Donnerstag, Juni 30, 2016

Britain out, Estonia early in?

nach dem Brexit: noch keine
Übergabe-Modalitäten
von David zu Taavi
Der durch Volksabstimmung festgelegte, absehbare Ausstieg der Briten aus der EU wird auch aus Estland mit sorgenvoller Ungeduld beobachtet. Nicht etwa, weil Estinnen und Esten nun auch austreten wollen - nein, im Gegenteil. Die EU schließt sich enger zusammen, und blickt auf dringende Aufgaben. Das für die estnische Aussenpolitik wichtigste Ereignis auf der Agenda der EU-Politik wäre die EU-Ratspräsidentschaft, die für die erste Hälfte 2018 anstehen würde (siehe "Action plan"). Scheiden aber die Briten aus, gerät dieser Zeitplan durcheinander - und die Esten müssten schon sechs Monate früher ran.

Schon allein das für die Präsidentschaft benötigte Personal deutet die Notwendigkeit genauer Planungen an: mit 1300 Personen rechnete das estnische Aussenministerium, die für die Abwicklung und Koordiníerung von EU-Arbeitsgruppen und Gremiensitzungen nötig sind. Allein 500 Personen werden dafür benötigt, Arbeitsgruppen oder EU-Ausschüsse entweder zu leiten, oder stellvertretend tätig zu sein. Diese Leute müssen gut vorbereitet werden, dass kostet Geld und Zeit. Im Jahr 2015 waren insgesamt 479 Estinnen oder Esten bei EU-Instutionen tätig - Erfahrungen, die während der Präsidentschaft dringend gebraucht werden (siehe "personnel strategy"). Dabei werden bei der Suche nach guten Fachkräften u.a. auch deren notwendige Englisch-Kenntnisse hervorgehoben. Zitat: "Wünschenswert sind drei Jahre Arbeitserfahrung in englischsprechender Umgebung." (personnel strategy). Ziehen also auch die englischsprachigen estnischen Fachleute bald von England nach Brüssel um? 

Als "Examen eines EU-Mitgliedslandes" hatte schon 2015 der damalige estnische Botschafter in Brüssel, Mati Maatikas, die Präsidentschaft genannt (ERR). Innerhalb dieser sechs Monate sind zwischen 150 und 200 Sonderveranstaltungen in Estland geplant, europäische Events und Kongresse, deren Termine auch bereits vorfestgelegt waren - bisher. Nun ein vorgezogenes Examen? Für alles müssten neue Termine gefunden werden - wenn sich denn die Briten mal entscheiden würden, bzw. die konkreten Konsequenzen daraus absehbar wären. Momentan sieht es so aus, als ob Großbritannien die vorgesehene EU-Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2017 nicht wahrnehmen wird. GB out  - Estland's early in. Die Webseite zur EU-Präsidentschaft haben die Esten jedenfalls schon heute bereit gestellt. Was aber wohl kein Anzeichen dafür ist, dass die Esten diese Aufgabe rein virtuell angehen wollen. Presseberichten zufolge käme auch noch eine Teilung der Präsidentschaftsaufgaben zwischen Malta, die 2017 vor den Briten dran wären, und Estland in Frage (EUobserver, politico). Allerdings steht für Estland gleichzeitig auch noch eine andere Aufgabe an: das 100-jährige Bestehen der Unabhängigkeit Estlands soll gleich drei Jahre lang gefeiert werden: vom April 2017 bis Februar 2020 (siehe Webseite).

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