Warum nicht einmal auch die Geburtstage anderer feiern? Es könnte doch eine Methode sein, sich selbst ins Spiel zu bringen.
So könnten die Macher von "Enterprise Estonia" gedacht haben, als sie die Idee ausarbeiteten, sich in Hamburg im Mai 2006 einladen zu lassen. Hamburg feiert wieder einmal drei Tage lang Hafengeburtstag, und diesmal ist Estland Schwerpunktland.
Sonne, gute Laune & Meer
Und Hamburg weiß, was es an den Gästen vom östlichen Ostseestrand hat: im Jahr zu vor, beim Schwerpunkt Südkorea, war es lausig kalt und regnerisch. Diesmal schienen die Esten das strahlend schöne Wetter selbst mitgebracht zu haben, so dass einem ausgelassenen bunten Treiben, drei Tage lang, nichts im Wege stand. Der estnische Wirtschafts- minister Savisaar höchstpersönlich eröffnete am Freitag, den 5.Mai die Festlichkeiten auf der Kehrwiederspitze in der norddeutschen Metropole. Ausnahmsweise einmal waren die üblichen Reden mit Verweisen auf "jahrhundertelange Kontakte", "Traditionen der Hanse" und "gemeinsame europäische Werte" - die sonst häufig eher etwas schablonenhaft daherkommen, diesmal nicht so wichtig. Bei mehreren Hunderttausend Besuchern an diesem Wochenende, und estnischen Kunst- handwerkern, Touristikern, Musikbands und Köstlichkeiten für Magen und Seele mitten drin wird jeder spontan begriffen haben, worauf es ankommt: Estland zum Anfassen, zum Probieren und natürlich zum besuchen für den nächsten Urlaub.
Estland poliert seine Image
Die Organisatoren solcher Festlichkeiten können inzwischen darauf bauen, dass Estland auch in Deutschland nicht mehr völlig unbekannt ist. Aus dem verstaubten und rückständigen Gerede vom "ehemaligen Sowjetstaat" ist inzwischen das Image eines sehr jungen, frischen und modernen neuen EU-Mitgliedslands geworden. Besonders die Bundesländer NRW (siehe Veranstaltungsprogramm) und auch Hamburg scheinen das im Jahr 2006 endgültig begriffen zu haben. Irritieren können da allenfalls noch Details, und einige Wortspiele. Ein Vertreter der Wirtschaftsbehörde verkündete den Besuchern, in Hamburg können man "Finno-Gruistik" studieren - nun, wer wird sich da schon so genau auskennen. Und ein Besucher am Eröffnungstag wollte einem estnischen Kunsthandwerker, der leider das Deutsch seines potentiellen Kunden nicht verstand, einreden, seine aus Stein gemachten Gegenstände müssten doch wohl aus "Ölschiefer" bestehen. Manche Schlagworte führen anscheinend ein seltsames Eigenleben. Gestutzt haben wird vielleicht auch mancher bei der angebotenen "Eesti Grillwurst" oder "Eesti Hamburger". Ein Scherz? Nein, weit gefehlt, neben frischem Saku-Bier tatsächlich als echt estnisch zubereitete Spezialität in Hamburg zu verkosten. Musik, Musik, Musik Einen weiteren wesentlichen Anteil an der guten Stimmung unter den zahlreichen Gästen trugen die vielen den ganzen Tag über ihr Programm darbietenden estnischen Musik- und Tanzgruppen bei. Über die legendäre KUKERPILLID, den Folkbands LEIGARID und JUSTAMENT bis hin zu den Mädchen und Damen des estnischen Radiochores war an schwungvollen Rythmen und stimmungsvollen Liedern kein Mangel. Aus Tartu war ein komplettes Orchester angereist, das zwischendurch auch einmal mit Pauken und energischen Trompetenstößen auf sich (und Estland) aufmerksam machen konnte. Und als schließlich abends LEHMAKOMMIONUD noch estnische "Kneipenlieder" und Evergreens spielten, erfreuten sich die estnischen Kollegen Künstlerinnen und Künstler daran und schwangen selbst das Tanzbein. Die Zeiten ändern sich Irgendwelche angeblich "exotischen" Merkwürdigkeiten wird beim estnisch geprägten Hamburger Hafengeburtstag vermutlich niemand bemerkt haben. Warum das erwähnenswert ist? Die rasenten Veränderungen in den baltischen Staaten (so auch in Estland) sind immer mal wieder einen Moment des Nachdenkens wert. Im Großen und Ganzen erzeugen sie ein positives Aussenbild, obwohl Estland-Freunden ja klar sein müsste, dass momentan leider noch nicht jede Estin und jeder Este auch wirklich seine persönliche Lage verbessern kann in dieser neuen Zeit. Ein positives Image kann aber zumindest den Aktivitäten entscheidend weiterhelfen, die auf Kontakte in andere Länder angewiesen sind - so wie der Tourismus. Diesen Sinn hat der fröhlich-sonnige Hamburger Hafengeburtstag in jedem Fall erfüllt - somit sind die dafür verwendeten EU-Zuschüsse gut angelegt. Viel Natürlichkeit Ein weiterer Vorteil des gemeinsamen Feierns in estnischer Gesellschaft ist wohl die natürliche Ernsthaftigkeit, mit der alles umgesetzt wird. Ersthaft soweit, wie es eine professionelle Planung und Umsetzung erfordert, und Natürlichkeit und Ausgelassenheit dort, wo die Arbeit getan ist, die Gesellschaft angenehm und Speisen und Getränke vorbereitet sind. Dann kann auch bei diesen sonst als etwas verschlossen und zurückhaltend geltenden Nordländern spontane Ausgelassenheit auftreten - und der Gast aus Deutschland kann sicher sein, dass dies nicht etwa wegen der Anwesenheit von fremden Gästen (also Touristen) inszeniert oder künstlich arrangiert ist. Mitten drin und voll dabei - beim estnisch geprägten Hamburger Hafenfest ein Genuß. Gebt uns mehr davon, Deutschland und Estland! Wer noch zum Hafengeburtstag hingehen möchte - hier das Programm des Estland-Festes.
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