Ein guter Titel ist immer ein guter Grund, ein Buch zumindest mal zur Hand zu nehmen. So ist es vielleicht auch mit "Die Kunst, Pfifferlingen zuzuhören" des estnischen Schriftstellers Valdur Mikita - das allerdings bisher noch auf eine Übersetzung ins Deutsche wartet, ebenso wie "Lingvistiline mets” (Linguistischer Wald), ein anderer bekannter Titel des Autors. In einem Beitrag für das deutsche Goethe-Institut war auch schon seine These zu lesen, das Waldvolk der Esten verkomme im 21. Jahrhundert allmählich zu einem Sumpfvolk. - Mikita kommt vielleicht zu Gute, dass er auch schon als Dozent im Marketing gearbeitet hat. Um einprägsame Sprüche war Mikita noch nie verlegen: Du kannst den Esten aus der Wildnis nehmen, aber Du kannst nicht die Wildnis aus dem Esten nehmen (engl.= You can take the Estonian out of the wild, but you can't take the wild out of the Estonian).
Ein estnischer Blogautor fasst die Erzählweise von Mikita etwa so zusammen: "Warum sollte ein Este kein Buch mögen, in dem steht, wie besonders er ist! Ein introvertierter Schamane aus dem Norden, aufgewachsen mit dem Wald, fast eins mit den Tieren, schaut in den Himmel und stellt fest, wie das Wetter an Mittsommer im nächsten Jahr sein wird. Dann fährt er vom Wald nach Hause, mäht mit seiner Husqvarna das Gras im Hinterhof, schickt neben einem Baum sitzend einige E-Mails nach Brüssel und Singapur, püriert mit der Hand die Blaubeeren, die er aus dem Wald mitgebracht hat in einem Mixer, verwandelt den im Garten wachsenden Spinat zu einem schönen Smoothie und geht abends in die Rauchsauna. Ein echter Waldeste!"
Valdur Mikita stammt aus der Region bei Viljandi, genauer gesagt steht sein Haus am Flüsschen Õhne bei Suislepa, nahe des Võrtsjärv-Sees. Der kleine Ort ist stolz auf eine alte Apfelsorte, die hier mal gezüchtet wurde (siehe auch: "das Apfelrätsel"). Mikita ist studierter Biologe, mag also sicher einschätzen können, welche Naturwerte seine Heimatregion bietet.Mikita hat aber offenbar nicht nur Bewunderer. Ein Zeitungsbericht berichtete über illegale Baumfällarbeiten auf dem Familiengrundstück, inklusive katastrophaler Folgen für die Vogelbrut mitten im Juni - Mikita klagte gegen die Behauptung, er habe mit dem Vorgang etwas zu tun.
Sehr viel mehr Aufsehen erregte jetzt die Ausrufung eines "Reservats für Introvertierte" (Introvertide kaitseala) durch den Schriftsteller und Wortkünstler (RP-online / FR), entsprechend einem Buchtitel von Anneli Lamp. Mikita bietet auch Selbstanalyse an: "Haben Sie Ihren eigenen Ort zum Sammeln von Pilzen geheim gehalten oder kennen jemanden, der einen geheimhält? Oder haben Sie sich mit Leuten darüber gestritten, wie man Holz lagert? Kennen Sie eine Person namens Luule oder Elmar? Oder kennen Sie jemanden, der überhaupt nicht spricht? Wenn ja, sind Sie wahrscheinlich Este", sagte er.
Estland sei an vielen Orten inzwischen viel zu laut geworden, konstatiert Mikita - überall Musikfestivals, Sportwettbewerbe und Ähnliches. Bedingung für das neue "Reservat": Höchstteilnehmerzahl eine Person. Schon einige Jahre zuvor war Mikita beteiligt an einem Projekt zur Installation riesiger Holz-Magaphone mitten im estnischen Wald - um "im Buch der Natur zu stöbern", wie der Autor damals erläuterte (err)
Das erste "Event für eine Person", das nun durchgeführt wurde, war gleich mal die Präsentation von Mikita's neuestem Buch ("Mõtterändur"). Perfekte Selbstvermarktung - oder eine gute Methode, um die Gedanken der Estinnen und Esten von den gegenwärtigen Sorgen abzulenken? Vielleicht. Mit 22% ist die Inflation in Estland momentan eine der höchsten innerhalb der Euroopäischen Union (eer).
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