Estland braucht keine EU-Bürokratie! Solche Sprüche waren 2003 vor dem EU-Referendum von estnischen EU-Gegnern zu lesen und zu hören. Der estnische Wirtschaftsaufschwung werde nur von der lahmen EU behindert, so selbstbewußte estnische Wirtschaftsgurus damals. - Heute schwimmt nicht nur Estland mitten in der Banken- und Finanzkrise, und manche Experten sagen auch, kleinere Länder hätten ihre Währungen schon längst erheblich abwerten müssen ohne den Schutz der EU (siehe Island). Gespannt blicken wir also auch nach Estland und hoffen vielleicht insgeheim wieder auf estnische Kreativität und Erfinderreichtum. "Die Krise erfasst jetzt Osteuropa", titelt zum Beispiel der ARD-Börsenbericht, und bezeichnet die baltischen Staaten als neben Ungarn am stärksten von der Finanzkrise betroffenen Regionen. Ein Einschätzung der Financial Times pflichtet dem bei, und nennt ein hohes Leistungsbilanzdefizit und den Einfluß krisengeschüttelter skandinavischer Banken als Gründe.
Aber es gibt dem auch scheinbar wiedersprechende Meldungen. Angeblich sollen doch gerade die fallenden Immobilienpreise ein deutliches Zeichen überzogener Erwartungen sein? "Neues Luxus-Ferienresort an der estländischen Küste" meldete Gewerbeimmobilien24 gestern. Gleiches meldet "Cash-online" (schöner Name, angesichts der Milliarden-Stützungssteuergelder für die Banken!). Zugegeben wird allerdings, dass Baubeginn der Projekte erst 2009 sei. Ein Vier-Sterne-Hotel, Luxus-Eigentumswohnungen und -villen sollen entstehen - und wo? Gerade dort, wo manche deutschen Reiseführer sogar bisher von einem Besuch abgeraten haben: in der Region Narwa.
Nun ist plötzlich von "Grundstücken in attraktiver Küstenlage" die Rede, von "Medical-Spa-Bereichen" mit über 7.000 qm und Hotels mit Luxus-suiten. Aber der Estland-Freund wird vielleicht spätestens spätestens bei der Ortsbeschreibung stutzen: "Narva-Jõesuu, ein von Russen wie von Estländern gleichermaßen beliebter Ferienort", so preist es das Immobilienportal. Wird hier noch schnell angepriesen, was nachrichtenmäßig noch nicht in der letzten Ecke Estlands angekommen ist? Die IGP Ingenieur AG aus Berlin ist bei diesem Projekt Auftragnehmer eines Investors aus St.Petersburg (Novost-info nennt Andrej Katkov als für das Projekt verantwortlichen Unternehmer, und bezeichnet diesen als Vertrauten von Präsident Putin). Oder retten nun wirklich die Russen das estnische (und nebenbei das deutsche im Ausland tätige) Baugewerbe?Dass Bauplanungen der IGP momentan nicht überall vorankommen, zeigt zum Beispiel ein Bauprojekt in Wattenscheid (Bericht Emsdettener Volkszeitung 5.10.08). Sogar bei den neuen Luxusbauten Moskaus soll es neuerdings Baustopps geben. Oder, wie bei einem Bauprojekt in Berlin-Lichtenberg, dort dauerte es schlappe 10 Jahre bis aus einem begonnenen Projekt und einer langjährigen Bauruine dann doch noch (durch die IGP) eine Luxusanlage wurde (Bericht Berliner Morgenpost 27.06.08). Also: Krise, welche Krise? Irgendwelche Reichen, die hübsch abgeschirmt schick Urlaub machen wollen, werden schon übrig bleiben, auch in Estland!
Für Investoren, die noch "flüssig" sind:
Webseite Narva Jõesuu Spa
Wohungen kaufen in Narva-Jõesuu
Virumaa.ee
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