Die Veränderung liegt allerdings nicht nur in zähen Koalitionsverhandlungen. Fast ebenso einschneidend war eine schwere Krankheit des Tallinner Bürgermeisters und Vorsitzendem der Zentrumspartei, Edgar Savisaar. Die Pressestelle der Uniklinik Tartu sprach von einer "Infektion" (mit Streptokokken), und als Folge musste Savisaar ein Bein teilweise amputiert werden (ERR). Die Zentrumspartei hatte bei den Wahlen am 1.März 24,8% der Stimmen und 27 Sitze errungen - einer davon ging mit einer Rekordzahl von 25.057 Stimmen an Savisaar. Zum Vergleich: Regierungschef Taavi Rõivas vereinigte 15.881 Stimmen auf sich (siehe estn. Wahlkomitee).
Nun wird bereits darüber spekuliert was nach einem möglichen Rückzug Savisaars aus der Politik passieren könnte.
Drei Wochen lang mühte sich Taavi Rõivas (Reformpartei), vier Parteien in die Gespräche einzubeziehen: die beiden bisher regierenden Reformpartei und Sozialdemokraten, die konservative IRL (Pro-Patria- und Res-Publica-Union), und auch die neu gebildete "Freiheitspartei" (Eesti Vabaerakond). Sollten sich bisher drei als unausweichlich unverzichtbare Partner der Reformpartei gesehen haben - denn die Zentrumspartei schlossen ja alle als Regierungspartner aus - so könnte sich das nun, mit möglicherweise neuer Führung der Zentrumspartei auch ändern. Einerseits könnten sich mögliche Partner der Reformpartei veranlasst sehen, für ihre "Treue" mehr zu fordern. Andererseits steht die estnische Parteienlandschaft möglicherweise an der Schwelle zu unerwarteter Flexibilität und Veränderung.
Steht diese Dame möglicherweise bald schon "zwischen" diesen beiden Herrn? (vlnr: Taavi Rõivas, Kadri Simson, Sven Mikser) |
Ein Rücktritt von Savisaar könnte aber auch zur Bildung einer neuen, möglicherweise radikal pro-russischen Partei führen, meinen einige. Andere spekulieren bereits jetzt über ein mögliches vorzeitiges Ende der Koalition, die jetzt erst noch gebildet werden muss. Die Zentrumspartei dem gegenüber nominierte Franktionschefin Kadri Simson als vorläufige Parteichefin - eine Idee, die einige Parteimitglieder schon vor den Wahlen gerne vollzogen hätten.
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