Zwar fährt gelegentlich noch eine weitere kleine Fähre vom lettischen Roja aus nach Ruhnu, aber viele Gäste hatten Aufenthalt und Anreise ja bereits gebucht, und so blieb kaum eine Alternative. Und damit nicht genug: die "Amalie", als Ersatzschiff für die "Runö" herbeigeholt, konnte Ende Juni ebenfalls den Hafen nicht verlassen - "starke Winde" wurden diesmal als Grund genannt. "Amalie" sollte wenigstens eine Verbindung nach Saaremaa möglich machen - wenn auch langsamer, kleiner und unbequemer als die reguläre Lösung.
Während bei der "Runö" unterdessen erst einmal der Motor komplett ausgebaut wurde - ein neuer musste bei Volvo in Schweden bestellt werden - waren estnische Politiker mit recht seltsamen Aussagen zur Stelle. "Ruhnu war immer schon ein extremer Ort zum Leben und für Besuche," so locker sah es Janek Mäggi, estnischer Minister für öffentliche Verwaltung. Nun hat sich auch Wirtschaftsministerin Kadri Simson zu Wort gemeldet. Auch ihre Aussage klingt wenig hilfreich, aus Sicht der Einwohner der Insel: "Sie haben diese Katamaran-Fähre gewollt doch selbst gewollt!". (ERR)
Dem vorausgegangen war ein Brief aus Ruhnu an die Ministerin, in dem die Tauglichkeit des eingesetzten Schiffes für die Route anzweifelte. Die Ministerin wiederum beruft sich auf die Aussagen der estnischen Seefahrtsverwaltung, der zufolge die "Runö" allen Anforderungen entspricht. Bereits seit 2012 habe das in Estland gebaute Schiff auch schon mehrere Verbesserungen bekommen, um eine sichere Fahrt und eine zuverlässige Verbindung zwischen der Insel in beide Richtungen - Saaremaa und Pärnu - zu gewährleisten. 2009 hatte das Ministerium eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die drei verschiedene mögliche Lösungen zum Ergebnis hatte. Diese wurden dann den Einwohnern auf Ruhnu präsentiert, und die Gemeinde habe sich dann für den Katamaran entschieden.
Inzwischen hat die "Runö" den regelären Fährbetrieb, mit einem komplett neuen Motor, wieder aufgenommen. Das Schiff war 2012 auf der "Baltic Workboats AS (BWB)" gebaut worden und war Teil eines EU-geförderten Projekts zur Förderung der Verkehrsverbindungen zwischen den estnischen Inseln und dem Festland gewesen. 1998 wurde die BWB von den beiden Geschäftsleuten Margus Vanaselja und Märten Väikmaa gegründet - ein estnisches Vorzeigeprojekt des "Made-in-Estonia". Drei weitere Schiffe wurden bei "BWB", die bis dahin vor allem schnelle Patrouillenboote gebaut hatten, in Auftrag gegeben: die "Ormsö" (Linie nach Vormsi), die "Abro" (Abruka-Linie) und die "Kihnu virve" (Kihnu und Manija). Zusätzlich baute "Reval Shipbuilding" die "Wrangö" für die Linie nach Prangli - kleine Schiffe, die außer ein paar Dutzend Passagieren noch maximal zwei Autos oder einen LKW mitnehmen können.
Ein weiteres Boot kam im April 2017 dazu. Die "Soela" soll zwischen Hiiumaa und Saaremaa verkehren, ist 45m lang, hat ein Fassungsvermögen von 200 Personen plus 22 PKWs und kostete 9,4 Millionen Euro (85% EU-finanziert).
"Der Fährverkehr nach Ruhnu kostet 530.000 Euro jedes Jahr," erinnert Minister Mäggi, "dazu 420.000 Euro für die die Flugverbindung von Mai bis Oktober. Das ist das Dreifache des Gesamtbudgets der Inselgemeinde." Von Pärnu aus fliegt ein kleines, achtsitziges Flugzeug die Strecke nach Ruhnu. Die Insel hat gegenwürtig 170 Einwohner. Bei solch hohen Kosten sei es einfach nicht möglich, kurzfristig auch noch einen Plan B in der Schublade bereit zu halten. (ERR) "Schon als 1918 Estland seine Unabhängigkeit errang, da bekamen die Insulaner das erst irgendwann im Mai heraus, nachdem das Eis geschmolzen war."
Der estnischen Regierung kann aber momentan schwerlich vorgeworfen werden, die Sorgen in Ruhnu vergessen zu haben. Erst kürzlich wurde ein weiteres ambitioniertes Projekt (Eesti Energia) eröffnet, gar nicht weit vom Flugplatz: eine 150KW-Solaranlage, die zur nachhaltigen energetischen Selbstversorgung beitragen soll. Auch die seit 2007 bestehende Windenergieanlage soll in Kürze erneuert werden. (ERR)