Samstag, Oktober 05, 2013

Wer geht noch zur Wahl?

Die nächsten Termine für Wahlberechtige in Estland kommen in schöner Regelmäßigkeit: 2014 die Europawahlen, 2015 die Parlamentswahlen, 2016 die Präsidentschaftswahlen. Was ist also 2013 noch abzuarbeiten? Richtig, die Kommunalwahlen, mit Bürgermeisterwahlen auch in der Hauptstadt Tallinn. Am 20.Oktober ist Wahltag in den Städten und Gemeinden, aber das Wahlamt verkündet überraschend: nur noch 5 Tage bis zur Wahl!

Das zielt auf die sogenannten "E-Wähler". Mit 60,6% war zwar die Wahlbeteiligung insgesamt durchaus nicht überragend, aber der Anteil derjenigen Wählerinnen und Wähler, die mit Hilfe ihrer ID-Karte und einem Lesegerät per Internet ihre Stimme abgaben, ist erheblich angewachsen. Als diese Möglichkeit bei den Kommunalwahlen 2005 erstmals angeboten wurde, nutzeten das lediglich 0,9% der Wahlberechtigten (= 1,9% derjenigen, die an der Wahl teilnahmen). Damals waren die Schlagzeilen von Estland als einem der ersten Staaten in Europa mit Stimmabgabemöglichkeit per Internet weitaus größer als der tatsächliche Teilnahmeeffekt. Seitdem ist aber viel Zeit vergangen: bei den Parlamentswahlen 2007 wurden schon 5,5% der Stimmen elektronisch gezählt, bei den Europawahlen 2009 waren es 14,7%, bei den Kommunalwahlen im selben Jahr 15,8%. Und bei den Parlamentswahlen 2011 nutzten dann schon 24,3% die virtuellen Möglichkeiten. Also: für mindestens 1/4 der Wahlberechtigten könnte also auch diesmal gelten: schon in 5 Tagen beginnt die Wahl!

Der Spruch "Geh zur Wahl!" trifft in Estland also nicht mehr so ganz das beabsichtigte Anliegen. Allerdings hat die Internet-Euphorie auch nicht zu einer erheblich höheren Wahlbeteiligung beigetragen: 60% wären schon zufriedenstellend, für estnische (Kommunalwahl-)Verhältnisse. Die fürs E-Voting vorgesehene Periode läuft vom 10. bis zum 16 Oktober.

Etwas weniger vorhersehbar sind da natürlich die Ergebnisse der Wahlen. In Tallinn kann laut Umfragen Amtsinhaber Savisaar auf die Stimmen von etwa 44% der Hauptstädter hoffen, seine Gegenkandidaten Eerik-Niiles Kross (Pro Patria and Res Publica Union IRL) kommen nur auf 15%, Andres Anvelt (Sozialdemokrat SDE) auf 9%, und Valdo Randpere (Reformpartei) auf 7%.
Auch eine Art "Wahlomat" wurde in Estland kürzlich gestartet und heißt hier "Parlamendikompass". Ausserhalb der Hauptstadt machen die Kommunalwahlen derzeit noch wenig Schlagzeilen. Mal sehen, ob das Wahlergebnis daran etwas ändern wird.

Statistik zum Internet-Voting in Estland  / Details zur Wahl per Internet / Estnisches Kommunalwahlgesetz (engl. Übersetzung)

1 Kommentar:

  1. E-Wahlen sind in Estland alles andere als unumstritten. Sechs Jahre nach der Einführung der E-Wahlen in Estland, kenne ich kein anderes Land, das E-Wahlen auf allen Ebenen durchführt. Der wichtigste Grund ist die fehlende Transparenz für wen die abgegebene Stimme letzendlich abgegeben wurde. Es gab schon zahlreiche Skandale wegen Unsicherheit der ID-Karte, wegen gefälschten E-Wahlen bei der Wahl der Parteiführung der Reformpartei; die Protokolle der letzten E-Wahlen zum Parlament wurden nach zwei Wochen vernichtet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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