Donnerstag, Februar 09, 2006

Finnen in Tallinn: Jagd nach Alkohol, Süßigkeiten, Zigaretten?

Finnische Tagestouristen waren schon seit Jahren die eifrigsten Tallinn-Besucher: schon zu Zeiten der Sowjetunion war eine Tagestour von Helsinki hinüber in die nur 80km entfernte estnische Hauptstadt attraktiv. Nach 1991 fielen alle Hemmungen: Billiger Wodka, ja sogar die im Nachbarland Estland günstiger erhältlichen einheimischen finnischen Produkte waren Objekte der Kauflust. Auf den vielen Fährschiffen zwischen Helsinki und Tallinn waren 90% finnische Touristen keine Seltenheit. Das hatte sogar Steuererleichterungen in Finnland zur Folge, um die neue Mobilität der Konsumenten etwas zu bremsen.
Nun hat das estnische Statistikinstitut EMOR die Kauflust der Finnen in Tallinn einmal genauer untersucht. Die Untersuchung wurde im Dezember 2004 durchgeführt, also zu einer Jahreszeit, in der zudem viele noch auf der Suche nach Geschenken für die Lieben daheim unterwegs sind. Eine Befragung unter 500 finnischen Gästen ergab, dass die Mehrheit von 67% so etwa ein bis zweimal im halben Jahr zu einem Kurzeinkauf nach Tallinn aufbrechen. Nur 2% der Befragten waren zum erstem mal da. 78% der Gäste kaufen Alkohol, je 40% gaben Kleidung oder Süßigkeiten als bevorzugte Waren an, 39& Tabak oder Zigaretten und 23% sogar medizinische Artikel oder Optikwaren.
Inzwischen führen die Esten diese Marktuntersuchung zweimal pro Jahr durch.

Auch ohne offizielle Umfragen bilden sich andere Gäste in Tallinn ihre Meinung zu den Finnen. Da erzählt Ina in ihrem Tallinn-Blog, gerade in der Oper seien Finnen häufig anzutreffen - was ihr angeblich kulturloses Gehabe vielleicht etwas aufwertet?
Studenten des Geografischen Instituts der Uni Kiel hingegen bestätigen in ihrem Projektbericht, dass finnische Touristen überwiegend aus "konsumorientierten Motiven" nach Tallinn kommen. Nun gut, auch ein preisgünstiger Opernbesuch mag ja "konsumorientiert" sein. Genau dieselbe Fomuulierung verwendet ein Architekturstudent in seinem "New Towns" Blog (dieselben Quellen?).

Der "FALTER", eine Zeitschrift aus dem österreichischen Alpenlande, formulierte 2003 im Abschnitt "die liebe Familie": "Devisen bringen jedes Wochenende finnische Touristen, die sich mit billigem estnischen Fusel besaufen." (hier war wohl eher die plastische Ausdrucksweise gefragt...)

Eine Serviceseite der POSTBANK zitiert einen Beitrag des Manager-Magazins zu Estland mit der Headline: "Land, Leute und finnische Touristen." Nun, stören sie denn nun, die Finnen? Der Verfasser dieses Beitrags glänzt zunächst mal nicht mit tollen Aussagen: "Im Süden hat Lettland eine weitgehend trockene Grenze zu Lettland." (vielleicht doch selbst vom Fusel genascht? Und was meint er genau mit "trocken"?) Zitiert wird dann aber der Reiseführer aus der Marco-Polo Reihe mit der Aussage: "Finnen sind in Estland selten nüchtern anzutreffen." Na, da haben wir es ja wieder. Es folgen aber Steuertricks für Investoren in estnische Kapitalgesellschaften - das funktioniert scheinbar auch im lockeren Plauderton.


Esten sind unfreundlich, eigensinnig, und ohne Ideale - so beschreibt es die Deutsche Pferdeliebhaberin Ute Wohlrab auf ihrer Internetseite. Eine weiter ungenannt bleibende "Sandra" pflichtet ihr bei: "ohne Auslandsinvestoren und finnische Touristen würde hier gar nichts passieren." Na, da wird den angeblich so haltlosen Säufern doch mal ein Denkmal gesetzt! (ob Sandra ebenfalls in Estland lebt, wird leider nicht verraten)

Schließlich bietet uns noch "Alex auf Weltreise" ein akutelles Foto, aufgenommen kurz nach dem Beitritt Estlands zur EU, untertitelt mit "estnische und finnische Touristen". Na, können Sie erkennen, wer da mehr torkelt? (siehe Foto oben)

Liebe Leserinnen und Leser: und was machen eigentlich die deutschen Touristen so in Tallinn?

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