Ökolandbau in einem so weit nördlich liegenden Land wie Estland? Ja, geht denn das? Solche Fragen südlicher orientierter Öko-Freaks, die eher naturbelassenes Olivenöl oder Ökowein aus Südeuropa konsumieren, kann nun ein neuer Bericht des Vereins EKO-CONNECT mit Sitz in Leipzig beantworten.
Überraschend große Bedeutung
Estland, das Land was gleich nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit die meisten der Subventionen für die Landwirtschaft erst einmal abschaffte, steht heute mit dem - nach Tschechien - "höchsten Öko-Flächenanteil in Mittel- und Osteuropa" da. "Beachtliche 6,0 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche, über 58.000 ha (inkl. Umstellungsflächen), werden zurzeit biologisch bewirtschaftet," so fasst es die neue Ausgabe des Informationsrundbriefs von EKO-CONNECT zusammen.
Von Rindern, Schafen und grünem Gras
Weiterhin stellen die Ökolandbau-Fachleute fest, dass zu Zeiten der Sowjetunion die estnische Landwirtschaft noch sehr stark auf die Produktion von Fleisch und Milch konzentriert war. Bei der Milchproduktion hat sich das in sofern gehalten, als dass die beiden größten Biobetriebe Estlands auch Milchproduktion betreiben und jeweils etwa 850ha Fläche bewirtschaften.
Trotz des hohen Grünlandanteils von insgesamt 81,8 % haben aber weniger als zwei Drittel der Biobetriebe eine Tierhaltung (63 %). Dabei werden Rinder und Schafe am häufigsten gehalten.
Bereits ein Drittel der estnischen Schafproduktion erfolgt nach ökologischen Richtlinien.
(Abbildung: aus einer Ausstellung des "Eesti Rahva Muuseum", historisches Foto von 1913 der Getreideernte auf Saremaa)
Bei uns ist doch eigentlich alles Öko, oder?
Viele werden die Aussagen von Esten aus der Zeit des politischen Umbruchs kennen, als man naturnahe Flächen und den Verzicht auf Pestizide und Herbizide im ländlichen Estland vielfach schon als "ökologisch" bezeichnete. Damals fehlten natürlich ein eigenes Ökosiegel und die Qualitätskontrolle. Heute sind die meisten der 1013 estnischen Bio-Betriebe in den Verbänden Estonian BioDynamic Association (EBA) und die Estonian Organic Producers Union organisiert. Die EBA wurde bereits 1989 gegründet und organisierte die ersten Ökolandbaukurse in Zusammenarbeit mit skandinavischen und deutschen Kollegen. Die Estonian Organic Producers Union besteht seit dem Jahr 2000 und bemüht sich vor allem darum, das Angebot größerer Betriebe für die Vermarktung zu bündeln.
Langsamer Start, aber erfreuliche Entwicklung.
In den 90er Jahren ging die Entwicklung des Ökolandbaus in Estland noch sehr schleppend voran, so bestätigt auch der Bericht von EKOCONNECT. Erst seit Ende der 90er Jahre wurden auch staatlicherseits konkrete Fördermaßnahmen ergriffen, trotzdem gab es 1999 erst 89 anerkannte Biobetriebe mit etwa 4.000 ha Gesamtfläche. Inzwischen ist ein Ökobauernhof in Estland durchschnittlich 58ha groß. Ab 1997/98 gelang es, auch die staatlichen Verantwrotlichen wieder für den Ökolandbau zu begeistern. Mit dem Bio-Logo "Mahemärk" wurde ein Förderprogramm geschaffen, und seit 2001 ist das Bio-Gesetz (Estonian Organic Farming Act) von 1997 an die entsprechenden Regelungen der EU angepasst worden. Im Gegensatz zu vielen anderen EU Ländern wird die Kontrolle von Öko-Erzeugern, -Verarbeitern, -Händlern und -Gastronomen, wie in
Dänemark, seit 2001 von staatlichen Stellen durchgeführt. Die landwirtschaftlichen Betriebe werden vom Estonian Plant Production Inspectorate (PPI) kontrolliert. Kleine Betriebe bis 10 ha bezahlen 13 € pro Jahr, so berichtet EKO-CONNECT. Ab dem elften Hektar sei zusätzlich 0,32 € pro Hektar zu zahlen. Der maximale Gesamtbeitrag liege bei ca. 510 €. Bei Betrieben die sowohl ökologisch als auch konventionell wirtschaften, muss auch für die konventionellen Flächen Kontrollgebühr entrichtet werden.
Beratung und Hilfestellungen
Auch der Schulungs- und Beratungs-Sektor ist in Estland inzwischen gut entwickelt: Zwei
private Organisationen, das Centre for Ecological Engineering (CEET, 1992) und die Estonian Organic Farming Foundation (EOFF, 2001) unterstützen die ökologische Landwirtschaft durch die
Bereitstellung von Informationsmaterialien. Außerdem führen sie Infoveranstaltungen sowie
Weiterbildungsmaßnahmen für Umstellungsinteressierte und Ökolandwirte durch. Auch die moderne und gut ausgestattete landwirtschaftliche Universität (Estonian Agricultural University) in Tartu und einige landwirtschaftliche Fachschulen beschäftigen sich mit dem Ökolandbau (siehe auch den schon etwas älteren, aber ausführlichen Länderbericht von Ülle Roosmaa / Universität Tartu oder den von Merit Mikk - beide in Englisch).
Und wo sind die Ökobetriebe zu finden?
Der Schwerpunkt der Öko-Fläche liegt offensichtlich in den Extensivregionen im Westen und Süden Estlands. Ein Bespiel ist die Insel Hiiumaa, wo 117 Betriebe rund 70 % der Landwirtschaftsfläche ökologisch bewirtschaften. Relativ viele Betriebe gibt es auch auf Saaremaa und in den Bezirken Võru und Läänemaa.
Was gibt es noch zu tun?
Finanzielle Unterstützung gibt es in Estland aus einem speziellen Programm für Agrar-Umweltmaßnahmen - auch dazu lassen sich ein paar Zahlen aus dem Bericht von EKO-CONNECT entnehmen. Im Jahr 2004 lagen die Prämien für Ackerland bei 96,89 €/ha, bei 73,88 €/ha für Grünland und 240,56 €/ha für Garten- und Obstbau. Für die Umstellung und Beibehaltung des Ökolandbaus seien die gleichen Beträge gezahlt worden. Aber ein noch vorhandenes Manko erwähnt EKO-CONNECT auch: leider gibt es keine Unterstützung für Investitionsmaßnahmen, so dass eine Modernisierung für Ökobetriebe in Estland immer noch schwierig sei.
Weitere Informationen: EkoConnect - Internationales Zentrum für den Ökologischen Landbau Mittel- und Osteuropas e. V., Arndtstraße 11, 01099 Dresden. Tel. : +49 (0) 351 / 20 66-172, Fax: +49 (0) 351 / 20 66-174, Email : info@ekoconnect.org. Internet: www.ekoconnect.org
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