Donnerstag, September 29, 2005

Wiederkehr

Die Auswanderungs- und Flüchtlingswellen der 30er und 40er Jahre enden häufig in einer Rückkehrer- Geschichte wie die von Quarter Life Crisis?. Zu schade, wenn Schilderungen der ersten Eindrücke dieser Art von Wiederkehr im Netz verloren gingen.

Mittwoch, September 28, 2005

Estnisches Kino in Asien


Und hat schon Tradition beim International Film Festival in Pusan. Diesmal läuft "Shop of dreams"
2003 saß ich selbst unter den Zuschauern bei der Premiere von Nimed marmortahvlil in Korea. Hier die Beschreibung (Kommentar aus dem Estonian Film blog):
In 2003 I was at the International Busan Film Festival, South Korea, PIFF. Estonia was represented with Nimed Marmortahvlil. Since the South Koreans are crazy about film and movies the cinema was packed with 300-400 people. At the end left with big question marks in their eyes, most heard about Estonia the first time. And then this story about the Reds, the Latvians, the Germans, the Russians etc.
One student told me he had to write a home work about a film of this festival. Somewhere he had red the note that this was the most successful film in Estonia so far, so he bought tickets for it.
The Baltics have a place in the festival since years. Pusan is among the 10 biggest festivals world wide, I`d guess.

Dienstag, September 27, 2005

Die Russlandversteher

Foto: Badegäste 1965 im Sommerschauer
Obwohl Estland seit 25 Jahren sowjetisch ist, haben die Esten in mancherlei Hinsicht eine bemerkenswerte Selbständigkeit bewahrt. Ein Beispiel: Von Reval aus wollten Fotoreporter Albert Houpertz, unser russischer Kollege Fedor Redlich und ich ins Land ausschwärmen, um Estland näher kennenzulernen. Visa hatte man uns in Moskau für Reval, Pernau (heute Pärnu) am Rigaer Meerbusen und Dorpat (Tartu) nahe dem Peipussee erteilt. Aber in diese Universitätsstadt Dorpat durften wir nicht: "Für alle Ausländer gesperrt!" lautete die stereotype Antwort des estnischen Regierungsbeamten auf dem Domberg.
"Aber wir haben doch in Moskau ein Visum bekommen", beharrten wir, und auch Fedor aus Moskau schüttelte unwillig den Kopf.
"Jaaa", sprach der Este breit und gewichtig, "was in Moskau gilt, gilt noch lange nicht in Reval."

aus - In Reval rollt der rote Rubel- Bunte Farbbericht 1965

Was sagt uns diese Szene 40 Jahre später? Es ist Tradition, die Sowjetunion zu verstehen (ebenso Russland). Diese Episode bedeutet: Alles halb so schlimm, auch wenn die Universitätsstadt keine ausländischen Gäste empfangen darf. Eigentlich gibt es sowas nur in Diktaturen, oder? Aber Deutsche haben Verständnis.

Heute im Jahr 2005 setzt sich das fort, die FAZ bringt eine Rezension über das Estlandbuch des deutschen Botschafters in Tallinn in den 90ern:
Und nun gibt es die opulenten Erinnerungen Henning von Wistinghausens, des ersten deutschen Botschafters in Estland, dessen Residenz auf dem Domberg in Tallinn (Reval) nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Landes zum Symbol der kulturellen und politischen Verbindungen zwischen Deutschland und Estland wurde. Wistinghausen steigt tief hinab in den Alltag dieser Verbindungen und der estnischen Politik - nicht nur in den diplomatischen Alltag, sondern durchaus dorthin, wo die Dinge beim Namen genannt werden. Er verteidigt die deutsche Baltikumpolitik, die nicht erst mit Gerhard Schröder große Vorsicht gegenüber Rußland walten ließ.


Warum stelle ich das gegenüber? Weil diese Haltung Konsequenzen hat und zwar eindeutig negative. Schlaff war die deutsche Unterstützung für die ukrainische Orangene Revolution. Wegen Putin, wegen Rücksichtnahme auf Russland. So haben wir keine Vorstellung über die Erleichterung in der Ukraine, wenn sie dort an die Tatsache denken, nicht mehr zu Russland zu gehören. Veronica in ihrem Weblog dazu:
Sunday, September 25, 2005

I can't write or think too clearly because of the cold, so I read a lot.

The book I'm reading now is about the wars of the early 1990s: Nagorny Karabakh, Chechnya; testimonies of soldiers who had to fight there, testimonies of civilians stuck there. These stories are interesting for the little details you rarely see in newspapers.

Stuff like this: a small group of Russian infantry men is retreating somewhere in Grozny, in 1995, and they stumble over the bodies of two Russian soldiers; they find and take the dead guys' documents and tear off the strings with their personal ID numbers: "The boys have no use for that anymore, but their families have to be notified. Otherwise, the government smartasses aren't going to pay pensions to them, explaining that the soldiers were missing in action or have even deserted." (From Vyacheslav Mironov's I've Been to This War.)

It hurts a lot to read it all, but it also reminds me of how to be very positive about Ukraine's post-1991 history: no matter what, we've been so very lucky.

Der russische Rekrut hat mehr verdient als eine laue Männerfreundschaft zwischen zwei Staatslenkern.

Freitag, September 23, 2005

Schröders Vorbild: Andrus Ansip?

Die Tageszeitung DIE WELT stellt in ihrer Ausgabe vom 22. September 2005 eine interessante These auf (unterstützt von Informationen der Nachrichtenagentur AFP): in allen drei baltischen Staaten wird das praktiziert, was Kanzler Schröder sich in seinem allgemein als "anmaßend" empfundenen Fernsehauftritt nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses in Deutschland gewünscht hatte. Auch der Este Andrus Ansip ist Regierungschef, obwohl seine Partei nicht die stärkste Partei oder Fraktion im Parlament ist.

Zitat DIE WELT: "In Estland wurde der Liberale Andrus Ansip im April 2005 Ministerpräsident einer Mitte-Rechts-Koalition. Zuvor waren diverse andere Versuche zu einer Regierungsbildung gescheitert. Ansips rechtsliberale Reformpartei verfügt nur über 19 Sitze. Der Koalitionspartner, die linkspopulistische Zentrumspartei, stellt dagegen 28 Abgeordnete. Dennoch galt Ansip als derjenige, dem am ehesten zugetraut wurde, eine breite Koalition zusammenzuhalten. Dem Dreierbündnis gehört außerdem die agrarisch-konservative Volksunion (13 Sitze) an."

Sollte sich also Schröder ein Vorbild in Estland nehmen? Das wäre fast paradox, da gerade Estland mit seinen Niedrigsteuern (Flattax) und Investitionsanreizen als Musterländle der Neoliberalen gilt. Allerdings ist auch in Estland ein Trend zu beobachten, nach dem die Sozialdemokraten wieder stärker werden, und eine breite Schicht befürwortet, dass nun nach radikalen Wirtschaftsreformen und hohen Gewinnen für Unternehmer eine Politik von mehr sozialer Verantwortung und Berücksichtigung des Umweltschutzes treten muss. Ein spannender Vergleich also!





im Bild:
Regierungschef Ansip hat Erfahrung im Umgang mit exzentrischen Politikern. Hier spricht er gerade ein "terviseks" (einen "Toast") auf den skandalumwitterten Edgar Savisaar aus.

Donnerstag, September 22, 2005

Glückliche Cineasten- Berliner - Focus Estland

Manchmal wäre es besser in der Hauptstadt zu wohnen. Das Kino Arsenal setzt einen Estland Schwerpunkt. "The revolution of pigs" habe ich selber noch nicht gesehen. Empfehlung: Anschauen.

Operation Enduring Freedom

Die Zahlen haben mich eben überrascht, bei den Esten wusste ich es:

Updated August 15, 2005
Germany

Germany
The following German service members have died in support of Operation Enduring Freedom:

* Joerg Baasch
* Andreas Beljo
* Friedrich Deininger
* Frank Ehrlich
* Heinz-Ullrich Hewußt
* Helmi Jimenez-Paradis
* Bernhard Kaiser
* Stephen Kamins
* Thomas Kochert
* Carsten Kuehlmorgen
* Mike Rubel
* Thomas Schiebel
* Enrico Schmidt
* Uwe Vierling
* 2 service members as yet unidentified

Updated October 26, 2004
Estonia

Estonia
The following Estonian service member has died in support of Operation Iraqi Freedom:

* Arre Illenzeer
* Andres Nuiamäe

Interessant, Deutschland wird in dem Weblog, von der die Auflistung stammt, zur Koalition gezählt:

Welcome

Thank you for visiting the Operation Enduring Freedom and Operation Iraqi Freedom Coalition Heroes' Memorial, a place of remembrance and respect. The following coalition nations have lost service members.


Die Sache ist klar: Wir sind dabei, die Esten sind dabei. Die Deutschen in Afghanistan, die Esten im Irak. In einigen Blogs wurden die Esten kritisiert, dass sie sich angeblich dem US Präsident Bush an die Seite geworfen hätten. Hier werden Gegensätze aufgebauscht, die so nicht existieren. Auch gibt es Illusionen, die deutsche Aussenpolitik könnte sich grundlegend ändern, egal in welche Richtung. Viele verheddern sich da in einem Schwarz-Weiss-Bild. Anti Bush - Pro Frieden. Litauen war jüngstens der Parade-Fall. Ein sowjetisches Kampfflugzeug dringt in die Natosphäre ein, wahrscheinlich nicht das erste Mal. Deutsche Abfangjäger steigen auf, der Kampfflieger stürzt ab. Und wen kümmert das? Überraschend wenige. Der diplomatische Schlagabtausch zwischen Litauen und Russland, also einem EU und Nato-Mitglied wird kaum wahrgenommen.Siehe auch den BBC-Bericht dazu.

Update: Hier ein Foto von druojajay bei Flickr.com, das die Situation nach dem Kampffliegerabsturz in Estland zeigt.

Mittwoch, September 21, 2005

Rückschlag für den Fährtourismus

Einen schweren Rückschlag für den Fährtourismus zwischen Deutschland und Estland stellt wohl der überraschend bekannt gegebene Verkauf eines der dienstältesten und besten Ostseefähren dar: Die SILJA-LINE gab in dieser Woche das Ende der FINNJET bekannt. Das Schiff, dass vor Saisonanfang im Mai 2005 mit der Indienststellung im Rahmen des Besuchs von US-Präsident Bush in Riga schon einmal US-amerikanische Kontakte geknüpft hatte, legte am 20.September zum letzten Mal von Rostock ab.

Zunächst nimmt die Finnjet, die jahrelang die Linie Travemünde-Helsinki-Tallinn und später Rostock-Tallinn bedient hatte, Kurs auf New Orleans. Dort wurde das Schiff für die Louisiana State University in Shreveport angemietet und soll über den Winter als Quartier für die medizinische Fakultät dienen, die wegen des Hurrikans "Katrina" umquartiert werden muss. Binnen zweier Wochen wird es in New Orleans erwartet, wie ein Reedereisprecher sagte. Die Fähre wird in Baton Rouge im Mississippi vor Anker gehen.

Die "Finnjet" bietet in ihren 565 Kabinen rund 1700 Menschen Platz und verkehrte bisher meist zwischen Rostock und Tallinn. Die 215 Meter lange Gasturbinenfähre ist 28 Jahre alt, wurde aber erst im vergangenen Jahr für zehn Millionen Euro komplett überholt.

In den letzten Wochen waren Gerüchte aufgekommen, die Finnjet stehe vor allem wegen der stark gestiegenen Spritpreise vor dem Aus. Nun wurde bestätigt, dass die "Finnjet" nach Abschluß des Sondereinsatzes in New Orleans ihren Dienst nicht wieder aufnimmt und verkauft wird. Ein Sprecher der SILJA-LINE bestätigte aber gegenüber der Presse, die Sommersaison 2005 sei eigentlich mit 80.000 Passagieren wesentlich erfolgreicher als die Vorjahre gelaufen. Über die entscheidenden Gründe des Verkaufs kann da nur spekuliert werden: Vielleicht hat auch die neue Konkurrenz der Billigflieger dazu beigetragen, die viele neue Kunden kurzfristig abgeworben hat?

Sprecher des Rostocker Hafens bezeichnen den Abzug der "Finnjet" als "schweren Verlust". Erst 1999 hatte die Reederei Silja Line als Konsequenz aus dem Ausfall des Duty-Free-Verkaufs den Abfahrtshafen von Travemünde nach Rostock verlegt. Das 212 Meter lange und über 30 Knoten schnelle Schiff wird von zwei Gasturbinen mit 55200 PS angetrieben. Für die Marschfahrt besitzt die 1977 gebaute Fähre zusätzlich zwei Dieselmotoren.

Für den Estland-Tourismus aus Deutschland hat diese Angebotslücke jetzt die Konsequenz, dass eine sehr bequeme und auch schnelle Verbindung nach Estland wegfällt. Die Fähre war sowohl bei Reisegruppen, Individual- und auch Fahrradtouristen beliebt, denn mit ihrer Fahrzeit von nur 25 Stunden stellte sie einen zeitsparenden Zugang zu den baltischen Staaten dar.

Dienstag, September 20, 2005

Neckermann: Versand jetzt ab Tallinn

Harald Gutschi, Geschäftsführer bei Neckermann Deutschland, verkündete per Pressemeldung den Start des Neckermann-Versands in Estland und Lettland ab Herbst 2005. Jeweils rund 100.000 Kataloge seien bereits an estnische und lettische Haushalte verschickt worden, so Gutschi. Zitat: "Neckermann erschließt mit den neuen Versandaktivitäten Zugang zu zwei aufstrebenden Volkswirtschaften am östlichen Flügel der erweiterten Europäischen Union und gleichzeitig zwei stark zukunftsorientierte Länder."

Gewinner dieses Deals ist wohl in erster Linie Estland: Zwar werden Bestellungen aus Lettland auch mit einer lettischen Telefonnummer in einem lettischen Call-Center entgegengenommen, und zwar sowohl in Lettisch wie auch in Russisch. Bei Standortentscheidung hat laut der bereits zitierten Pressemeldung eine Rolle gespielt, dass die estnische Bevölkerung sich besonders "versandhandelsaffin" zeige, so die Neckermann-Zentrale. Die besten Voraussetzungen würden durch die große Akzeptanz moderner Kommunikationsmittel in der Bevölkerung geschaffen: 2004 nutzen bereits 52% der Bevölkerung das Internet, Tendenz steigend.

Neckermann erwartet allein in Estland einen Online-Anteil von 25 Prozent am Bestellvolumen. Das Unternehmen rechnet in der laufenden Saison mit dem Versand von jeweils gut 45.000 Paketen in den beiden Ländern und je einem Umsatz im hohen einstelligen Million-Euro-Bereich.
Bestellt werden kann übrigens per Post, Telefon und Fax sowie auch über die Internet-Shops, per SMS und E-Mail. Das Design der beiden neuen Internet-Bestellseiten (Lettland und Estland) präsentiert sich völlig identisch: das mag daran liegen, dass Neckermann-Marketing für Mittel- und Osteuropa bisher immer noch im österreichischen Graz gemacht wird.

Der Markteinstieg von Neckermann in Litauen ist für Ende 2006 geplant. Eine Frage bleibt wohl: Werden auch deutsche Kunden demnächst versandmäßig aus Tallinn bedient, wenn es dort doch alles so gut läuft?

Ein Amerikaner in Estland über die "social community"

Schon mehrmals wurde hier Ross Mayfield zitiert, ein Amerikaner, der in den 90ern für Lennart Meri gearbeitet hat. Später mit einer Estin verheiratet und zwei Kindern. Jetzt lebt er im Silikon Valley, Palo Alto, USA. Also im Zentrum der Software- und Computerentwicklung. Aber er bringt nicht die Rezepte einer altertümlichen freien Marktwirtschaft nach Estland, sondern sein Konzept der "social software", was am Ende auf eine offene Gesellschaft hinausläuft. Die Werkzeuge dieser Ziele sind zur Zeit Wiki, Blogs und die eigenen Entwicklungen von Socialtext, seiner eigenen Firma. Auf dem Visionskongress in Pärnu sprach er von der Bedeutung der "reputation" von Firmen anstelle der alten Vorstellungen von Wettbewerbsfähigkeit und ökonomischen Kalkül. Wer mehr davon erfahren will, sollte sich seinen Vortrag anhören, über 45 min lang und von Peeter Marvet veröffentlicht. Nur ist er leider auf Englisch, hier das Link. Einfach dort anklicken, wo "Ross Mayfieldi" steht. Zum Schluss seines Vortrags wird klar, warum er die Esten auffordert: Open Estonia.

Montag, September 19, 2005

Ein Gutshof in den 30ern


Deutschbaltische Gutshöfe sind ein beliebtes Tourismusziel im Baltikum. Palms ist ein Paradebeispiel. Je mehr von den verbliebenen in einen frisch renovierten Zustand versetzt werden, desto mehr prägen sie die Erinnerungen an vergangene Zeiten. Aber das häufig aufgeräumte Äußere ist nicht unbedingt das genaue Abbild der Vergangenheit. Das Foto zeigt die Nebengebäude eines Gutshofes in Haarjumaa, der auch von Esten bewohnt wurde. Das Hauptgebäude war aus Holz und ging während der Sowjetzeit verloren.
Die Esten der Umgebung lebten in diesem Dorf am Meer

Sonntag, September 18, 2005

Gesichter Europas beim Deutschlandfunk

Sechs verschiedene Beiträge über die gesellschaftliche Entwicklung Estlands sendete der Deutschlandfunk am letzten Freitag. Es ging um die jungen und die alten Esten und die Erfahrungen mit dem Beitritt zur EU. In der Ankündigung war eine Formulierung, die nicht unkommentiert bleiben darf, siehe Post "Journalistische Reflexe" dazu. Nun kommt in den Beiträgen des DLF ein gern verwendetes Bild hinzu: Die angebliche "Euphorie" über den EU-Beitritt- die natürlich verflogen sei.
Na ja, dann schreiben wir das nächste Mal über das unterkühlte hanseatische Understatement der Italiener, das hat in etwa den gleichen Wahrheitsgehalt. Euphorie ist bei den Esten ein völlig unpassender Begriff. Und damit es gleich klar ist, euphorisch war die Stimmung auch nicht im August 1991 bei Wiedererlangung der Unabhängigkeit. Aber das wird auch immer wieder unterstellt.

Donnerstag, September 15, 2005

Nochmal Skype und Ebay und eine Medienkritik

Heute berichtet Die Zeit ausführlich über den Aufkauf von Skype durch Ebay. Kein Wort über die Bedeutung des Skype-Unternehmens für Estland. Na ja, das sind wir gewohnt. Aber dann heisst es dort:
Ein Hauch der New Economy aus fast vergessenen Dotcom-Zeiten weht nun wieder durch die Gazetten, Analysen und Blog-Plaudereien im Internet.
Durch die Blog-Plaudereien ? Dann hat die Journalistin nicht die Kommentare von Jüri Kaljundi und Ross Mayfield gelesen, dort noch viele weitere Linkverweise zu anderen interessanten Beiträgen. Siehe auch letzte drei Posts über Skype in diesem Blog.
Die deutsche Wahrnehmung ist mir manchmal unheimlich.

Mittwoch, September 14, 2005

Katholische Diaspora

Nur 6.000 Katholiken sind in Estland registriert. Dennoch findet RADIO VATIKAN dazu noch Senasationsschlagzeilen:
"Zum ersten Male seid der Reformation" (!) sei in Estland ein katholischer Bischof geweiht worden, meldet der katholische Haussender am 12.9.05.
Gemeint ist Philippe Jourdan, 45 Jahre alt, gebürtiger Franzose, geboren in Paris. 1988 wurde er Priester bei Opus Dei. Er lebt seit 1996 in Estland und war dort bisher als Generalvikar tätig, und wurde noch Ende März 2005 von Johannes Paul II. zum Apostolischen Administrator von Estland ernannt.
Jourdan's erstes Statement: "Estland ist Missionsland." Radio Vatikan ergänzt: "70% der 1,4 Millionen Esten sind religionslos." Etwa 180.000 Angehörige der Protestantischen Kirche gibt es, und auch die russisch-orthodox Gläubigen überflügeln die Katholiken in Estland bei weitem - ein Land, das im Jahre 1215 von Papst Innozenz III. einmal als "Land Mariens" zur Missionierung ausgerufen wurde.


Kontakt zur katholischen Kirche Estlands: http://www.katoliku.ee/ (nur Estnisch)

Neuer Film: Estland, Mon Amour

Kurzbeschreibung (Filmdienst):
Die Regisseurin recherchiert die Vergangenheit ihres zwei Jahre älteren Bruders, der in Estland unter ungeklärten Umständen zu Tode kann. Dabei verdichtet sich ihr Film zur neuerlichen Annäherung an den Toten in Form eines intimen Familientagebuchs und wird zugleich zur Liebeserklärung an eine Landschaft, die für den rastlosen Bruder zur zweiten Heimat geworden war, sowie ihrer Bewohner. Der Dokumentarfilm ist voller lyrischer Momente und nicht nur als Instrument der Trauerarbeit zu verstehen, sondern auch als filmische Lebensreflexion. - FSK ab 16

Hier die genauen Daten für alle, die mal wieder einen Film mit estnischen Themen sehen wollen. Auf Grund der Koproduktion von MDR, ARTE und SWR werden wir ihn wohl irgendwann auch im Fernsehprogramm auftauchen sehen.

Estland - Mon Amour
Deutschland, 2004
Produktion: MA.JA.DE Filmprod./Sibylle Tiedemann Film/MDR/SWR/arte
Produzent: Sibylle Tiedemann , Heino Deckert
Regie: Sibylle Tiedemann
Buch: Sibylle Tiedemann
Kamera: Lars Barthel , Rainer Hoffmann , Kornel Miglus
Musik: Villu Veski , Tiit Kalluste , Siiri Sisask , Kristjan Randalu
Schnitt: Inge Schneider
Länge: 93 Minuten
Verleih fürs Kino: Ventura

Dienstag, September 13, 2005

Noch mehr Einblicke in Estlands IT-Branche

Skype is the Nokia of Estonia, von Ross Mayfield und Jüri Kaljundi (MicroLink)

Skype hat zwar seinen Sitz in Luxemburg, aber die Bedeutung für Estland ist enorm. Das Land mit nicht mal 1,5 Millionen Einwohnern hat einen IT-Arbeitsmarkt von etwa 5000-8000 Computerspezialisten, so die Schätzung von Jüri Kaljundi.

Montag, September 12, 2005

Warum Englisch ?

Diese Skype-Geschichte - siehe letzten Beitrag- ist eine höchst spannende Angelegenheit. Nur lässt sie sich lediglich auf Englisch oder Estnisch richtig verfolgen. Also muss Englisch herhalten, damit wir (in Deutschland) informiert bleiben. Ross Mayfield hat einen Insider-Blick in die Geschäfte von Skype, und hier sein aktueller Bericht, immer auf dem neuesten Stand in der Blogosphäre und alles was mit Internet verbunden ist. Und ausserdem: Mayfield ist ständig unterwegs, um sich mit den treibenden Kräften der Software-Entwicklung zu treffen. Sein Schwerpunkt ist die Kommunikation, darum dreht sich sein eigenes Arbeitsfeld.
Und das sein kritischer Einwurf:

Meg Whitman apparently mentioned in the conference call that Estonia was seen as a key pool of talent. This is absolutely the case, but the labor market for the best people is really tight, which brought up my key issue of how open Estonia should be.

When I visited last year I had the sense that this is where the real hacker entrepreneurs were. Committed for the love of the product, respect for the technology, interest to understand social patterns and a vision to be fulfilled. This time there were new faces amongst the backdrop of a very big deal. In a couple of hours they are all headed to celebrate, as they should, maybe I'll stop by.

Who is Who? Die Esten in der Computerwelt

Weltweit genutzte Software stammt bereits aus den Ideen der ersten Computergeneration in Estland. Kaaza und Skype sind zum großen Teil dort entwickelt worden. Wer die Hauptakteure dieser Generation kennenlernen möchte, hier eine Selbstdarstellung.

Ahti Heinla, Priit Kasesalu and Jaan Tallinn - Estonia – These three Estonian born computer geniuses were only in their twenties when they invented Kazaa in collaboration with a Swedish programming company. Kazaa, a peer to peer file sharing program, allows people to find virtually any song or movie on the internet—sometimes even before it is officially released—and download it for free. But the trio insists they never thought of creating it to bypass buying licensed music, movies and software. Says their ...........

........... official spokesman, “Consumers decide what to do with the tool. You can’t blame the tool maker.” The three have also had a hand in creating two other famous programs – Skype and Hotmail.


aus Hello Estonia

und hier noch mehr Esten und Estinnen bei Skype. Jeder schildert, wie er das erste Mal auf das Projekt aufmerksam wurde.

Update:
Kaum berichtet man über ein paar erfolgreiche Esten, geht der Aufkauf von Firmen mit estnischer Beteiligung weiter. Siehe Übernahme von Hansapank durch die Swedbank im Frühsommer. Nun also:
Ebay kauft Skype, es geht um 2,6 Milliarden Dollar.

Mittwoch, September 07, 2005

Esten als deutsche Wahlkampf-Schüler?

In der heissen Phase des Bundestagswahlkampfes (siehe auch Beiträge in diesem Forum und im Lettland-Forum) lässt die CDU nun estnische Politiker einfliegen. Gerade an dem Tag, als die deutsche Presse verwundert feststellte, Kanzlerkandidatin Merkel habe ganze Passagen ihrer Beiträge im "Fernsehduell" mit Schröder von Ronald Reagan "abgekupfert", titelt die Leipziger Volkszeitung verwundert: "Warum es DDR-Bürger besser hatten".

Aufgeschnappt hatten die LVZ-Journalisten diese Äusserung vom ehemaligen estnischen Premier Juhan Parts, der gegenwärtig auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen mit seinem früheren Justizminister Ken-Marti Vaher in Deutschland weilt, um den Wahlkampf der CDU zu studieren. Durch die Wiedervereinigung habe der deutsche Osten wesentlich günstigere Startbedingungen gehabt als etwa Estland, erklärte Parts den verblüfften Leipziger Medienvertretern. Wieder einer dieser interessanten Momente, wo sich die erstaunten Leser fragen: Wer lernt hier eigentlich von wem?


Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Interview, das der gegenwärtige estnische Finanzminister Aivar Söerd der Berliner Zeitung gab (Ausgabe vom 7.September 2005). Hier bestätigt Söerd, der auch schon bis 2003 einmal Generaldirektor der estnischen Steuerverwaltung war, was in Deutschland manche von Merkels neuem Steuerfachmann Paul Kirchhof so fürchten: Estland habe so gut wie alle Ausnahmetatbestände im Steuerrecht schon seit langem abgeschafft. Allerdings gibt es in Estland auch einen Steuerfreibetrag, der bei 1302 Euro liegt, können wir hier lernen (bei einem Durchschnittseinkommen von etwa 500 Euro).

Auch Hypothekenzinsen, Bildungsausgaben, Schenkungen oder Einzahlungen in individuelle Rentenversicherungen können auf das steuerpflichtige Einkommen angerechnet werden, so Söerd - wenn es zusammen nicht mehr als 50% des zu versteuernden Einkommens oder 3192 Euro ergebe. "Steuergesetze sind zur Umverteilung des Wohlstands ungeeignet", so Söerds Stellungnahme. Dafür sei aber der relativ hohe Freibetrag ein Ausgleich, und durchschnittlich sei in Estland eine Steuererklärung in 15 Minuten zu machen. "Wir haben ja zwei Steuersätze: 0 und 24 Prozent."

Aivar Söerd ist übrigens Mitglied der estnischen Partei "Volksunion" (Rahvaliit), die momentan Gespräche mit den estnischen Sozialdemokraten führt zum eventuellen Zusammenschluss beider Parteien.
Zum Schluß noch eine weitere interessante Wendung für alle, die aus diesen Äusserungen nun meinen, bereits ihre Schlußfolgerungen ziehen zu können. Befragt danach, was denn sich in Zukunft vielleicht im estnischen Steuersystem ändern könnte, antwortete Söerd gegenüber der Berliner Zeitung: "Wir diskutieren gegenwärtig über die Einführung einer ökologischen Steuerreform." Da sind wir schon jetzt erstens auf deren genaue Gestaltung in Estland, und zweitens auf die Reaktion in Deutschland gespannt!

Dienstag, September 06, 2005

terra incognita

Osteuropa ist in großen Teilen immer noch "terra incognita", nicht nur das Baltikum und Estland. Im Slowenien-Blog The Glory of Carniola wird bedauert, dass die Sommerflut in Europa hauptsächlich als Unwetterkatastrophe in Österreich und Deutschland dargestellt wurde. Dabei litten die Slowenen genauso, aber sie nehmen es gelassen hin, siehe Foto.

Montag, September 05, 2005

Euro 2007

Bereits halbwegs amtlich wird die Euro-Einführung in Estland verkündet, und zwar für das Jahr 2007. euractiv:

The Estonian government announced on 1 September that it was ready to adopt the euro at the beginning of 2007. It plans to have Estonian krona in banks converted into euro from 1 January 2007, with the krona remaining legal tender for two weeks. Retailers will have to price goods in both currencies for six months before and after the launch of the euro.


Über die Gestaltung der Euromünze konnte abgestimmt werden, hier die Entwürfe. Durchgesetzt hat sich diese Variante:



Erstaunlich wie wenig beeindruckt die Medienlandschaft auf diesen Zeitplan reagiert. Wir haben uns daran gewöhnt, dass jeder weitere Schritt der europäischen Einigung als Selbstverständlichkeit hingenommen wird, gepaart mit einem großen Anteil Desinteresse. Aber nicht vergessen: eine ehemalige Sowjetrepublik wird Mitglied der Eurozone. Oder soll ich noch hinzufügen, dass auf dem Gebiet des Baltikums in den 80ern noch strategische Waffen auf Ziele in Deutschland und Mitteleuropa gerichtet waren, AtomU-boote in estnischen Häfen lagen.

Donnerstag, September 01, 2005

Kennen Sie Mart Poom?



Mart Poom kannten bisher nur einige wenige Sport-Spezialisten. In Zukunft wird man sich den Namen als Konkurrent von Nationalmannschafts-Torwart Jens Lehmann merken müssen.

Nein, keine Angst - aus dem Tor der deutschen Nationalmannschaft wird Lehmann (bisher) noch nicht von einem Balten verdrängt - wenn man Olli Kahns lettische Abstammung mal vernachlässigt. Mart Poom ist schon seit Jahren Torwart der Nationalmannschaft Estlands, und wurde jetzt als neuer Torwart bei Arsenal London verpflichtet. Dies wurde notwendig, weil Lehmann sich im März diesen Jahres geleistet hatte, nach dem Spiel gegen Bayern München das Schiedsrichtergespann im Kabinengang mit Wasser zu überschütten. Resultat: Lehmann wurde für zwei Europacup-Spiele gesperrt. Das gibt nun neuer Torwart-Konkurrenz eine Chance - und Arsenal entschied sich für den estnischen Torwart-Kollegen. Poom ist 33 Jahre alt - also im besten Torwart-Alter.

Poom's Fußballkarriere begann bereits 1979 bei den Tallinner Löwen (Tallinna Lõvid). 1992 wechselte er zum ersten Mal ins Ausland: zum finnischen Kuopio Palloseura. Nach einer kurzen Zwischenstation in der Schweiz ging es dann ab auf die Insel: zunächst FC Portsmouth, dann Derby County, und später der FC Sunderland.

Poom absolvierte über 100 Länderspiele - ein ganz besonderes fand am 3 Juni 1992 statt. Es war das erste Spiel nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit Estlands. 1993, 1994, 1997, 1998, und 2000 wurde Poom zum estnischen Fußballspieler des Jahres gewählt.

Einheitssteuer -Niedrige Steuer: Der Blick nach Osteuropa

Im letzten Post über den Bundestagswahlkampf und Politik in Estland wurde das Thema niedrige Einheitssteuer aufgeworfen. Einen guten Überblick bringt heute DIE ZEIT mit einem Vergleich der osteuropäischen Länder. Der Blick über die Grenzen kann nützlich sein, da in Deutschland die angekündigte große Steuerreform auf sich warten lässt.