Donnerstag, Februar 04, 2010

Die öffentliche Sache, Res Publica und Vaterlandsunion

Erst vor knapp vier Jahren hatten sich Res Publica und Isamaaliit (Vaterlandsunion) vereinigt. Res Publica, 2001 als neue „saubere“ politische Kraft gegründet, hatte 2003 die Parlamentswahlen überzeugend gewonnen, um das ihr vom Wähler entgegengebrachte Vertrauen zügig zu verspielen. Es folgte die Vereinigung mit der Partei Mart Laars, die seit der Unabhängigkeit an vielen Regierungen beteiligt gewesen ist; er selbst war zwei Mal Regierungschef.

Trotz der Vereinigung und eines relativen Erfolges – die Partei ist immerhin an der derzeitigen Regierung beteiligt – ist der innerparteiliche Konflikt zwischen den beiden alten Parteien nie ganz beigelegt worden. Das belegte erneut der jüngste Parteitag. Mart Laars Wiederwahl als Parteivorsitzender stand zwar außer Zweifel, aber um die Positionen der drei Stellvertreter kam es zu Kampfkandidaturen. Dabei kristallisierten sich drei Faktionen heraus.

Die erste Gruppe sind die alten Vertreter der Vaterlandsunion, auch Pullover-Nationalisten genannt wie Bildungsminister Tõnis Lukas und der scheidende Generalsekretär Margus Tsahkna. Die zweite Gruppe sind die sogenannten „Unkäuflichen“ um Parlamentspräsidentin Ene Ergma und den früheren Res Publica Regierungschef und gegenwärtigen Wirtschaftsminister Juhan Parts. Parts war vor seiner eigentlichen politischen Karriere Chef des Rechnungshofes gewesen, was seine damalige Popularität begründete. Die dritte Gruppe sieht sich selber als „Gemeinschaftsparteiler”, die also gerade diese Trennlinie überwinden wollen. Wichtigster Vertreter ist Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo, der auch auf eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere zurückblicken kann. Er war zur Jahrtausendwende einige Jahre Rektor der Universität Tartu. Landwirtschaftsminister Helir-Valdor Seeder bezeichnete letztere Gruppe als karriereorientierte Neuankömmlinge, die Aviksoo eigentlich nur als Sprungbrett für sein eigenes Fortkommen benötigt. Die betreffenden Parteifreunde seien zu einem großen Teil früher in den Vorgängerparteien der Vaterlandsunion bereits gewesen seien. Und in der tat war Aviksoo vor seiner Amtszeit als Hochschulrektor in der Reformpartei aktiv.

Juhan Parts wurde schließlich mit dem besten und Ene Ergma mit dem zweitbesten Ergebis gewählt, während Jaak Aaviskoo seine Niederlage einräumen mußte. Den dritten Stellvertreterposten erhielt der „Pullover-Nationalist” Tõnis Lukas.

Vertreter aller drei Faktionen betonten während des Parteitages die Geschlossenheit der Partei und begrüßten deren Erfolge. Zum Parteitag waren 2.000 Mitglieder erschienen.

Tõnis Lukas äußert jedoch auch Zweifel über die stürmische Entwicklung der jüngsten Zeit. Erst kürzlich war mit dem Beitritt des Bürgermeisters von Kärdla auf Hiiumaa das 9.000 Mitglied offiziell aufgenommen worden; zehn Tage später sei die Mitgliedszahl bereits auf 9.500 gestiegen. Das werfe Fragen auf.

Mart Laar betonte in seiner Rede, die Partei habe sich lange mit den großen Problemen beschäftigt und zu wenig mit den Menschen gesprochen. Die so entstandene Politikphobie in der Bevölkerung müsse nun überwunden werden. Den einfachen Menschen interessiere es eher, ob er im kommenden Jahr noch einen Arbeitsplatz habe. Mehrfach wurde vom „hooliv konservatism”, dem sorgenden Konservatismus gesprochen. Margus Tsahkna betonte, Ziel der Partei sei es, niemanden auf dem Weg alleine zu lassen, „kedagi ei jäeta maha”.

Nächstes Jahr sind in Estland die nächsten turnusmäßigen Parlamentswahlen.

2 Kommentare:

  1. Tja, bei 1,3 Millionen hat man kein unerschöpfliches Reservoir an Politikern. Dafür gibt es dann schon eine ganze Menge, die von der Bühne verschwunden sind.
    Schöner Überblick.

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  2. Juhan Parts und Ene Ergmab sind eine gute Wahl, finde ich.

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