Estland ist Internet - Tallinn ist Verkehrspolitik. Nein, das bedeutet nicht die Abwesenheit von W-lan und estnischen IT-Startups in der Hauptstadt. Aber zumindest erzeugte die Einführung des (für die Einwohner) kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs 2013 für einiges Aufsehen - und immerhin ist dieses Experiment ja bisher weder abgebrochen noch gestoppt worden.
Nun ist die estnische Hauptstadt bereit für ein neues Experiment: Ab sofort verkehren in Tallinn selbstfahrende (fahrerlose) Busse - so verkündete es stolz die speziell zur estnischen EU-Präsidentschaft eingerichtete Webseite. Bei genauerem Hinsehen wird aber auch klar, dass die vorgesehene Proberoute erstens nur etwa 600m lang ist, und andererseits fast nur geradeaus führt. Das Ganze geschieht im Bereich zwischen dem Hafen und der Altstadt - also wohl vor allem auch ein Marketing-Projekt, denn hier kommen fast alle Touristen und Gäste der Stadt vorbei.
100.000 Euro kostet das Projekt, so sagen die Organisatoren. Diese Summe soll aber weitgehend von den Partnern der Stadtverwaltung Tallinn übernommen werden - von privaten Investoren Microsoft Estonia über den Militärausrüster MILREM, Blockchain-Spezialist Guardtime, und DSV Transport und Logistik und die Reederei TALLINK.
Allerdings sind die Esten in diesem Fall nicht die ersten: ähnliche Busse wurden bereits 2016 in Helsinki getestet (Guardian), und auch die Finnen verwiesen damals auf die ersten, die selbstfahrende Busse in den öffentlichen Verkehr brachten: die Niederländer (mit sechs Passagieren und 200m Strecke). Die Finnen aber waren offenbar auch auf ihre Straßenverkehrsordnung stolz: dort sind Fahrer für Fahrzeuge gar nicht zwingend vorgesehen. Dennoch wurde der Betrieb auf einer weitgehend abgezäunten Route durchgeführt.
"Da 90% der Verkehrsunfälle durch menschlichen Irrtum verursacht werden, wird der Easysmile EZ10 den Schlüssel zur Erhöhung der Verkehrssicherheit darstellen", so der Leitspruch der Herstellerfirma "Easysmile", die ihren Hauptsitz in Frankreich besitzt (siehe auch Präsentations-Video). Der Praxistest in Tallinn ist übrigens limitiert: die beiden Busse fahren auf einer Straßenbahnstrecke, die gegenwärtig modernisiert wird. Daher wird es die beiden "Selbstfahrer" vorerst nur im August 2017 geben. Das Verkehrsrecht in Estland wurde aber für weitere Projekte angepasst: solange eine Person den Betrieb überwacht und im Notfall eingreifen kann sind selbstfahrende Fahrzeuge zugelassen.
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