"Wir haben 200 Arbeitstage in Estland, jeder ist etwa ein halbes Prozent wert. Aber im vergangenen Jahr hatten wir nur ein halbes Prozent Wachstum; ein zusätzlicher Feiertag würde uns also erheblich schaden." (ERR)
Wer das sagt, war einige Monate lang tatsächlich Estlands Wirtschaftsminister - im Kabinett Tiit Vähi 1992. Danach wurde er Wirtschaftsberater - für Politiker wie Edgar Savisaar, für Banken und internationale Institutionen. Heido Vitsur, geboren 1944 und Mitglied der Zentrumspartei, ist seit einigen Monaten auch Berater der estnischen Präsidentin Kaljulaid.
In diesem Fall geht es um den Ostermontag. In vielen europäischen Ländern ein staatlicher Feiertag, in Estland nicht. Die Gegner der Einführung eines neuen Feiertags argumentieren, dass laut Umfragen 84% der Estinnen und Esten angeben, Religion und Kirche spielten in ihrem Leben gar keine oder nur eine sehr geringe Rolle. Warum also Ostern ausgiebiger feiern? Ähnliches wie in Estland gilt auch für Malta, Portugal, Lichtenstein, Monaco, oder San Marino - Ostermontag ist auch dort Arbeitstag, bis auf Portugal ist dies allerdings eine Ansammlung eher kleinerer Länder, einer Eigenschaft, die Estland sonst ungern herausstellt.
Vielleicht sind es aber tatsächlich andere Bräuche, die in Estland zu Ostern begangen werden. So weist auch der MDR schon in einer Sendung ("Heute im Osten") darauf hin, dass es verschiedene Bezeichnungen für das Osterfest gibt: Eierfest ("Munapühad"),
Frühlingsfest ("Kevadpühad"), Schaukelfest ("Kiigepühad") oder
Fleischfest ("Lihavõttepüha"). Und neben dem "Fleischfest" gibt es sogar auch einen "Tag des Wegwerfens von Fleisch" ("lihaheitepäev"), weiß "Eestikultuurist".
Auch der "Osterhase" sei in Estland unbekannt. Andere Autoren dagegen bemerken zurecht, dass Osterhasen sehr wohl auch in Estland auftauchen ("interaktiver Kulturkoffer"). Deutsche, die in Estland Ostern erleben, erzählen ebenfalls von Schwierigkeiten sogar einen einfachen Ostergruß zu finden: großer Eierfeiertag? (Krissi sagt tere) Wobei das Eiersuchen in Estland ziemlich unbekannt sein soll. Warum also zusätzlich feiern? Auch Ostersonntag bleiben schließlich die Geschäfte geöffnet - wahrscheinlich ebenfalls wegen den "Prozenten" ...
Ist Estland eigentlich "baltisch"? Die estnische Sprache ist ja dem Finnischen ähnlich (finno-ugrisch), und das sogenannte "Baltikum" ist sowieso ein Behelfsbegriff ohne Grundlage. Noch viel zu wenig ist in Deutschland bekannt über Kultur und Geschichte, über Politik und Gesellschaft in Estland. Die jungen Europäer in Deutschland und Estland werden die Zukunft prägen! Wir rufen auf zur Diskussion.
Freitag, April 21, 2017
Ostermathematik
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Samstag, April 08, 2017
Süßes Estland
Der "Öö-Club Sugar"
ist eine der heißesten Adressen der estnischen Hafenstadt Pärnu - ob
demnächst ein Strategiewechsel anstehen wird? Die estnische Regierung
jedenfalls plant mit einer neuen, mehrstufigen Steuer den Trend zu immer
mehr Zucker umzudrehen. Falls das Gesetz wie geplant in Kraft tritt,
sollen Getränke mit 5-8g Zucker pro Liter etwa 35% im Verkaufspreis
teurer werden, bei über 8g Zuckergehalt sogar bis zu 50%. Allerdings
soll die Umsetzung über zwei Jahren gestreckt werden; ab 2018 soll der
Steuersatz bei Getränken über 10g Zucker pro Liter 36 Cent betragen, ab
2019sinkt diese Grenze auf 9g, um ab 2020 dann ab 8g Zuckergehalt schon
zu gelten. Berechnungen des estnischen Finanzministeriums zufolge soll
dies, falls auch Säfte mit Zuckerzusatz einbezogen werden, eine
jährliche zusätzliche Steuereinnahme von bis zu 25 Millionen Euro
ergeben (Baltic Course).
Natürlich denken viele angesichts solcher Pläne vor allem an die US-amerikanischen Großkonzerne mit ihrem stark zuckerhaltigen Getränkeangebot. Der estnische Gesundheitsminister Jevgeni Ossinovski (Sozialdemokrat, SDE) äußerte sich jedenfalls zuversichtlich, das neue Gesetz könne die Hersteller dazu bewegen, den Zuckergehalt in ihren "Softdrinks" zu senken (ERR). Alles was nur 5% Zucker und weniger enthalte, sei von der neuen Steuer nicht betroffen. Obwohl es auf den ersten Blick fragwürdig erscheine, Firmen wie Coca-Cola durch ein Gesetz im kleinen Estland zu irgend welchen Änderungen zu bewegen, dann zeige sich doch, so Ossinovski, dass auch bei diesen Konzernen der Zuckergehalt der Getränke von Land zu Land sehr unterschiedlich sei. Ähnliche Pläne wie Estland gibt es auch in den EU-Ländern Portugal, Irland, Spanien und Frankreich. Pressemeldungen zufolge gibt es tatsächlich bei einigen Herstellern Pläne zur Reduzierung des Zuckergehalts (FoodNavigator). Begründet wird das allerdings mit geänderter Verbrauchernachfrage.
Kritische Stimmen kommen u.a. von der estnischen Lebensmittelverarbeitenden Industrie (Eesti Toiduainetööstuse Liit - ETL). Der Verband weist darauf hin, dass innerhalb der Europäischen Union (EU) keine bestimmte Warengruppen "diskriminierenden" Gesetze zulässig seien - so sei auch schon eine finnische Steuer auf Süßwaren und Eis und ein dänische Besteuerung der Verwendung von gesättigten Fettsäuren inzwischen wieder aufgehoben worden. In Finnland wurde die Regelung allerdings wegen ungleicher Besteuerung von Warengruppen aufgehoben (Steuer auf Süßwaren, nicht aber auf Plätzchen). Das finnische Zuckerbesteuerungsgesetz von Softdrinks, bereits seit 1940 in Kraft, bleibt allerdings bestehen.
Auch EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis hatte sich kürzlich positiv über die Einführung einer Steuer auf Zucker geäußert.
Natürlich denken viele angesichts solcher Pläne vor allem an die US-amerikanischen Großkonzerne mit ihrem stark zuckerhaltigen Getränkeangebot. Der estnische Gesundheitsminister Jevgeni Ossinovski (Sozialdemokrat, SDE) äußerte sich jedenfalls zuversichtlich, das neue Gesetz könne die Hersteller dazu bewegen, den Zuckergehalt in ihren "Softdrinks" zu senken (ERR). Alles was nur 5% Zucker und weniger enthalte, sei von der neuen Steuer nicht betroffen. Obwohl es auf den ersten Blick fragwürdig erscheine, Firmen wie Coca-Cola durch ein Gesetz im kleinen Estland zu irgend welchen Änderungen zu bewegen, dann zeige sich doch, so Ossinovski, dass auch bei diesen Konzernen der Zuckergehalt der Getränke von Land zu Land sehr unterschiedlich sei. Ähnliche Pläne wie Estland gibt es auch in den EU-Ländern Portugal, Irland, Spanien und Frankreich. Pressemeldungen zufolge gibt es tatsächlich bei einigen Herstellern Pläne zur Reduzierung des Zuckergehalts (FoodNavigator). Begründet wird das allerdings mit geänderter Verbrauchernachfrage.
Kritische Stimmen kommen u.a. von der estnischen Lebensmittelverarbeitenden Industrie (Eesti Toiduainetööstuse Liit - ETL). Der Verband weist darauf hin, dass innerhalb der Europäischen Union (EU) keine bestimmte Warengruppen "diskriminierenden" Gesetze zulässig seien - so sei auch schon eine finnische Steuer auf Süßwaren und Eis und ein dänische Besteuerung der Verwendung von gesättigten Fettsäuren inzwischen wieder aufgehoben worden. In Finnland wurde die Regelung allerdings wegen ungleicher Besteuerung von Warengruppen aufgehoben (Steuer auf Süßwaren, nicht aber auf Plätzchen). Das finnische Zuckerbesteuerungsgesetz von Softdrinks, bereits seit 1940 in Kraft, bleibt allerdings bestehen.
Auch EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis hatte sich kürzlich positiv über die Einführung einer Steuer auf Zucker geäußert.
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