Ist Estland eigentlich "baltisch"? Die estnische Sprache ist ja dem Finnischen ähnlich (finno-ugrisch), und das sogenannte "Baltikum" ist sowieso ein Behelfsbegriff ohne Grundlage. Noch viel zu wenig ist in Deutschland bekannt über Kultur und Geschichte, über Politik und Gesellschaft in Estland. Die jungen Europäer in Deutschland und Estland werden die Zukunft prägen! Wir rufen auf zur Diskussion.
Dienstag, Dezember 26, 2006
Vor 100 Jahren - eine unbekannte Episode
Aber nicht in Estland, obwohl die Esten in dieser Episode die Hauptrolle spielen. Es handelt sich um den Auszug aus Memoiren einer Deutschen, oder genauer einer Russin mit deutscher Herkunft, die noch nicht ahnen kann, dass später ihre Schwester einen Esten heiraten wird. Die Autorin ist Tochter des "mächtigsten" Unternehmers in Sosnowka, nahe Jaroslawl, das nördlich von Moskau liegt. Kurz vor der Revolution 1905 noch im Russischen Kaiserreich:
Das besondere daran, solche Episoden sind selten überliefert im Originalton, das hier wurde noch nie veröffentlicht:
"In der Gegend von Sosnowka siedelten sich estnische und lettische Kolonisten an. Das waren meistens sehr tüchtige Leute. Wahrscheinlich kamen sie mit einem kleinen Kapital in unsere Gegend, denn sie begannen sofort zu bauen - stabile Häuser und Ställe. Die Häuser hatten hohe Fenster und die Dächer waren nicht mit Stroh, sondern Brettern bedeckt. Auch das Vieh war rassig und gepflegt. Sie pflanzten Buchweizen, den die Russen viel essen, aber in dieser Gegend nie anpflanzen. Wie alle Fremde waren sie den russischen Bauern ein Dorn im Auge, schon deswegen, weil die Kolonisten alle evangelisch-lutherischer Konfession waren, also Ungläubige! Eines Tages lief ich mit Herbert und ein paar Bauernjungen an die Pelenda, unterhalb der Fabrik, wo der erste Hof eines estnischen Kolonisten stand. Dicht am Fluss weideten Kühe und die kleinen Estenjungen, mit schlohweissen Köpfen hüteten die Herde. Da nahmen die russischen Jungen paar Steine aus dem Flusse und warfen sie den estnischen Kindern nach. Dabei schrien sie "Jeretik, Jeretik!" (Ketzer, Ketzer!) Ich natürlich machte es ihnen nach und Herbert [ihr Bruder] auch! Die estnischen Kinder liefen davon. Ich hätte natürlich für diesen groben Unfug eine Tracht Prügel bekommen sollen. Nicht für den "Jeretnik", dann müsste man die halbe Menschheit strafen! Sondern für die nachgeworfenen Steine (es waren nicht die kleinsten Steine), es könnte leicht ein großes Unglück passieren! Leider haben sich die estnischen Bauern bei Papa nicht beschwert - sie fürchteten sich vor dem Allgewaltigen der Gegend. ich habe von Papa nur zwei Mal vollwertige Dresche bekommen, ungefähr im Alter von sechs-sieben Jahren. An das andere Mal erinnere ich mich genau - wir haben mit Herbert aus der Pelenda Wasser getrunken, was uns strengstens verboten war. In einigen Nachbardörfern gab es mehrere Fälle von Magentyphus! Mama dagegen hatte ein lockeres Handgelenk!"
Eingestellt von
Jens-Olaf
Labels:
Estland-Russland
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Yeah, you're right.
AntwortenLöschenSome interesting photos here.
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RPD.