Aber diesmal der jüngeren Vergangenheit in dem gerade veröffentlichten Buch "The Hole -Another look at the sinking of the
Estonia ferry on September 28, 1994". Es geht auch um die ersten Jahre der wieder-errungenen Unabhängigkeit. Als Estland noch nicht Nato und EU-Mitglied war. Natürlich dreht sich der Inhalt von "The Hole" um den Schiffsuntergang der Estonia im Herbst 1994. Der Autor untersucht darüber hinaus die Lage, die internationalen Verwicklungen und dunklen Geschäfte, die zu einem recht düsteren Bild dieser Zeit führen. Es gab Waffenverkäufe, Militärschiebereien zwischen Schweden und Russland. Russische Soldaten waren noch bis zum Sommer 1994 im Land stationiert. Drumherum steckten mafiose Clans ihre Herrschaftsgebiete ab. Die Untergrundgeschäfte konnten als Beweis ausgelegt werden, dass Estland gar nicht fähig sei, seine Souveränität selbst auszuüben. Tatsächlich war sogar die junge estnische Armee noch ganz im Sinne der Sowjetzeit geführt. Und eines der Prinzipien dieser Zeit war die Willkür. Als der Oberbefehlshaber ein Este aus den USA wurde, bestand eine der Hauptaufgaben darin, die Truppe in einen demokratischen Staat einzubinden. Einige unbelehrbare Offiziere wurden entlassen. Auch von dort gab es Widerstand. Die Verhältnisse, die Drew Wilson schildert, hinterlassen ein ungutes Gefühl. Waren die ersten Unabhängigkeitsjahre doch nicht so stabil? Dagegen wirkt die EU-Mitgliedschaft Estlands seit 2004 als scharfer Kontrast. Dass es damals Gründe genug für einen Zusammenstoß zwischen Esten und Russen gab, liegt auf der Hand. Aber es gab bekanntlich keine sozialen oder politischen Unruhen. Spielt hier vielleicht die Mentalität eine Rolle? Kristi Luik hat sie im City Paper einmal so beschrieben:
...
They [Estonians] don't smile and use their hands while talking but instead give you sidways glances and move their hands only to light and smoke cigarettes. They will not show it when they agree with what you are saying, so it is up to you to decipher whether that grumbling "mmmmm" in the back of their throats is a wholehearted endorsement or cutttinng indictment.
Estonians believe silence is golden.
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Eine der Folgen dieser Zeit ist die hohe HIV-Infektionsrate in Estland, wovon vor allem die russischsprachige Jugend betroffen ist. Birgit Johannsmeier hat darüber kürzlich im Deutschlandfunk berichtet. In den russischsprachigen Medien spielte lange Zeit Aids keine Rolle. Das gilt auch für Estland. Der kleine zugelassene Grenzverkehr im Osten bei Narva, eine beliebte Drogentransportstrecke, war mitverantwortlich dafür. Und das alles geschah zu einer Zeit als im Weseten noch über "neue Grenzen" in Europa lamentiert wurde. Gemeint waren auch die drei baltischen Staaten.
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