Dienstag, Juni 14, 2005

Wikipedia - Erster Weltkrieg im Osten

Jetzt, da das Thema Erster Weltkrieg aus deutscher Sicht angeschnitten ist, einige Gedanken zur Ostfront im geschichtlichen Gedächtnis. Ein lesenswerter Auszug dazu aus den aktuellen Wikipedia-Einträgen zum Ersten Weltkrieg:

Die „vergessene“ Front: Zur Ostfronthistoriografie des Ersten Weltkrieges

Dieser Abschnitt soll einen kurzen Überblick über die Historiografie der Ostfront, mit Blick auf das Land Ober Ost, geben. Sucht man in den Geschichtsbüchern des 20. Jahrhunderts nach Beschreibungen der Ostfront zwischen 1915-1918, findet sich zwar Material, doch beschränken sich diese Darstellungen fast ausschließlich auf den militärischen Ablauf und die strategischen Erwägungen des Krieges im Osten. Literatur mit dem Schlagwort Ober Ost im Titel ist kaum vorhanden. In Darstellungen zur deutschen Ostpolitik wurde Ober Ost höchstens kurz erwähnt oder ganz ausgelassen.

Die erste umfassende und gute Darstellung der Geschehnisse an der Ostfront lieferte der Engländer Norman Stone im Jahre 1975 mit seinem Buch The Eastern Front 1914-1917. Stone betont die Wichtigkeit der Schlachten an der Ostfront für den militärischen Gesamtverlauf des Krieges und es gelingt ihm, einige interessante Schlussfolgerungen zu ziehen. Er beschränkt sich aber nicht auf eine Rekonstruktion der ereignisgeschichtlichen Ebene des Krieges im Osten, sondern dekonstruiert auch den bis dato vorherrschenden Mythos eines wirtschaftlich gelähmten Russischen Reiches. Er belegt, dass sich das Zarenreich in einer für russische Verhältnisse noch nicht da gewesenen Phase wirtschaftlichen Aufschwungs befand. Die Schwäche Russlands liegt für Stone vielmehr in der veralteten Administration, welche schließlich in Materialknappheit und in eine ineffiziente Armee mündete. Über die deutsche Besatzung sowohl auf dem Gebiet der heutigen EU- Staaten Litauen und Lettland als auch auf Teilen Weißrusslands, schweigt sich Stones Darstellung gänzlich aus.

Damit steht er allerdings nicht allein da. Immer noch sind „Verdun“, „Somme“, „Grabenkrieg“, „Stellungs- und Gaskrieg“ charakteristische Schlagwörter und gleichzeitig die ersten Assoziationen zum Ersten Weltkrieg. Allerdings beschreiben diese nur den Westen. Die Zustände an der Ostfront werden kaum charakterisiert. Kriegsromane wie Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" verklärten dieses Bild weiter und so lag die Ostfront nicht im Fokus der westlichen Weltkriegsforscher. Felix Kellerhoff, Journalist für „Die Welt“, trifft mit der Formulierung, „aber wer weiß schon, dass es die relativ gesehen höchsten Verlustraten dieses Völkerschlachtens keineswegs im Stellungskrieg in Belgien und Ostfrankreich gab, sondern in der Karpatenschlacht?“, ziemlich genau den Kern des Problems.

Seit Stones Ausführungen dürfte klar sein, dass sich der Krieg im Osten markant von den Ereignissen an der Westfront unterschied. Als im Westen die Fronten bereits erstarrt waren, herrschte im Osten immer noch eine von Bewegung geprägte Kriegführung vor. Die Gründe hierfür liegen bei den spärlichen Kommunikationsmöglichkeiten und der schlechten Verkehrserschließung der Ostfront. Folglich konnten aufgebrochene Lücken in den Verteidigungslinien lange nicht so schnell gefüllt werden, wie dies in Frankreich der Fall war. Die räumliche Ausdehnung der Ostfront mit mehreren tausend Frontkilometern, ganz abgesehen von den landschaftlichen Unterschieden, kontrastierte mit der Westfront und ihren 630 Kilometern Frontlinie.

Erst in den neueren und neuesten westlichen Darstellungen und Forschungen zum Ersten Weltkrieg erscheint die Ostfront zunehmend auch als Thematik. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MFGA) in Potsdam führte im August 2004 eine Konferenz über „Die vergessene Front“ durch. Führende Militärhistoriker aus acht Ländern kamen dort zusammen. Unter anderem war auch der US-amerikanische Historiker Vejas Gabriel Liulevicius auf dieser Konferenz dabei. Mit seinem Buch Kriegsland im Osten, lieferte er 2002 die erste umfassende westliche Darstellung der deutschen Besatzungsherrschaft im Baltikum während der Zeit des Ersten Weltkriegs Ober Ost und markierte so eine Forschungslücke.

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