Sonntag, Februar 28, 2010

Siim Kallas will was Neues anfangen

Der estnische EU-Kommissar Siim Kallas möchte der nächsten EU-Kommission nicht mehr angehören. Mit dieser Ankündigung überraschte der stellvertretende Kommissionspräsident letzte Woche insofern, als er damit zu einem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit tritt, in der die derzeitige Kommission gerade erst ihr Amt angetreten hat. Kallas spricht also über die Zeit nach 2014. Warum?

Kallas hat gerade eine erste Amtszeit als Kommissar für Verwaltung, Audit und Korruptionsbekämpfung hinter sich und ist jetzt für Verkehr zuständig. Er war und ist gleichzeitig einer von mehreren Vizepräsidenten der EU-Kommission.

Seine Ankündigung begründet Kallas trivial damit, man werde nicht jünger, außerdem lägen de facto noch 5 volle Jahre vor ihm.

Der 1948 geborene Siim Kallas hat eine imposante Karriere hinter sich. Er war bereits zur Sowjetzeit in der Finanzverwaltung und als Journalist tätig. Als die Sowjetunion zusammenbrach, führte er gerade die Gewerkschaft. Kallas wurde nach der Unabhängigkeit Chef der estnischen Notenbank und verließ diese für den Wechsel in die Politik mit der Gründung einer eigenen politischen Kraft, der Reformpartei, die auch derzeit mit Andrus Ansip den Regierungschef stellt. Kallas war anschließend Außenminister und Ministerpräsident.

Der Presse erklärte er auf Nachfrage nun, niemand biete ihm den Posten des Kommissionspräsidenten an, um später nachzulegen, daß der Nachfolger Barrosos sicher aus einem der großen EU-Länder kommen werde.

Umfragen zu Folge sehen sechs Prozent der Befragten in Estland Kallas als nächsten Präsidenten. Aber auch hier winkt der EU-Kommissar ab. Toomas-Hendrik Ilves sei ein guter Präsident. Und Ilves ist erst in seiner ersten Amtszeit.

Wenn die Amtszeit der derzeitigen Kommission endet, ist Kallas im Rentenalter und hätte noch ein paar Jahre, bis Ilves nach Ende der zweiten Amtszeit nicht mehr antreten kann. Sollte Kallas dann Interesse haben, wäre er nicht der erste Präsident eines Staates, der ein vorwiegend repräsentatives Amt im Alter von über 70 antritt.

Mittwoch, Februar 24, 2010

Vabaduse Väljak


P1020967
Originally uploaded by MulderMedia
Das ist der Platz in Tallinn, der auch dem Unabhängigkeitskrieg vor 90 Jahren gewidmet ist. Die Militärparade wird heute am Nationalfeiertag wahrscheinlich relativ groß ausfallen.
Das neue Denkmal. Wie war das noch? Über (Qualität) Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.

Foto: MulderMedia

Sonntag, Februar 21, 2010

Der junge Nationalstaat?

Estland wird oft als junge Nation bezeichnet, als Nachzügler. Selbst wenn man das Gründungsjahr 1918 nimmt. Am 24. Februar ist Jahrestag.
Vorausgesetzt wird dann immer, dass der Nationalstaat im 19.Jahrhundert Standard in Europa gewesen wäre. Ich behaupte, er war es nicht. Nur einige wenige Schwergewichte wie Großbritannien, Frankreich waren bereits etabliert. Gerade Deutschland, das heisst Preußen damals, nutzte die späte Gunst der Stunde und benötigte einen Krieg um zu einer Art von deutscher Nationalstaatsbildung zu kommen, 1870. Aber das alte Zentrum des Alten Reichs war draußen. Österreich. Sie haben noch heute die Machtsymbole in Wien, die Reichsinsignien von etwa 900 Jahren "deutscher Geschichte".
Tja, Deutschland ist jung, gerade zwei Generationen älter als Estland als Nation. Und oft muss man auf die Gunst der Stunde warten. Ich gehe hier nicht näher auf die Umstände der Unabhängigkeitserklärung Estlands im Februar 1918 ein, aber wichtig ist: sie wurde auch wegen der bevorstehenden Besetzung durch die deutsche Armee, die einen Tag später in Tallinn folgte, vollzogen. Deutschland war zu diesem Zeitpunkt der Hauptgegner. Der spätere estnische Präsident Konstantin Päts landete danach für Monate in einem deutschen Internierungslager in Polen.
Wenn also der Nationalstaat noch nicht überall verbreitet war, wer war gerade am Zuge? 1905 Norwegen. Nach Kriegsgefahr Trennung von Schweden. Island, 1918 Trennung von Dänemark. Finnland, 1917 Trennung vom Russischen Reich. Tschechoslowakei, 1918 Trennung bzw. Auflösung von Österreich-Ungarn. Jugoslawien, 1918 ehemals Teil Österreich-Ungarns. Irland 1922, Trennung von Großbritannien. Die Liste lässt sich fortsetzen. Bis in jüngste Zeit.
Foto: Auch estnische Offiziere dienen in der russischen Armee vor der Revolution 1917.

Mittwoch, Februar 17, 2010

Endspurt


The Final Sprint
Originally uploaded by Kyler Storm
Es gibt nicht viele Aufnahmen mit CreativeCommons-Lizenzen von der Olympiade und von estnischen Athleten. Hier ein Foto aufgenommen von Kyler Storm beim Frauenbiathlon. Kristel Viigipuu auf dem Weg ins Ziel. Noch 200 Meter.

Selbstgemachte Fotos von der Olympiade dürfen nur privat und vor allem nicht kommerziell verwendet werden. Deshalb ist das hier erlaubt. Der Rechteinhaber kommt selbst aus Vancouver.

Dienstag, Februar 16, 2010

Silber in Vancouver

Zwischen den vielen Skandinavierinnen hat Kristina Šmigun-Vähi Silber im 10km Freistil des Skilanglaufs bei den Winterspielen in Kanada gewonnen.

Hier ein Auszug aus Wikipedia zu ihrer Biografie, dort ist auch später zu lesen, dass sie erst vor kurzem eine Babypause hatte:

Ihr Vater Anatoli Šmigun, der seine Töchter trainiert, ist Russe, daher der für Estland ungewöhnliche Familienname. Ihre Mutter Rutt Rehemaa ist Estin. Beide waren erfolgreich im nordischen Skisport. Anatoli Šmigun ist unter anderem zweifacher Junioreneuropameister von 1972 und war von 1974 bis 1978 Mitglied der sowjetischen Skilanglauf-Mannschaft.[1] Somit war die sportliche Laufbahn der beiden Töchter quasi vorbestimmt. Beide begannen früh mit dem nordischen Skisport. Ihre Cousine Jana Rehemaa und ihr Cousin Aivar Rehemaa sind bzw. waren ebenfalls aktive Skilangläufer. Kristina Šmigun-Vähi war des Weiteren eine talentierte Läuferin und wurde 1990 estnische Juniorenmeisterin im Crosslauf. Die zweisprachig aufgewachsene Estin, die über gute Englischkenntnisse verfügt und 2007 ein Studium der englischen Sprache in den USA begann, fungiert auf Siegerpressekonferenzen bei Bedarf als Übersetzerin für ihre russischen Kontrahentinnen.

In ihrem Heimatland ist Kristina Šmigun-Vähi eine Nationalheldin.

Samstag, Februar 13, 2010

Visa für Europa

Viele russische Bürger haben Probleme Visa für EU-Europa zu bekommen. Die geforderten Papiere sind umfangreich, die Hürden für das Reisen relativ hoch.
Michael Schwirtz in der New York Times berichtet darüber.
Journey Through Paperwork Greets Russians Hoping for a European Getaway
Und dort stehen einige Klagen aufgelistet:
Albina L. Marshalkina, a 70-year-old pensioner, traveled by slow economy trains two days to Moscow from her home Veliki Novgord to apply for a visa at the Estonian Embassy. The train ride, along with piles of paperwork, fees and a weeklong wait for a visa now separate Ms. Marshalkina from her daughter and grandchildren in Estonia. A tense political relationship between Estonia and Russia has made any unilateral easing of the visa process unlikely.

Und da Moskau gut mit Auslandskorrespondenten bestückt ist, erfahren wir nun von diesen Gemeinheiten.
Aber Rückblende: Europa hat die baltischen Bürger genauso behandelt. Jahrelang. In den 90ern habe ich dutzende Einladungsschreiben verfassen und für Gäste aus dem Baltikum bürgen müssen. Da kam schon Wut auf. Aber in der Öffentlichkeit war das nie ein Thema in den 90ern, das freie Reisen für Esten, Letten und Litauer.
Meine Meinung zu den russischen Visaproblemen. Ärgerlich aber normal. Das hat nicht viel mit dem Verhältnis Estland Russland zu tun. Eher mit normalem EU-Verhalten nach außen. Man muss das nicht gut finden.

Dienstag, Februar 09, 2010

Ski Festival in der Türkei

Sie sind halt ziemlich aktiv, die estnischen Diplomaten in der Türkei. Anders kann ich mir die relativ häufige Berichterstattung des Estnischen Aussenministeriums von dort unten nicht erklären.
Ob es bei diesem Festival in Bolu Glühwein gab ( oder handelt es sich hier um eine regionale Spezialität zum Essen?) vermag ich nicht zu sagen.
Nebenbei gab es auch noch was zum 92. Jahrestag der Unabhängigkeit Estlands. Die Republik Türkei ist wenige Jahre jünger, fällt aber in die gleiche Geschichtsperiode.


Und wenn wir schon dabei sind. Ich habe das Gefühl, viele meinen, 92 Jahre sei jung. Tja. Deutschland hat in der gleichen Zeit das Ende des Kaiserreichs erlebt, die Weimarer Republik, das Dritte Reich, einen Anschluß, die DDR samt Vereinigung und die Bundesrepublik Deutschland, etwas mehr als 60 Jahre alt. So ist das.

Donnerstag, Februar 04, 2010

Die öffentliche Sache, Res Publica und Vaterlandsunion

Erst vor knapp vier Jahren hatten sich Res Publica und Isamaaliit (Vaterlandsunion) vereinigt. Res Publica, 2001 als neue „saubere“ politische Kraft gegründet, hatte 2003 die Parlamentswahlen überzeugend gewonnen, um das ihr vom Wähler entgegengebrachte Vertrauen zügig zu verspielen. Es folgte die Vereinigung mit der Partei Mart Laars, die seit der Unabhängigkeit an vielen Regierungen beteiligt gewesen ist; er selbst war zwei Mal Regierungschef.

Trotz der Vereinigung und eines relativen Erfolges – die Partei ist immerhin an der derzeitigen Regierung beteiligt – ist der innerparteiliche Konflikt zwischen den beiden alten Parteien nie ganz beigelegt worden. Das belegte erneut der jüngste Parteitag. Mart Laars Wiederwahl als Parteivorsitzender stand zwar außer Zweifel, aber um die Positionen der drei Stellvertreter kam es zu Kampfkandidaturen. Dabei kristallisierten sich drei Faktionen heraus.

Die erste Gruppe sind die alten Vertreter der Vaterlandsunion, auch Pullover-Nationalisten genannt wie Bildungsminister Tõnis Lukas und der scheidende Generalsekretär Margus Tsahkna. Die zweite Gruppe sind die sogenannten „Unkäuflichen“ um Parlamentspräsidentin Ene Ergma und den früheren Res Publica Regierungschef und gegenwärtigen Wirtschaftsminister Juhan Parts. Parts war vor seiner eigentlichen politischen Karriere Chef des Rechnungshofes gewesen, was seine damalige Popularität begründete. Die dritte Gruppe sieht sich selber als „Gemeinschaftsparteiler”, die also gerade diese Trennlinie überwinden wollen. Wichtigster Vertreter ist Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo, der auch auf eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere zurückblicken kann. Er war zur Jahrtausendwende einige Jahre Rektor der Universität Tartu. Landwirtschaftsminister Helir-Valdor Seeder bezeichnete letztere Gruppe als karriereorientierte Neuankömmlinge, die Aviksoo eigentlich nur als Sprungbrett für sein eigenes Fortkommen benötigt. Die betreffenden Parteifreunde seien zu einem großen Teil früher in den Vorgängerparteien der Vaterlandsunion bereits gewesen seien. Und in der tat war Aviksoo vor seiner Amtszeit als Hochschulrektor in der Reformpartei aktiv.

Juhan Parts wurde schließlich mit dem besten und Ene Ergma mit dem zweitbesten Ergebis gewählt, während Jaak Aaviskoo seine Niederlage einräumen mußte. Den dritten Stellvertreterposten erhielt der „Pullover-Nationalist” Tõnis Lukas.

Vertreter aller drei Faktionen betonten während des Parteitages die Geschlossenheit der Partei und begrüßten deren Erfolge. Zum Parteitag waren 2.000 Mitglieder erschienen.

Tõnis Lukas äußert jedoch auch Zweifel über die stürmische Entwicklung der jüngsten Zeit. Erst kürzlich war mit dem Beitritt des Bürgermeisters von Kärdla auf Hiiumaa das 9.000 Mitglied offiziell aufgenommen worden; zehn Tage später sei die Mitgliedszahl bereits auf 9.500 gestiegen. Das werfe Fragen auf.

Mart Laar betonte in seiner Rede, die Partei habe sich lange mit den großen Problemen beschäftigt und zu wenig mit den Menschen gesprochen. Die so entstandene Politikphobie in der Bevölkerung müsse nun überwunden werden. Den einfachen Menschen interessiere es eher, ob er im kommenden Jahr noch einen Arbeitsplatz habe. Mehrfach wurde vom „hooliv konservatism”, dem sorgenden Konservatismus gesprochen. Margus Tsahkna betonte, Ziel der Partei sei es, niemanden auf dem Weg alleine zu lassen, „kedagi ei jäeta maha”.

Nächstes Jahr sind in Estland die nächsten turnusmäßigen Parlamentswahlen.

Dienstag, Februar 02, 2010

Estnischer Winter

Im Januar gab es in Estland bereits Schlagzeilen über einen Rekordniederschlag, Estland in weiß. Jetzt hat der Landrat von Hiiumaa angekündigt, die Umstände seien günstig, bald die Eislandstraße zu eröffnen.
Es ist in Estland nichts Neues, daß die Ostsee zwischen dem Festland und einigen Inseln so weit zufriert, daß eine Querung mit dem Auto möglich ist. Seit einigen Jahren werden sogar Verkehrsschilder aufgestellt, die vor der Gefahr von Auffahrunfällen warnen und ein Höchstgewicht von zwei Tonnen zulassen. Einstweilen, so das Straßenverkehrsamt, ist eine Querung auf nicht ausgewisenen Routen durchaus noch gefährlich.
Wegen der geringen Wassertiefe mußte die Fähre auf der Strecke Kuivastu-Virtsu zwischen Hiiumaa und dem Festland einen Umweg in Kauf nehmen, um die Eisdecke nicht zu sehr zu zerstören.
Geöffnet ist bereits die 2,9km lange Strecke zwischen Haapsalu und Noarootsi über eine Bucht der Ostsee.