Montag, Oktober 25, 2021

Guuhgelei

Die Kommunalwahlen in Estland sind vorbei, die Stimmen ausgezählt, 54,7% der Wahlberechtigten haben sich beteiligt - 313.741 in der Wahlkabine, und 273.620 per e-Vote. Und, obwohl allerorten schon über Koalitionen in den künftigen Stadträten verhandelt wird, kann das estnische Wahlamt den Vorgang noch nicht für endgültig erklären - Schuld sind einige noch nicht entschiedene Gerichtsklagen. 

Silver Kuusik, ein Mensch mit einem sehr wohlklingenden Vornamen, kandidierte für die rechtspopulistische EKRE in Tartu. Er ist einer derjenigen, über deren Beschwerden die estnische Wahlkommission noch verhandeln muss. EKRE ist ja bekannt dafür, immer so etwas wie "Estonia first" (inzwischen genauso bekannter Spruch wie "Estland den Esten") zu fordern. Konsequenterweise sind auch die Internetseiten der EKRE durchweg ausschließlich in estnischer Sprache gehalten. Wer sich dennoch um Verständnis bemüht, wird wohl - den Browsern sei Dank - wahrscheinlich beim Google-Übersetzer landen. Kuusik stört sich nun daran, dass Namen von Kandidaten auch auf der offiziellen Kandidatenliste des Wahlamts mit Google-Hilfe übersetzt werden können - und über das Resultat. Wer Google nutzt, bekommt eben "Silber Kuusik" (deutsch) angezeigt - aber auch Hõbe Kuusik (Hõbe = estnisch "silber") Kuusik zählte peinlich genau nach - und behauptet nun in seiner Klage, auf diese Weise seien die Namen von 110 EKRE-Kandidat/innn "verfälscht" dargestellt worden (err) So werden dann Vornamen wie "Eve" als "Õhtu" (Abend) übersetzt, oder "Leo" als "Lõvi" (Löwe). 

Klar ist aber auch: das Misstrauen der politischen Rechten in Estland hat auch einen anderen Hintergrund: neben der Zentrumspartei nutzen die Wähler/innen der EKRE das E-Voting nur sehr zögerlich. Nur 21,37% der für diese Partei abgegebenen Stimmen wurden elektronisch abgegeben - ein in Estland sehr niedriger Prozentsatz. Bei fast allen anderen nun in den Lokalparlamenten vertretenen Parteien liegt der E-Voting-Anteil bei (teilweise weit) über 50%. Da wirkt es gar nicht mehr erstaunlich, dass EKRE nun mit diesem "Namensverfälschungsargument" sogar das gesamte E-Voting-Resultat für ungültig lassen erklären will. (err)

Die Zentrumspartei verlor ihre absolute Mehrheit im Tallinner Stadtrat, kann aber voraussichtlich zusammen mit einem Koalitionspartner weiter regieren. Das Resultat der EKRE war vielleicht nicht so stark erwartet, aber mit Gewinnen in Pärnu, Järva, Räpina and Põlva.

Montag, Oktober 11, 2021

Was ihr wollt - was wollt ihr?

Verlängerung der Straßenbahnlinien, kostenfreie Kindergartenplätze fürs Kind, Lohnerhöhung für Lehrerinnen und Lehrer? Oder mehr Fahrradwege, Weiterentwicklung des Passagierhafens - oder gar eine Seilbahn? Oder alles zusammen? - In Estland sind in dieser Woche Kommunalwahlen angesagt, und all dies sind die Versprechungen verschiedener Parteien in der Haupstadt Tallinn (err). 

In einer Zusammenstellung des ERR (Eesti Rahvusringhääling/ Estnischer Rundfunk) wird versucht, die Themen der verschiedenen Parteien in der Hauptstadt zu vergleichen. Hier einige Beispiele aus dem Bereich der Bildungspolitik: 

Die Vaterlandspartei Isamaa allerdings will ab dem Schuljahr 2027/28 nur noch estnischsprachige Kindergärten zulassen, die Gebühren bis dahin auf der jetzigen Höhe deckeln.

Die rechtskonservative EKRE will auch russische Bildungsinstitutionen stufenweise zu estnischsprachigem Unterricht verpflichten, und gleichzeitig alle sogenannten "LGBT-Themen" (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender) vom Lehrplan komplett streichen. 

Auch "Eesti200" will nur noch estnischsprachigen Unterricht - und zwar schon ab 2023. Alle neugeborenen Kinder sollen verpflichtend estnischsprachigen Unterricht bekommen.

Die Reformpartei verspricht vorerst nur mehr Unterstützung für Lehrmaterialien und eine Erhöhung der Lehrer/innengehälter. Die Gebühren für die Kindergärten sollen reduziert, aber auch private Einrichtungen geschaffen werden. 

Letzteres ausgenommen, klingen die Versprechungen der Sozialdemokraten ganz ähnlich.

Die Zentrumspartei will auch Bildungseinrichtungen erhalten, in denen nicht ausschließlich Estnisch gesprochen wird, propagiert gleichzeitig Estnisch-Unterricht für Kinder aus nicht-estnischen Familien. In Tallinn sollen die Kindergartenplätze kostenfrei werden.

Für kostenfreie Kindergartenplätze plädieren auch die estnischen "Grünen", ergänzt durch den vermehrten Ausbau entsprechender Einrichtungen. 

Wahltag ist Sonntag, der 17. Oktober (traditionell immer am 3.Sonntag im Oktober, alle vier Jahre). Gewählt werden können alle, die mindestens 18 Jahre alt sind, die estnische oder die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes besitzen, und in einem der Wahlbezirke ihren dauerhaften Wohnsitz haben (siehe: Liste der Kandidat/innen). Wahlberechtigt sind alle ab 16 Jahre mit ständigem Wohnsitz in Estland. Die Hauptstadt Tallinn ist in acht Wahlbezirke eingeteilt: Haabersti, Kesklinn, Kristiine, Pirita, Põhja-Tallinn, Lasnamäe, Mustamäe und Nõmme. Auch auf elektronischem Wege ist die Stimmabgabe möglich (E-Voting).

Samstag, Oktober 02, 2021

Eesti 21

Schalke 04, BVB 09, TSG 1899, Mainz 05, Hannover 96 - viele Fußballvereine tragen stolz ihr Gründungsdatum im Namen. Wie nun auch der Weltfußballverband FIFA offiziell zur Kenntnis nahm: das Gründungsjahr des Fußballverbands in Estland (Eesti Jalgpalli Liit) war das Jahr 1921. 

Erst kürzlich werden die europäischen Fußballfans registriert haben, das der estnische Rekordtitelträger Flora Tallinn (13x Meister) kein Verein der Gartenfreunde ist, sondern inzwischen sogar Teilnehmer an der UEFA Europe Conference League - auf dem Wege dorthin wurde immerhin gegen die Shamrock Rovers aus Irland gewonnen. 2019 spielte auch Eintracht Frankfurt schon mal gegen die "Floristen", und das Magazin "Kicker" fragte "Flora wer?".

FIFA-Präsident Infantino (links)
mit Aivar Pohlak, Chef des
estnischen Fußballverbands,
Kinderbuchautor sowie
Präsident und Gründer
von Flora Tallinn
"Estland entwickelt sich beständig", so formuliert es auch die UEFA. Dort ist dann auch zu lesen, dass Fußball in Estland von britischen Seeleuten eingeführt worden sei und das erste Fußballspiel bereits am 6. Juni 1909 in Tallinn zwischen den Teams von Meteoor und Merkuur durchgeführt wurde. 

Auch der 21. Juni 2021 wird als markantes Datum für den estnischen Fußball in Erinnerung bleiben: an diesem Tag siegte das estnische Nationalteam nach 83 Jahren zum ersten Mal wieder gegen den Nachbarn Lettland und gewann damit den "Baltic Cup". (delfi/ ERR )