Sonntag, Januar 23, 2011

Poll - vor dem Kinostart


Der neue Kinofilm von Chris Kraus nun auch in Aspekte beim ZDF. Wer schon auf den Filmstart wartet, hier weitere Hintergründe zu der Idee, in Estland zu drehen:

Liebe in Zeiten des Untergangs , Aspekte
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Von Siering ist Pathologe, der in einem umgebauten Sägewerk die Schädel der ermordeten Anarchisten zersägt, die ihm die russischen Soldaten überlassen. Er will herauskriegen, wo in diesen Köpfen das Böse sitzt. Abends spielt er im Kreise der Familie Kammermusik - ein kunstsinniger Mensch und seiner 14-jährigen Tochter Oda ein liebevoller Vater. Oda will Schriftstellerin werden. Diese Figur hat ein reales Vorbild: Oda Schaefer, eine Naturlyrikerin und Essayistin, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland zu einigem Ansehen kam. Sie war eine Großtante des Regisseurs Chris Kraus. Wegen ihrer linksliberalen Ansichten war sie das schwarze Schaf der Familie. Sie starb 1988.
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Hier der Aspekte Beitrag mit Chris Kraus.

Großes deutsches Kino - ZDF

Die Webseite Poll Ein Film von Chris Kraus

Aus Unterdrückern wurden Unterdrückte (nach 1918). Gemeint sind die Deutschbalten. Naja. Das steht auf der Filmwebseite mit den Hintergrundinformationen:

Deutsche, Balten, Russen
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Nach Ende des Krieges wurden die deutschbaltischen Grundbesitzer, die nicht in den Wirren der bolschewistischen Interimsregierung umgekommen waren, von den neu gegründeten Nationalstaaten Estland und Lettland weitgehend enteignet, verarmten zum Teil dramatisch und spielten keine politische Rolle mehr. Die Herrschaftsverhältnisse hatten sich verkehrt, aus den Unterdrückern waren Unterdrückte geworden. Zahlreiche Deutschbalten wanderten aus. Die letzten 90.000 ihrer Landsleute wurden kurz nach Ausbruch des 2. Weltkrieges im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes, der die baltischen Länder bis 1991 zu einem Teil der Sowjetunion werden ließ, in den deutsch besetzten Teil Polens umgesiedelt. Von dort vertrieb sie 1945 die einmarschierende Rote Armee. Mit dem Verlust des Siedlungszusammenhangs ging die deutschbaltische Kultur endgültig unter. Der Großteil der überlebenden Flüchtlinge ließ sich in allen Teilen Westdeutschlands nieder, viele wanderten nach Kanada und Schweden aus. In Lettland und Estland leben heute nur noch ca. 300 Menschen, die sich selbst als Deutschbalten bezeichnen.
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Die armen Deutschbalten, ja, dann aber bitte auch erwähnen, dass 1939, um Platz für die deutschbaltischen Umsiedler zu machen, nicht wenige Polen und Juden aus ihren Häusern vertrieben wurden. Was ist aus denen geworden?
Nebenbei wird im Überblick auch die Kulturautonomie der Minderheiten und die deutschen Schulen der Zwischenkriegszeit unterschlagen. Typisch für Unterdrückte, gell?

Update:
Noch eine positive Filmkritik:
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Nicht wenige Filme wollen große Geschichten erzählen. Allein den wenigsten gelingt dieses Kunststück. Poll gehört zweifelsfrei dazu. Bereits die Bildsprache stellt den dafür notwendigen Mut unter Beweis. Die Kamera von Daniela Knapp scheut nicht das Monumentale, wenn sie entfesselt über das Anwesen der von Sierings kreist und so den bröckelnden Glanz dieser Aristokratenfamilie im Lichte einer untergehenden Sonne einfängt. Das sind Kinobilder, wie man sie im deutschen Film leider viel zu selten findet – gemacht für eine große Leinwand.

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aus Marcus kleine Filmseite
Poll - Die Buddenbrooks vom Baltikum

4 Kommentare:

  1. Bin aasig jespannt, ob sie das Baltische hinkriejen.

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  2. Genau dieser Satz im Pressematerial zum Film erzeugt auch bei mir ein großes Fragezeichen. Deutschbalten - aus Unterdrückern wurden im unabhängigen Estland Unterdrückte?

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  3. Eva, die Hauptdarsteller sind jetzt schon Anwärter auf diverse Filmpreise. Ob der baltische Dialekt mitberücksichtigt wurde, da muss man wohl erst den ganzen Film abwarten.

    Albatros, ja schade mit dem Pressematerial. Leider etwas flüchtig hingeworfen. Der Film bleibt hoffentlich davon unbetroffen.

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  4. Albatros, als Kind aus einer Familie von Deutschbalten sehe ich den Satz mit den Unterdrückern und den Unterdrückten so: Die Unterdrücker, die ja auch die Rückendeckung des Zaren genossen, pflegten bis zur Umwälzung nach dem 1. Weltkrieg tatsächlich eine sehr feudale Lebensweise und redeten von den Esten als "rührenden Leuten", die man brauchte, aber nicht für voll nahm. Als dann die estnische Republik entstand, waren es wahrscheinlich in erster Linie die enteigneten Adeligen, die das als Akt der Unterdrückung sahen. Meine bürgerliche Familie war zwar arm, diese Bevölkerungsgruppe konnte aber an den deutschen Schulen festhalten, was dem estnischen Staat als großer Akt der Toleranz gedankt wurde.
    Der Satz, der bei Ihnen "ein großes Fragezeichen" hinterläßt, gewinnt seine Gültigkeit oder Ungültigkeit je nachdem, wen es betraf. Wie immer.

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