Samstag, Oktober 22, 2005

E-Voting in Estland - Normalisierung des Ungewöhnlichen



E-Statistik liegt nun vor
Die estnische Wahlkommission hat inzwischen auch eine detallierte Analyse der aus dem E-Voting erzielten Wahlergebnisse vom 16.Oktober 2005 vorgelegt. Danach wurden lediglich 9317 elektronisch abgegebene Stimmen als gültig gezählt. Positiv: alles lief ohne Störungen ab, Unregelmäßigkeiten gab es keine.

Zunächst waren die Evoting-Stimmen nur zusammen mit allen vorab abgegebenen Stimmen in den ersten Statistiken ausgewisen worden. Nun erweist sich, dass es doch gravierende Unterschiede im Wahlverhalten gab. Allein 3833 der elektronischen Stimmen (41,1% der E-Votes) wurden in der Hauptstadt Tallinn abgegeben - ganz im Gegensatz zu dem sonstigen Wählerverhalten, wo nur 9,2% der Wähler in Tallinn vorab ihre Stimmen abgaben. Andere Landesteile, wie die eher ländlichen Bezirke Jôgeva (der Spitzenwert von 20% gingen hier bereits vorab zur Wahl) oder Pôlva (15,4% Vorab-Beteiligung) tauchen in der E-Voting-Statistik fast gar nicht mehr auf. Das legt den Schluß nahe, dass wirklich eher die "Internet-Freaks" dieses Wahlverfahren ausprobierten, als dass es eine Erleichterung zum Beispiel für die ländliche Bevölkerung dargestellt hätte.

E-Freaks wählen nicht zu Hause
Die estnische Wahlkommission gibt weiterhin an, dass "beliebteste Orte" für das E-Voting die Büros von Banken, kommunalen Einrichtungen und Firmen für Telekommunikation gewesen seien. Leider weist der Bericht nicht aus, ob diese Aussage durch Ermittlung der Computerstandorte beim E-Voting zustande kam, oder eher eine Vermutung darstellt. Sollte dies aber zutreffen, dann läßt sich weiterhin ja auch sagen, dass sich die E-Voter also eben nicht bereits zu Hause an den Rechner setzten und sich damit den Weg zu einer Abstimmungsstelle ersparten. War zu schönes Wetter am Wahltag? Bequemer als ein Gang zu einem Wahllokal machten es sich die E-Freaks also keinesfalls.

Von Früh-Entscheidern und Last-Minute Entschlüssen ...
Eigentlich sind also alle E-Voting-Ergebnisse, die ausserhalb der Städte Tallinn, Tartu, und Pärnu fielen, beinahe ohne Belang, denn anderswo gab es weniger als 200 Beteiligte per Internet.
Da fällt es auch nicht mehr viel ins Gewicht, dass in Kuressare auf Saaremaa noch 135 Stimmen abgegeben wurden (Platz 5 der E-Voter), in Viljandi im mittleren Süden Estlands noch 129 Stimmen (Platz 6), und in Narva im Nordosten noch 103 Stimmen (Platz 9).
Registriert hat das estnische Wahlamt auch die Zeiten, zu denen die Internet-Wähler aktiv waren: Spitzenwerte wurden erzielt morgens um 9 Uhr und wieder abends gegen 19 Uhr. An den drei Vorwahltagen war das Evoting von 00.00 - 24.00 Uhr möglich.
364 der Internet-Wähler nutzten übrigens die Möglichkeit, innerhalb des erlaubten Zeitraums von 3 Abstimmugnstagen mehrfach abzustimmen.

Ergebnisübersicht
Hier zum Schluß noch das landesweite Wahlergebnis, sortiert nach Parteien:
Zentrumspartei (Eesti Keskerakond) = 126.449 Stimmen = 25,48% (2002=25,86%)
Reformpartei (Eesti Reformierakond) = 83.953 Stimmen = 16,91% (2002=12,19%)
Volksunion (Eestimaa Rahvaliit) = 61.871 Stimmen = 12,47% (2002=11,21%)

Vaterlandspartei (Erakond Isamaaliit) = 42.566 Stimmen = 8,58% (2002=6,59%)
Res Publika (Erakond Res Publica) = 42.004 Stimmen = 8,46% (2002=15,42%)
Sozialdemokraten (Sotsiaaldemokraatlik Erakond) = 31.921 Stimmen = 6,43% (2002=4,39%)

Vereinigte Russische Volkspartei (Eestimaa Ühendatud Rahvapartei) = 3.407 Stimmen = 0,69% (2002=4,31%)
Christliche Volkspartei (Eesti Kristlik Rahvapartei) = 1799 Stimmen = 0,36% (2002=0,12%)
Unabhängigkeitspartei (Eesti Iseseisvuspartei) = 687 Stimmen = 0,14%
Russische Partei Estlands (Vene Erakond Eestis) = 406 Stimmen = 0,08%
Linke Partei Estlands (Eesti Vasakpartei) = 317 Stimmen = 0,06% (2002=0,07%)

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