Vorteil: die Pläne für den Standort in Paldiski lagen schon fertig in der Schublade.Schon seit einigen Jahren wird über ein Flüssiggas-Terminal an diesem Standort nachgedacht - aber bisher schien es zu teuer (siehe "Baltic Course"). Bauen soll es nun die estnische "Alexela"-Gruppe, bei der die Brüder Heiti und Marti Hääl eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Unternehmer Heiti Hääl ließ sich gleich mal zu der Aussage hinreißen: "Das sieht unglücklich aus, wenn erst ein Krieg die Notwendigkeit eines LNG-Terminals nachweisen muss." Und er behauptet gleichzeitig: "Das neue Terminal wird noch in diesem Herbst fertig sein." (err)
Diese Planungen bestätigte auch der estnische Wirtschaftsminister Taavi Aas. Estland wolle bezüglich des erforderlichen LNG-Spezialschiffes auch mit Finnland und Lettland zusammenarbeiten. (err / IR). Auch Litauen hatte sich vor Jahren zunächst gemeinsamen Planungen angeschlossen, dann aber, als es kaum konkrete Fortschritte gab, sich für ein eigenes LNG-Terminal entschieden (das 2014 fertiggestellt wurde). 2020 wurde auch das Projekt "Balticconnector" abgeschlossen - eine Gaspipeline zwischen Paldiski in Estland und Inkoo (Ingå) in Finnland.Estland verbraucht gegenwärtig etwa 5 Terrawattstunden Gas, zwei Drittel davon für Energieversorgung und Industrie. Am 7. April hatte die estnische Regierung beschlossen, bis Ende 2022 völlig auf den Bezug russischen Gases zu verzichten (valitsus.ee). Partner für den Bau des LNG-Terminals in Paldiski werden auch die Investmentgesellschaft "Infotar" und "Eesti Gaas" sein. In einem ersten Bauabschnitt soll zunächst eine Verbindung zwischen dem Schiffsliegplatz und der "Balticconnector"-Pipeline geschaffen werden. Die Pipeline-Infrastruktur wird vom staatlichen estnischen Gasbetreiber Elering bereitgestellt.Zunächst soll - als finnisch-estnisches Gemeinschaftsprojekt - ein schwimmendes Terminal angemietet werden, bevor in der zweiten Phase eine dauerhafte Lösung für das Terminal gebaut wird (mkm). Die Kosten für die Terminal-Infrastruktur, die im Herbst fertig gestellt werden soll, werden auf 40 Millionen Euro geschätzt. Ain Hanschmidt (Infotar) forderte aber auch eine staatliche Garantie zur Absicherung der Preisdifferenz zu russischem Gas, um das Projekt gegen eine (politisch mögliche) Rückkehr zur Versorgung mit russischem Gas abzusichern. (err) Die estnische Finanzministerin hatte bereits Pläne zu einem Ergänzungshaushalt in Höhe von 170-230 Millionen Euro vorgestellt (err)Schon im November 2021 hatte das LNG-Bunkerschiff «Optimus» der estnischen Energiegesellschaft Elenger seinen Betrieb aufgenommen - es dient der Betankung von LNG-getriebenen Fähren zwischen Tallinn und Helsinki und ist Teil einer wachsenden LNG-Infrastruktur. (Schiffundhafen / elenger)
Sorgen um die Umwelt jedenfalls scheinen bei dieser Diskussion keine Rolle zu spielen. In Deutschland wird ja viel über das umstrittene "Fracking"-Verfahren diskutiert (BUND / Umwelthilfe), wobei davon ausgegangen wird, dass ein LNG-Gas-Import eben auch das durch Fracking-Verfahren in den USA gewonnene Gas einbeziehen würde. Kritisiert wird unter anderem, dass schon die Verflüssigung von Gas 10-25% des Energiegehalts verbrauchen würde. Von dieser Seite wird auch bestritten, dass Deutschland einen LNG-Importbedarf habe - es wird darauf verwiesen, dass Deutschland die viertgrößte Gasspeicherkapazität der Welt habe. Allerdings ging diese Einschätzung noch von einem Bau der Nordstream-2-Pipeline aus. In der deutschen Diskussion wird "LNG-Gas" oft mit "Fracking-Gas" gleichgesetzt - so wie die Deutsche Welle am 29. März titelte: "Freiheit oder Klima-Selbstmord?"Aber Estland muss sich wohl kaum Sorgen um mögliche größere Proteste in Paldiski machen. "In Estland bestimmen immer noch weitgehend die Industrie und die großen Unternehmen die Tagesordnung", meinte Züleyxa Izmailova, die bis vor wenigen Wochen noch Vorsitzende der Grünen Partei Estlands ("Erakond Eestimaa Rohelised", die in Umfragen aktuell bei 1,7% liegen) war. "Und manche Leute glauben, wärmere Winter würden eben einfach ihre Heizungsrechnung verringern. ... Radikale Umweltschützer wie in Westeuropa gibt es in Estland so gut wie nicht." (err)