Franz Josef Jung ist seit seinem ruhmlosen Abgang als Bundesverteidigungsminister nicht mehr sehr oft in den Schlagzeilen. Kurz wurde sein Name als einer der wenigen Unterstützer der Berufsvertriebenen Erika Steinbach genannt, also von jener Fraktion, die gerne die gestrigen Sicht- und Deutungsweisen der Geschichte wieder einführen möchte.
Ex-Minster Jung empfing in diesen Tagen einen jungen Esten namens Rihards, und die hessische Lokalpresse berichtete. "Ein Este in Trebur" - so wie es "Echo-Online" schreibt - ja, das könnte auch beinahe schon ein Romantitel sein.
Doch wo liegt Trebur? In Südhessen also. Dort, wo man in der Schule noch mit Papier und Stift schreibt, so kommentiert der junge Este gegenüber der Lokalpresse (ob diese es in den Schreibblock oder in den Laptop notiert, ist nicht überliefert). In Estland werden die Hausaufgaben mit Laptop und Internet erledigt,meint Rihards.
Ein weiterer Berichterstatter der Lokalpresse ist offenbar vom Sportteil entliehen: es werde wohl schwierig werden für Rihards, Freunde zu finden, meint die "Main-Spitze". Die Begründung ist interessant: "... da Rihards kein Mannschaftssportler sei." Seit 13 Jahren fährt Rihards aber Motocross, so ist im gleichen Beitrag zu erfahren. Also seit er 5 Jahre alt ist. Ein Jahr soll Rihards in Deutschland bleiben, aber das Motocross-Fahren haben ihm die Deutschen gleich mal verboten. Ein Motocross-Gelände ist wohl in der Nähe, aber das wird ihm wenig helfen (beim Freunde-Finden?). Fahren aus versicherungstechnischen Gründen verboten, hieß es dort angeblich. In der estnischen Motorsportpresse ist Rihards jedenfalls schon längst ein Thema.
Aber statt dem 18-Jährigen (!) nun über diese offenbar ziemlich bürokratischen deutschen Hürden zu helfen, tut man was? Man führt ihn ins Büro von Franz Josef Jung. Dieser habe angeblich "die Patenschaft übernommen". Und was macht so ein Polit-Pate? Na klar, beim Termin mit der Lokalzeitung Sätze von sich geben wie "Europa wächst zusammen." (ansonsten sind die Rahmenbedingungen für den Schüleraustausch bei "Youth for Understanding" nachzulesen). Oder verbirgt sich hier vielleicht ein Programm zu Ko-Finanzierung solcher Schulaustauschprogramme? Praktische Hinweise Fehlanzeige.
Rihards, verzeihe es uns. Ich kann nur hoffen, in Südhessen gibt es noch interessantere Dinge zu erleben als für die Interessen anderer ins öffentliche Schaufenster stellen zu müssen. Aber eine Möglichkeit bleibt ja: aufmerksam die Lokalpresse lesen.
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