Dienstag, November 03, 2020

Estnisch heiraten

Willst Du mich heiraten? Ja? Nein? Vielleicht? Ob diese traditionelle Fragestellung auch in Zukunft noch in Estland möglich ist, will die Regierungskoalition im Frühjahr 2021 klären. 

Schon vor vier Jahren hatte ein Berichterstatter des Deutschlandfunks festgestellt: Estlands Weg zu mehr Rechten für Homosexuelle ist holprig. Mit 40 zu 38 Stimmen hatte das estnische Parlament (Riigikogu) ein Gesetz verabschiedet zum "kooseluleping" - deutsch meistens "eingetragene Lebensgemeinschaft" genannt. 2016 trat diese die Regelung in Kraft und erwies sich auch als gerichtsfest.

Also: gleiche Rechte für alle Menschen, die in Estland leben? Laut "Eurobarometer" befürworten 53% der Estinnen und Esten gleiche Rechte auch für Schwule, Lesben und Bisexúelle - 37% sprechen sich dagegen aus (gegenüber 43% in Lettland, 40% in Litauen). Dieselbe Umfrage zeigt aber auch, dass 51% in Estland sich gegen gleichgeschlechtliche eingetragene Partnerschaften aussprechen (63% in Litauen, sogar 70% in Lettland). Auf diese Art Skepsis setzt offenbar auch die rechtspopulistische EKRE (Eesti Konservatiivne Rahvaerakond / Estnische Konservative Volkspartei), die seit April 2019 Teil der estnischen Regierung ist und den Innen-, den Finanz-, Umwelt- und Außenhandelsminister stellt, dazu noch den Minister für ländliche Entwicklung.

"Die Schwulen können ja nach Schweden gehen - dort werden sie sicher freundlicher behandelt", sagte Innenminister Mart Helme gegenüber der Deutschen Welle (Original des Interviews Russisch). Daraufhin sah sich sogar Regierungschef und Koalitionspartner Ratas bemüßigt zu betonen, in Estland sehe der Verfassung gleiche Rechte für alle und ein Verbot der Diskriminierung bestimmter Gruppen vor. Die folgenden tagelangen Diskussionen soll Ratas "die schwierigste Zeit meiner politischen Karriere" genannt haben, und wurde poetisch: "Bei Koalitionen gibt es immer Sonne, Regen, Regenbogen, Hagel und Schnee - es spiegelt die Jahreszeiten in Estland” (Postimees).

Nun muss also Estland im Frühjahr 2021 darüber abstimmen, ob eine Ehe nur eine Verbindung zwischen Mann und Frau sein darf - so will es der Koalitionsfrieden (err). Ein exaktes Datum gibt es bisher nicht, aber es könnte wohl Ende April 2021 werden, heißt es. 2017 war gerichtlich geklärt worden, dass eine gleichgeschlechtliche Ehe zwischen zwei Männern, die im Ausland geschlossen wurdde, in Estland anerkannt werden muss.

Da steht ja offenbar eine interessante Zukunft für Estland bevor. Und es wird noch diskutiert, ob anläßlich der Abstimmung vielleicht weitere zusätzliche Fragen gestellt werden könnten. Na, da hätten wir doch Vorschläge! Wie war*s zum Beispiel mit: Sollen auch katholischen Ehen widerrufen werden können? Oder soll auch über lutheranische Ehen alle fünf Jahre neu abgestimmt werden? Schauen Sie mal besser zu Hause genau nach, ob Sie ihre Heiratsurkunde gut aufbewahrt haben ...

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