Spiegel 17/1987 "Mit Rock gegen Streik"
Zwangseinsatz estnischer Reservisten in Tschernobyl
In der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1986 ergingen in Estland Einberufungen von 4000 Reservisten zu zweimonatigen Militärübungen. ...
Die Ärzte, sagt Kippar, mußten reihenweise Schwangerschaftsabbrüche bei Frauen aus dem Umkreis von 30 Kilometern um den Katastrophenort vornehmen. Die Traktor- und Lkw-Fahrer hatten radioaktiv verseuchten Boden abzutransportieren- oft nur mit Schaufeln oder sogar den nackten Händen. ...
Über"explosive Stimmung", "Erhebung oder Streik" berichtete im August 1986 die estnische Partei-Jugendzeitung "Noorte Hääl". Am Manuskript des Autors Tonis Avikson hatte die Zensurbehörde 42 Änderungen verlangt. Avikson wurde ins ZK der KP Estlands zitiert. Da er mit den Änderungen nicht einverstanden war, drohte man ihm, ihn selbst nach Tschernobyl zu schicken. Der Journalist verfaßte eine vier Seiten lange Selbstkritik.
Zwölf der Streikenden wurden zum Tode verurteilt. Im Juli erhielt der Ingenieur Gunnnar Hagelberg, Reserveleutnant bei den Fallschirmjägern, seine Einberufung nach Tschernobyl, wo man ihm zehn Soldaten mit dem Befehl zuteilte, auf Arbeitsverweigerer zu schießen. Im August kehrte er strahlenkrank nach Estland zurück; er starb zwei Wochen später.
Glückliche Gorbi Zeit, böse Esten. Kann mir den sarkastischen Seitenhieb nicht verkneifen. Das waren Zeiten vor dem Internet.
Wir sollten den Leuten dankbar sein, die unter Einsatz ihres Lebens die strahlende Ruine abgedichtet haben. Haetten sie es nicht getan, haetten wir wahrscheinlich bis heute in Bayern keine Milch von bayerischen Kuehen trinken duerfen. Was richtig schlimm war, war die Informationspolitik, die nur troepfchenweise wiedergab, was passiert ist. Am 01.Mai 1986 war ganz normale Demonstration mit zehntausenden von Leuten auf der Strasse. An dem Tag hat es gut geregnet in Estland und der Wind kam von suedosten.
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