Wer Estland kennt, der hat schon einmal die Altstadt von Tallinn gesehen. Einen Ausflug zum Lahemaa-Nationalpark war vielleicht auch schon im Besuchsprogramm. Wer aber kennt Kunda? Zu Sowjetzeiten vernebelte Dreck und Staub der Zementproduktion diese Stadt an Estlands Nordküste. Das Kunda des neuen Jahrtausends hat einen neuen Großinvestor: Die Heinzel Group (Hauptsitz in Österreich) eröffnete am 8.September hier ein neues Zellstoffwerk (EstonianCell). Zwei Jahre lang wurde gebaut, insgesamt 153 Millionen Euro investiert. Die verwendete Technologie wird von der österreichischen Firma ANDRITZ eingebracht. Das hier produzierte Papier - genutzt wird überwiegend Espenholz - soll exportiert werden, Deutschland ist einer der Hauptimportländer. Mitinvestoren sind die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD und die norwegische Larvik Cell.
"Der Weg zum Traumjob" - so preist eine Infoseite der Universität Wien die Aufstiegschancen bei der 1948 gegründeten Heinzel Group an. "Karriere nicht nur auf dem Papier, sondern mit Papier" heißt es da. Die Heinzel Holding kaufte sich 2000 bei der Zellstoff Pöls AG in der Steiermark ein, 2001 bei Biocel Paskov in Tschechien, 2002 Übernahme des Kartonproduzenten "De Eendracht" in Appingedam den Niederlanden. Jetzt also auch Kunda in Estland, neben Verkaufsbüros in über 20 Ländern (Hauptsitz in Deutschland: Dortmund). Dem Nachwuchs Österreichs graut hier offensichtlich keineswegs die Schwerpunkt- verlagerung nach Mittelosteuropa, sondern als "einmalige Karrierechance" wird angeboten, beim Aufbau in Estland helfen zu können und internationale Erfahrung zu sammeln.
83 Angestellte hat das Heizel-Werk gegenwärtig. Ein Drittel davon kommt aus Kunda selbst, so das Werk in seiner Selbstdarstellung. Weiterhin wird mit "moderster Technik, hohen Automationsgrad, und Erfüllung strenger Umweltstandards" geworben. Weitere Arbeitsplätze sollen bei Zulieferern der Region geschaffen worden sein.
Schlagzeilen machte die Investition in Estland auch in der norwegischen Lokalpresse. Gegenüber der Östlands-Posten versprach Larvik-Cell-Firmenchef Roar Paulsrud, dass keinesfalls demnächst estnische Billigarbeiter im norwegischen Schwesterwerk eingesetzt würden. Bei Larvik Cell sind Arbeitsplätze bedroht - der Firmenleitung zufolge wegen hoher Energiepreise in Norwegen. Für die Norweger ist das Werk in Kunda die bisher größte Investition in einem ehemaligen Ostblockland. Die demnächst in Estland produzierten 140.000 Tonnen hochqualitatives Papier sollen lediglich eine Ergänzung zu dem bisherigen Produktangebot sein, so die Larvik Cell Besitzer. Allerdings: im russischen Pskov ist bereits eine weitere, noch größere Anlage unter Beteiligung der Norweger in Planung.
Infos zum Kunda-Zellstoffwerk beim "Tere Eestimaa"-Blog
Wikipeda über die Stadt Kunda
Stadt Kunda
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