In deutschen Medien wurde in letzter Zeit eine spezielle estnische Serviceleistung angekündigt: angeblich wolle Estland Insassen von Gefängnisssen aus anderen EU-Ländern übernehmen. Schon Ende 2023 gab es einen entsprechenden Bericht über die Absicht von Großbritannien, Gefangene nach Estland zu verlegen. Von "Zellen anmieten" war da die Rede.
30 Millionen Euro Einnahmen für Estland?
Im Juni 2024 besuchte eine Delegation des Obersten estnischen Gerichtshofs das Deutsche Bundesverfassungsgericht, danach stieg auch die deutsche Presse auf das Thema ein: "Estland will Deutschland die Knackis abnehmen", so titelt die BILD. Und die Berliner Zeitung hat auch gleich eine Begründung parat: Estland brauche Geld für einen möglichen Krieg. Etwa 3000 Euro im Monat koste die Unterbringung eines Gefangenen in Estland, so zitiert die britische BBC die estnische Justizministerin Liisa Pakosta (Eesti200), die gleichzeitig bestätigte, dass britische Offizielle bereits ein Gefängnis in Tartu besichtigt hätten (andere Quellen sprechen von 90 Euro pro Tag). Während in Großbritannien die Regierung beinahe gezwungen sei, Inhaftierte wegen Überfüllung der Gefängnisse zu entlassen, seien in Estland die Anstalten nur zu 67% belegt - allerdings verfüge Estland auch nur über drei Gefängnisse für insgesamt 3041 Personen (Independent). Allerdings hat die britische Regierung bereits ein Informationspaket für den Fall bereitgestellt, dass es in Estland Gefängnisinsassen aus Großbritannien geben sollte.
Bedenken gegen Kriminellen-Import
Innenminister Lauri Läänemets (SDE) äußerte sich jedoch skeptisch gegenüber den Plänen, Gefangene ausländischer Staatsangehöriger in estnischen Sicherheitseinrichtungen unterzubringen. Er habe Bedenken, kriminelle Banden aus verschiedenen Ländern könnten sich hinter estnischen Gefängnismauern treffen, so weitere krmininelle Aktivitäten starten und Estland zu einem weniger sicheren Land machen, äußerte Läänemets gegenüber der estnischen "Aktuaalne Kaamera". (ERR)
Berichten zufolge könnten die drei Gefängnisse Estlands in Tallinn, Tartu und Jõhvi insgesamt etwa tausend zusätzliche Insassen beherbergen. Tartu wurde als wahrscheinlicher Bestimmungsort für den Großteil der im Rahmen des Plans zu vermietenden Gefängnisräume ausgewählt. Das Gefängnis in Tartu bietet derzeit Platz für 933 Insassen, aber eines seiner Gebäude mit 600 Plätzen wurde stillgelegt und die Auslastung beträgt jetzt nur noch 29 Prozent. (ERR)
Rait Kuuse, Leiter des estnischen Gefängnisdienstes, wies darauf hin dass nur vier Länder in Europa einen Rückgang von Gefängnisinsassen in Höhe von 5% aufweisen: Estland, Litauen, Irland und Griechenland. Als weitere Option im Hinblick auf eine Reform des Gefängniswesens in Estland sieht er aber auch die Möglichkeit, doppelt belegte Zellen zu Einzelzellen umzuwandeln. (ERR)
Die Delegation aus Großbritannien jedenfalls habe nach der Besichtigung des Gefängniskomplexes in Tartu einen guten Eindruck gehabt, betonte Justizministerin Pakosta (ERR).
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