Freitag, November 01, 2024

10 Minuten gegen die 22

Es gibt Tage, wo niemand danach fragt, ob nun Reformationstag, Halloween oder Allerheiligen gefeiert wird. So ein Tag brach am Donnerstag dieser Woche in Estland an: "Jätku leiba" ("mehr Brot", oder auch "möge das Brot ausreichen") war das Motto. Nein, hier geht es nicht um Bäcker und Backstuben, sondern um die von der estnischen Regierung geplante allgemeine Erhöhung der Mehrwertsteuer: ab 2025 soll diese 24% (bisher 22%) betragen und auf nahezu alle Dienstleistungen angewandt werden (vatcalc).

"Nur Norwegen und Dänemark noch höhere Mehrwertsteuersätze", klagt der estnische Hotel- und Restaurantverband. 360 Restaurants, Cafés und Hotels schlossen sich am 31.10. dem Protest an und legten für die Zeit zwischen 12:30 und 12:40 Uhr die Arbeit nieder (es wurden keine Kundinnen und Kunden bedient). "Statt den Export anzukurbeln und die Wirtschaft zu fördern, erhöht der Staat einfach die Steuern, ohne in die wirtschaftliche Erholung zu investieren", so Protestkoordinatorin Killu Maid. Auch der Tourismus habe sich noch nicht vollständig von den pandemischen Zeiten erholt. (ERR)

Die estnische Regierung, allen voran Regierungschef Kristen Michal, benennt ganz offen, warum die Steuern erhöht werden. Eine "Verteidigungssteuer" aus drei Elementen soll es geben: Anhebung des Mehrwertsteuersatzes um 2 Prozentpunkte ab 1. Juli 2025, eine zusätzliche Steuer von 2 Prozent auf das steuerpflichtige Einkommen natürlicher Personen ab 2026, und eine Steuer von 2 Prozent auf Unternehmensgewinne. (ERR). Das Verteidigungsministerium hatte einen zusätzlichen Finanzbedarf von 1,6 Milliarden Euro angemeldet. Alle Ministerien werden aufgefordert, in den nächsten drei Jahren jeweils 10% ihres Budgets einzusparen. Laut Michal sollen nur Renten, innere Sicherheit, Polizei und Lehrpersonal von den Kürzungen ausgenommen werden.

Verantwortliche Stellen im Nachbarland Lettland verkünden, dass dort keine Erhöhung der Mehrwertsteuer geplant sei (sehr wohl aber die Steuern auf Alkohol, Treibstoff, Tabak und Glücksspiel). Die Protestaktion des Gastgewerbes fand aber dennoch gleichzeitig in allen drei baltischen Ländern statt - die Gastronomie werde in diesen Ländern ähnlich wie in Estland höher besteuert als anderswo in Europa, und Aufgrund des Anstiegs der Rohstoff- und Arbeitskosten machen sie sich auch Sorgen um die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Dienstleistungen.(ERR / Postimees)