Montag, März 20, 2006

Zwei Freunde

Jaan Kross, der bekannteste Schriftsteller Estlands und Freund Lennart Meris wird offiziell eine Erinnerungsrede am 26. März für den verstorbenen Präsidenten (1992-2001) halten.
Beide verband die Sorge um das Weiterbestehen Estlands, seiner Kultur und Sprache. Beide waren in der Sowjetzeit in den Osten der Union verbannt.
Wie skeptisch wir im Westen vor über 15 Jahren noch gegenüber der Zukunft eines unabhängigen Estlands waren, zeigt ein Interview der FAZ. Dort wurde folgende Frage an Jaan Kross gestellt:

FAZ: Geben zwanzig Jahre Unabhängigkeit (1920-1940) die Garantie dafür, daß das Baltikum politisch, ökonomisch und kulturell im internationalen Wettbewerb bestehen kann?

Kross: Die Frage zwingt mich zu einer Gegenfrage. Gehen wir einmal davon aus, daß ein halbes Jahrhundert im Leben eines Volkes nicht viel mehr ist als ein halbes Jahr im Leben eines Menschen. Und nehmen wir einmal an, ein Durchschnittsbürger hat vor fünf, sechs Monaten duch einen Schlag vor die Stirn das Bewußtsein verloren. Nun beugen sich die Ärzte über ihn und kratzen sich nachdenklich am Kopf. Lohnt es sich, ihn zu erwecken? Denn wer oder was garantiert, daß er nach fünf Monaten des Scheintodes seine frühere Tüchtigkeit wiedergewinnt?


Anders als Lennart Meri, der vor seiner Politikerkarriere Schriftsteller, Historiker und Filmemacher war, erging es Kross folgendermaßen:

Rheinischer Merkur (1997)
Jaan Kross begann schon in den achtziger Jahren, seine selbsterlebte Deportation literarisch aufzuarbeiten, nicht nur in dem auf deutsch erschienen Erzählband "Die Verschwörung". Wohl auch vor diesem Hintergrund beschloß er, kurzzeitig im neuen estnischen Parlament mitzuarbeiten. "Aber da bin ich dann auch mit Neumeilenstiefeln herausgestürmt", witzelt er. Seine Neugierde hatte er befriedigt, der Sache Estlands könne er mehr von seinem Schreibtisch aus helfen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen