liegen. Einen Grund für die geringe Zahl sehe er nicht in Sprachbarrieren oder Diskriminierung, sondern u.a. in der mangelhaften Aufklärung über Bildungsmöglichkeiten in den russischsprachigen Siedlungsgebieten. Vor zwei Jahren [1994]machten Repräsentanten der Uni Tartu eine Informationsfahrt nach Narva in den Nordosten des Landes. Kaum jemand wußte dort, daß man auch als russischsprachiger Bürger in Tartu studieren könne.
aus InfoBlatt Baltische Staaten 2/96
Zu der Zeit gab es noch Möglichkeiten, das Grundstudium auf Russisch zu absolvieren. Interessant wäre die aktuelle Situation. Welche Unis bevorzugen die Studenten aus Narva?