Die Mitsommernachstfeiern fallen seit den 30er Jahren mit einem Gedenktag zusammen. Dem Tag des Sieges der Esten ueber die Deutschen 1919 in Lettland. Stop! Das ist so in dieser vereinfachten Version auch nicht richtig, meint Peteris Cedrins und hat sich die Muehen gemacht alte Buecher durchzugehen, aus Quellen zu sammeln, die man so im Internet nicht finden kann. Ausserdem erfaehrt man, dass Lettland anders als Estland etwa 37 % der Bevoelkerung waehrend des 1. Weltkrieg verlor. Hier eine Fotopostkarte, die Fluechtlinge in Lettland auf dem Weg nach Norden oder Osten zeigt.
Peteris Cedrins Post:
Heroes' Remembrance Day. Das ist der Gedenktag wie er auf Lettisch begangen wird.
Und wer die militaerischen Aspekte der Kaempfe 1919 genauer wissen moechte:
Freikorps and Estonia 1919 aus einem Diskussionsforum.
Einer der wenigen deutschsprachigen Texte, die sich mit dem Võidupüha im Internet befassen ist
diese historische Abhandlung von Karsten Brueggemannn:
Estnische Erinnerungsorte: Die Schlacht von Wenden gegen die Baltische Landeswehr im Juni 1919 als Höhepunkt der nationalen Geschichte
Ja, jede nationale Ideologie braucht ihre Legende ... Nach meinen Eindrücken fehlt es jedoch nicht an Esten, die es besser wissen. Festhalten darf man an dieser Stelle womöglich, daß die Landeswehr mindestens zu diesem Zeitpunkt keinen wirklichen Gegner mehr darstellte, die "Schlacht bei Wenden" also für die "Sieger" kaum eine militärische Großtat darstellt, und daß die Balten (im späteren Sprachgebrauch die Deutschbalten) in Estland loyal für die estnische Regierung gekämpft haben, und das bereits zu einem Zeitpunkt, als die Mehrheit der Esten noch unentschlossen gewesen sein dürfte, ob der Kampf gegen die Bolschewiken lohnt. Gegen ihre "eigenen" Barone haben die estnischen Truppen also keinen Sieg errungen, sondern sie hatten ihnen (und den finnischen Freiwilligen) Einiges zu verdanken. Wer auf dem Domberg spazieren geht, findet mit etwas Glück das Denkmal für das Baltenregiment.
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AntwortenLöschenna gut, aber in der damaligen Zeit hat man diese angebliche "Schwäche" der Freikorpstruppen doch nicht ahnen können, angesichts dessen, was die sich für die (deutsche) Kolonisierung der baltischen Lande alles so vorgestellt hatten (siehe die Schriften General von Goltz). Nicht umsonst versuchten sie in Lettland das Kabinett Niedra zu installieren. Und sie sind ja auch nicht "zufällig" bei Wenden besiegt worden, sondern hatten noch eigene militärische Ziele im Visier (allerdings erfährt man das nicht aus der Selbstdarstellung der Freikorps, der Landeswehr, und auch in mancher Darstellung der Deutschbalten wird dieses Kapitel leider weggelassen).
AntwortenLöschenErst durch die Niederlage gegen diese lettisch-estnischen Verbände wurden diese Pläne endgültig gestoppt - egal, ob sich die Esten und Letten nun schon bewußt waren was sie wollten oder nicht.
Ich meine, damit tut man den estnischen Truppenführern und dem damaligen Stand der Aufklärung (erste Aufgabe im Gefecht) Unrecht - die dürften schon gewußt haben, daß es mit den "Erobereren von Riga" nicht mehr weit her ist und sie vom Zahlenverhältnis und vom allgemeinen Zustand her weit überlegen waren... Ohne nähere Kenntnis der Schriften von Goltz sei hier außerdem angemerkt, daß wenigstens der Großteil der mit dem Land vertrauten Balten die "reichsdeutschen" Träume nicht geteilt hat. Jedenfalls zu dem bewußten Zeitpunkt dürfte davon keine Rede mehr gewesen sein, und auch vorher waren diese Vorstellungen vielen eher unheimlich, standen bei den Besonneren und Verantwortlichen Ideen einer Teilung der Verantwortung mit den Esten und Letten höher im Kurs. Hier gilt das Gorbatschowwort von der Verspätung.
AntwortenLöschenDas sind meiner Meinung nach zwei verschiedene Dinge - die angebliche "Schwäche" der Freikorps, die sie nicht daran hinderte, gegen alles zu marschieren was sich ihrem deutschen Dominanzgebahren in den Weg stellte, und der letzte Rest von Ansehen, was die Deutschbalten in Estland / Lettland damals noch hatten.
AntwortenLöschenWas sollen denn die Esten "besser wissen"?
Was die Deutschbalten meinten, sich an Liberalität vor dem 1.Weltkrieg leisten zu können, läßt sich bei Paul Schiemann nachlesen (aus dessen langjähriger journalistischer Tätigkeit). Als Schiemann sich schon im Oktober 1918 ein Zusammengehen der Deutschbalten mit den Esten und Letten wünschte, bekam er jedenfalls aus deutschbaltischen Kreisen nichts als Anschuldigungen. Schiemann: "Ich hatte gehofft, dass es den Letten und Esten vielleicht auch ohne Deutschland gelingen könnte, ihre Pläne zu verwirklichen. Aber das würde natürlich zur Folge haben, daß ein dauernder Stachel in den dortigen Völkern sitzen bleibt und die künftigen Beziehungen unerfreullich macht." (aus Schiemann, "Zwischen den Zeitaltern", Erinnerungen 1903 - 1919).
Und von Goltz und seine Eskapaden setzten dem dann in den Folgemonaten noch die Krone auf. Vielleicht wird die Bedeutung der Schlacht bei Cesis heute von manchen Kreisen heute etwas übertrieben - okay. Es sollten sowieso lieber die Taten im Frieden für die Völker sprechen. Aber der Gang der tatsächlichen Ereignisse prägten auch damals schon die Einstellungen.
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AntwortenLöschenIn den Militaerschulen im Russischen Reich, im Baltikum, gab es eine antideutsche Stimmung 1914. Gegen das Deutsche Reich gerichtet. Davon habe ich sogar noch Originalstimmen gehoert. Wie mehrheitlich diese Haltung war, kann ich nicht beurteilen. Wer jung genug war und auf die hoeheren Schulen zum Beispiel in Tallinn ging, wurde mitunter Offizier der Russischen Armee. Dazu gehoerten viele deutsche Schueler, aber auch Esten. Und sie dienten bis 1917 in der Russischen Armee. Hauptgegner Deutschland. In diesen Kreisen scheint kaum Begeisterung fuer die Revolution geherrscht zu haben. Die Esten jedenfalls wurden dann in die eigene Armee Ende 1918 einbezogen, und da waren Offiziere stark gefragt. Sie hatten die meiste Erfahrung fuer den Aufbau einer neuen Armee.
AntwortenLöschenPeteris Cedrins hebt den Anteil der Letten am Sieg in Cesis/Wenden hervor, waehrend eine der Beitraege im Forum ueber die deutschen Korps doch ihre Staerke herausstreicht und da wiederum den Anteil ebenfalls an Letten erwaehnt.
Was ich auch daraus lese, ist der noch nicht zufriedenstellende Forschungsstand ueber die Militaergeschichte der Jahre 1918-1920 im Baltikum.