Sonntag, August 26, 2018

Die Apfelestin

Schon manches ist in diesem Jahr unternommen worden, um in variantenreicher Form dem 100-jährigen Jubiläum des unanbhängigen Estland zu gedenken - vom Eichenbäume pflanzen bis zum gemeinsamen Fahrrad fahren, tanzen, singen oder Theater spielen. Für die Künstlerin Kamille Saabre jedoch stehen gerade jetzt im Spätsommer ganz bestimmte Objekte im Fokus: estnische Äpfel.

Kamille Saabre malt Äpfel. Nicht ausschließlich - auch andere Früchte, und auch Blumen. Aber stets schlicht nach der Natur. Vielleicht auf dem Weg, die eigene Identität erkunden zu wollen. Saabre sagt: "Jeder Apfel ist wie ein Este". Aber aufgepasst: umgedreht stimmt dieser Satz noch lange nicht! Keinesfalls ist jeder Apfel wie ein Este (oder eine Estin) - ein Blick auf die Vielzahl der meist auf äußerliche Schönheit und einheitliche Größe gezüchteten Äpfel dieser Welt hilft weiter. Und Estland ist in dieser Hinsicht eben doch lieber nicht wie Italien - wo schon 70% aller Obstgärten nur "Golden Delicious" bieten (und auch Elstar, Jonagold, Gala, Cripps Pink, Rubinette und Pinova sind alles Kreuzungen mit dieser kommerziell erfolgreichsten Sorte des Handels.

Weiterhin sagt Saabre: "Ich bin nicht darauf aus, die Schönheit der Natur zu kopieren. Ich möchte aber die Betrachter inspirieren, obwohl auf den Bildern ja keine Menschen zu sehen sind. Dennoch gibt es die ganze Bandbreite menschlichen Lebens zu sehen." Und die Künstlerin kann es auch an der eigenen Person erklären, was sie meint: "Ich war schon in New York, ich habe meine Familie in Zürich gegründet. Zu meiner persönlichen Farbpalette kommt ein polnischer Großvater, eine türkische Großmutter, ein Vater aus Ägypten, eine Mutter aus Estland und ein Ehemann aus der Schweiz dazu. All dies beeinflusst mein Leben und meine Kunst."

Kamille Saabre hat schon ein wenig weiter gedacht: das hundertste Jubiläumsjahr ist bald schon zu Ende. Was dann? "Õun on nagu eestlane", wie gesagt. Saabre hat vorgesorgt, und einen Kalender nach diesem Motto für das Jahr 2019 zusammengestellt. "Wenn es nach mir ginge, würde ich den Apfel zur Nationalfrucht Estlands erklären" - auch dieser Satz stammt von Saabre. "Sogar dort, wo Bauernhöfe aufgegeben wurden und die Menschen längst weg sind, da stehen die Apfelbäume noch."

So gelangen die Apfelfreunde dann vielleicht zu der Erkenntnis:Kingin sulle õuna. Sest õun on eestlase moodi 
(Ich gebe Dir einen Apfel - weil der Apfel ein estnischer Weg ist)

Sehr schön auch, dass der Saabre-Apfelkalender 2019 auch den Apfelsorten-Spezialisten weiterhelfen wird: Geboten wird der "Liivi kuldrenett" im Januar, "Valge klaarõun" im Februar, ein "Sõstraroosa" im März, und ein "Juulikuine" schon im April. Es folgen ein "Suislep" im Mai, der "Paide taliõun" sowohl im Juni wie auch im Juli, und der "Pärnu tuviõun" für den August, der auch "Trebuu" oder Lambanina" genannt wird. Im September steht dann der "Antoonovka" im Kalender (der sogar schon einen Eintrag bei Wikipedia hat und wissenschaftlich "Kloostri Antonovka" genannt wird). Der Kalender-November bietet noch den "Krameri tuviõun", und das Jahr schließt ab mit dem "Liivi sibulõun". Was fehlt? Die für den Kalender-Oktober herausgesuchte Sorte nennt Kamille Saabre "Komsomolka" - ein Begriff, der von den meisten wohl mit verschiedenen Dingen des sowjetischen Alltags in Verbindung gebracht wird, den ich aber bei Apfelhändlern noch nicht gefunden habe. Vielleicht ein Apfel aus Nachbars Garten?

Und noch dies: Untersuchungen des estnischen Landwirtschaftsministeriums zufolge ist der Apfel der Est/innen meist konsumierte Frucht - 34g pro Einwohner und Tag (gegenüber Zitrusfrüchten mit 30g und Bananen mit 22g /Tag).

Kamille Saabre Webseite / Facebookseite / Estonia100

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