Montag, Januar 30, 2012

Neuer Imagefaktor: die estnische Presse

Bekannt schwierige Ländersituationen
im Bild: hier ist es
ein US-Offizier in Afghanistan
(Foto: Richard Mosse / INSTITUTE)
Um Demokratie und Medienfreiheit geht es der Vereinigung "Reporter ohne Grenzen". Da die modernen Formen der Berichterstattung stark vernetzt und verzahnt abläuft ist es schon daher logisch, dass die Lage und die Arbeitsbedingungen von Journalisten auch erst im internationalen Vergleich ein übersichtliches Bild ergeben. Von manchen Ländern, die ständig entweder wegen kriegerischer oder kriegsähnlichen Auseinandersetzungen in den Schlagzeilen sind, wird vielleicht stärker öffentlich angenommen, dass dort auch die Berichterstattung schwierig ist. Gleiches gilt für diktatorenähnlich zwangsorganisierten Gesellschaften wie Nordkorea oder Belarus, oder für Länder mit extrem sich positionierenden religiösen Gruppierungen die abweichende Weltanschauungen mit öffentlichen Akitionen aggressiv bekämpfen. Einen im wahrsten Sinne des Wortes "anschaulichen" Überblick über möglicherweise problematische und für Journalisten auch oft lebensgefährliche Länder gibt zum Beipiel der Bildband "Fotos für die Pressefreiheit" (siehe Abbildung), der im vergangenen Jahr von "Reporter ohne Grenzen" veröffentlicht wurde.

Was aber verbinden wir zu diesem Thema mit Estland? Gab es Schlagzeilen dieser Art im vergangenen Jahr? Wurden estnische Journalisten mit Strafen belegt, wenn sie sich kritisch über bestimmte Politiker äußerten? Oder darf über die Lage der russischen Minderheit so berichtet werden, dass es auch mal ohne die gleichzeitige Rechtfertigung der Regierungspolitik geht? Vielen wird vielleicht beim Gedanken in diese Richtung gleich der hitzige Denkmalstreit des Jahres 2007 einfallen. Und auch 2010 gab es mal leere Titelseiten bei einigen Zeitungen, als estnische Journalisten wegen einer anstehenden Gesetzesänderung um den Informantenschutz fürchteten (siehe Süddeutsche Zeitung 6.4.10, Euronews, Transparency International). "Eurotopics" berichtete im gleichen Jahr von hoher Pressekonzentration und Befürchtungen, die Medien könnten zu sehr nach den Interessen ihrer Besitzer ausgerichtet sein, und auf der anderen Seite Russischsprachige vom russischen Staatsfernsehen gegen den estnischen Staats instrumentalisiert werden könnten. 2007 überraschte der estnische Ex-Kulturminister Raivo Palmaru in einem Interview bei "Cafe Babel" noch. "In den Medien Estlands sind Verleumdungen, Verletzungen des Urheberrechts und Beleidigungen so normal wie der Wetterbericht." Damit nicht genug, Palmaru fügte hinzu: "Esten sind wie Kellerasseln im Tageslicht." Und die Ex-Exil-Estin Aino Siebert sieht vornehmlich sich selbst im Kreuzfeuer der Kritik: ob als Aufklärerin von KGB-Verbindungen in der eigenen Familie, oder im Kampf mit zugeknöpften Behörden.

Haben wir da etwas verpasst? Die Estnisch- und Russisch-Kundigen zumindest werden die Lage besser überblicken können. "Reporter ohne Grenzen" zumindest sagt im Rückblick auf die Lage im Jahr 2011: Estland steht in der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit unter 179 Ländern auf Platz 3 (DREI). Nur in Finnland und Norwegen wird die Lage der Presse noch besser beurteilt. Damit stünde Estland fast noch besser da wie beim großen imagebildenden Thema IT und Internet. "Der Abstand zwischen den baltischen Staaten hat sich vergrößert", so schreibt dieser Bericht im Einzelnen weiter, "Estland rückte weiter an die Spitze der Rangliste vor. Lettland und Litauen fielen wegen einschlägiger Gerichtsurteile und wegen Eingriffen der Sicherheitsbehörden in die journalistische Arbeit auf Platz 30 bzw. 50." (Bericht "Europa und ehemalige Sowjetunion")
Schauen wir mal zurück auf die Entwicklung. Im Jahr 2003 taucht Estland auf Platz 13 auf, noch hinter Lettland. Gleiches gilt für 2004, wo Estland gleichauf mit Deutschland auf Rang 11 rangiert, beide knapp hinter Lettland. 2005 fallen Deutschland und Lettland weit zurück hinter Estland (weiterhin 11). Ein Jahr später rückt Estland auf Platz 6 vor, im meinungs-umkämpften Jahr 2007 sogar auf Platz 3 (Zusammenfassung: gute Noten für viel Diskussion zu umstrittenen Themen?). 2008 rutscht Estland leicht zurück auf 4, Spitze ist nun Island (Krisen als Lackmus-Test für die Presse?). 2009, im tiefesten Jahr der weltweisen Krise, ist Island plötzlich abgesackt auf Platz 9, Estland auf 6. 2010 nimmt Estland nur den 9ten Rang ein, Island ist zurück auf 2 (hinter Finnland). 

Aber ob nun diese ganze "Ranglisterei" Estland irgendwie weiterhilft - still ruht der See (im Moment), die kommenden kritischen Auseinandersetzungen werden es zeigen müssen. Der höchste Grad der Mediennutzung in Estland wurde bereits 1989-90 erreicht, schreibt Peeter Vihalemm in einer Untersuchung aus dem Jahr 2006, und fügt hinzu dass Ende der 80er Jahre in Estland über drei Stunden täglich Radio gehört wurde, Mitte der 90er Jahre sogar über 4 Stunden - doppelt so viel wie Stunden vor dem TV. Vielleicht hängt ja das "Endergebnis" von Mediennutzung auch vom "genauen Hinhören" ab, losgelöst von der Option für die Medien, möglichst ungezügelt Wahrheiten möglichst laut herausschreien zu können. Vihalemm weist nicht zu Unrecht darauf hin, dass auch schon die Menschenkette vom 23.August 1989 (gemeinsames baltisches Gedenken an die Folgen des Hitler-Stalin-Paktes, Menschenkette von Vilnius bis Tallinn) durch die Medien - und insbesondere durch Mitteilungen im Radio - mit organisiert wurde und strukturiert werden konnte. Heute aber, nochmal Vihalemm zufolge, haben viele Menschen nicht mal das Geld, um eine einzige Zeitung zu abonnieren. Die Printmedien gehen stark zurück. Ein Generationsunterschied sei ebenfalls erkennbar: die Älteren sitzen heute zunehmend vor dem Fernseher, die Jugend online im Internet.

Dienstag, Januar 24, 2012

E-Steckdosenland

Wird Estland zum Experimentierfeld für Elektroautos? Der Schweizer Konzert ABB meldete vor einiger Zeit den Abschluß von Verträgen, um in Estland Ladestationen für Elektroautos aufzubauen (ABB-Pressemitteilung vom 9.1.12) . Estlands Verkehrspolitiker planen, in allen "urbanisierten Gebieten" (so drücken es die Schweizer aus) mit mehr als 5000 Einwohnern Schnellladestationen zur Verfügung stellen. Auf Hauptverkehrsstrassen solle alle 50 Kilometer eine Schnellladesäule installiert werden, und im Ergebnis werde dann die bei weitem höchste Dichte an Gleichstrom-Ladestationen in Europa geschaffen. Kann das gehen? Bisher kannten wir Estland nur mit niedriger Einwohnerdichte - ob die Schweizer richtig verstanden haben, was Esten unter "urbanisiert" verstehen?

Mit Hilfe der ABB-Ladestationen soll die Ladezeit üblicher Elektroautos nur 15-30 Minuten betragen, berichtet "Clean Thinking". Und bis ins "Windkraft-Journal" hat sich die Nachricht verbreitet, die Regierung Estlands habe kürzlich 507 Elektrofahrzeuge des Typs Mitsubishi i-MiEV für Sozialarbeiter im gesamten Land erworben, an deren Amtsgebäuden hat ABB bereits Ladestationen errichtet. Estland muss seine CO2-Schadstoffbilanz verbessern,
"Green Investment" ist daher angesagt, das bestätigt auch der estnische EU-Vekehrskommissar Siim Kallas (EurAktiv). Darüber hinaus wird der Erwerb privater Elektroautos mit bis zu 50 Prozent von der Regierung Estlands gefördert. Bei einer durchschnittlichen Reichweite von nur 200km, die Elektroautos gegenwärtig erreichen, scheint ein Land wie Estland wieder einmal besser zum Modell-Land zu taugen als ein größeres EU Land wie Deutschland.

Noch nicht ganz ins positive Bild passt da die Meldung, trotz Förderung seien in Estland bisher erst 17 solche Förderanträge eingegangen, 9 davon bewilligt (ERR). Bis zu 50% Förderung und 18.000 Euro pro Autokauf sei möglich, vorerst bis zu einer Frist bis November 2012 zu beantragen. Wer gegenwärtig sich ein Elektromobil zulegt muss aber wohl noch hoffen, dass die geplanten Ladestationen schnell und zuverlässig fertig gestellt werden. Auch von Zweifeln der estnischen Autonutzer, ob denn so ein Elektroauto auch ordentlich winterfest sein könnte, ist zu lesen.

Sonntag, Januar 08, 2012

Der Drachen

The Dragon by Dimitrijev
The Dragon, a photo by Dimitrijev on Flickr.

Ende Dezember fand Dimitrijev diesen Vordergrund. Die Tallinn-Silhouette. So geht's auch.

Freitag, Januar 06, 2012

Lieber kein Zucker im estnischen Kaffee?

Was bringt das Jahr 2012 wirklich? Mehr noch als
in den amtlich veröffentlichten Statistiken wird
es im Alltag spürbar werden
Um durchschnittlich 5% stiegen die Preise in Estland im Vergleich zur Situation bei Einführung des Euro im Januar 2011, das teilte des staatliche estnische Statistikamt kürzlich mit. Am stärksten beeinflußt wurde der Preisindex von den Lebensmittelpreisen und den Preisen für nichtalkoholische Getränke. Daneben stiegen auch die Preise für Elektrizität und Heizung um 6.2%, die Treibstoffpreise sogar um 12,2%. Den stärksten Preisanstieg verzeichneten Zucker (43%) und Kaffee (45%). Kartoffeln blieben um durchschnittlich 34% teurer als im Vorjahr, während die Preise für Eier um 9.4% sanken.

Einige Daten:

Gesamt - +5.0
Lebensmittel & nichtalkoholische Getränke - +9.7
Alkohol und Tabak - +6.3
Kleidung und Schuhe - +3.5
Bauen & Wohnen - +5.9
Haushaltswaren - +0.7
Gesundheit - +0.4
Verkehr - +5.1
Kommunikation & Medien -4.2
Kultur & Freizeit +0.7
Schule und Bildung +2.2
Hotels, Cafés und Restaurants +6.0
Verschiedenes +2.8