Wenn von einem "Modell Narva" die Rede ist, dann ist bisher meistens wenig Positives gemeint. Als Estland Anfang der 1990iger Jahre seine Unabhängigkeit wieder erlangte, wollten 1993 manche per Referendum die Stadt für "autonom" erlären.
Wer in Narva (Narwa?) estnisch sprechen möchte, muss außerhalb der eigenen Familie lange suchen: um die 95% sind russischsprachig, es wird viel russisches Staatsfernsehen geschaut. Blau, rot oder grau - das ist hier die Frage: die Menschen hier haben entweder den blauen estnischen Pass, den roten russischen, oder den grauen Pass der "Nichtbürger" - die aber doch Einwohner Estlands sind. Staatsbürger ohne Bürgerschaft - ein immer noch existierendes Absurdum.
Narva als Objekt des Medieninteresses: gelegentlich als "möglicher Konfliktherd mit Russland" benannt ("The Atlantic"), oder bildhaft "Wo der Westen endet" (Tages-Anzeiger), "Getrennte Zwillinge" (DRadio), oder auch "letzter Halt vor Russland" ("Westfälischen Nachrichten"). Nun hat in Narva ein "Haus der estnischen Sprache" (Eesti Keele Maja) eröffnet (err). Ob es den vielen Russischsprachigen beim Aufbau einer estnischen Identität helfen kann? Eine Devise scheint für das Projekt wichtig: alle Varianten des Estnisch-Lernens sollen kostenfrei angeboten werden. Die Initiatoren, darunter mehrere estnische Ministerien, stellten es bei der Eröffnung auch als Standortvorteil heraus, dass die neue Einrichtung direkt nebenan zu mehreren anderen Einrichtungen liegt: dem Kunstzentrum "Vaba Lava", dem Studio Narva des estnischen Rundfunks- und Fernsehens ERR, und einem "object business incubator".
Doch eines dürfte klar sein: auch wenn davon die Rede ist "lasst uns eine gemeinsame Sprache finden", dann dürfte hier nicht irgend eine beliebige Sprache gemeint sein. Gemeinsame Sprache Estnisch? Zur "Estonianness" ist es bisher immer noch ein weiter Weg.
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