Dienstag, Dezember 22, 2020

Ungewohnter Neid

Die Estinnen und Esten, das müssten doch ruhige, zurückhaltende, nordische Charaktere sein, die ruhig und souverän über den Dingen stehen, wenn andere sich längst erhitzen und aufregen? Könnte sein. Gewöhnlich sind es eher die Nachbarn aus Litauen und Lettland, die sich nervös darüber wundern, wie oft Estland positiv in der internationalen Presse erwähnt wird - was vor allem dem "Tigersprung" der Digitalisierung des Landes zu verdanken ist. Nun aber blickt Estland nach Litauen - was ist passiert? 

In Litauen werde inzwischen ein höherer Durchschnittslohn als in Estland gezahlt, so vermeldet es der estnische ERR. Noch im Jahr zuvor sei dieser in Estland um 100€ höher gewesen, aber inzwischen habe sich das Blatt gewendet. Im dritten Quartal 2020 habe der durchschnittliche Bruttolohn in Estland bei 1.441 Euro gelegen, in Litauen sei er aber auf 1.455 Euro angestiegen (Lettland 1.147 €). Damit habe der litauische Durchschnittslohn um 10.4% höher gelegen als im gleichen Abschnitt des Vorjahres. 

Estland tröstet sich damit, dass die Last an Steuern und Abgaben in Litauen etwas höher sei als in Estland. Und immerhin sei der Durschnittslohn trotz der Coronakrise gestiegen, bestätigt auch die estnische Zentralbank (err). Diese Zahlen sagen allerdings vorerst noch nichts über die Bilanz des gesamten Jahres aus. Und der nüchternen Statistik steht ein erheblicher Rückgang der Beschäftigtenzahl in einigen Branchen gegenüber, so in der Reisebranche, den Gaststätten und den Hotels. "Diejenigen, die in der Krise ihren Job verloren haben, waren meist jüngere Leute", sagt die estnische Wissenschaftlerin Kadri Rootalu. "Noch 2019 waren in Estland etwa 33.000 Menschen im Bereich Übernachtung und Catering tätig," bilanziert Rootalu. "Aber schon kurz nach Ausbruch der Krise im März 2020 wurden 5.000 davon entlassen."

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