Montag, Mai 30, 2011

Noch 93 Tage

Update: Tartu
Ein Lette führt nun mit diesem Wurf die Weltrangliste im Speer an. Geworfen in Tartu und damit sehen wir ihn wohl in Daegu wieder. Vadims Vasilevskis. 88.22 Meter.



iaaf.org
bis zur Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Daegu, Südkorea.

Und wie es im Moment aussieht, könnte es eine interessante Begegnung zwischen zwei estnischen und zwei deutschen Diskuswerfern geben. Das ist der derzeitige Stand in der Weltrangliste 2011. 1. Harting, dann die folgenden Konkurrenten:
68.99 Robert Harting GER 18/10/1984 1c1 Halle 21/05/2011
67.49 Gerd Kanter EST 06/05/1979 1 Doha 06/05/2011
67.21 Martin Wierig GER 10/06/1987 2c1 Halle 21/05/2011
66.98 Märt Israel EST 23/09/1983 1 Chula Vista, CA 12/05/2011


Und noch eine Disziplin wird mit hoffentlich starker estnischer Beteiligung sein. Der Zehnkampf. Mikk Pahapill wurde gestern im wichtigen Götzis-Meeting Dritter mit 8398 Punkten. Die deutsche WM-Norm ist übrigens 8200 Punkte.

Ein Video über die bekanntesten estnischen Leichtathleten der letzten Jahrzehnte. Estonia and Atletics.

Donnerstag, Mai 26, 2011

Vastseliina Burg



aus Wikipedia: Vastseliina
Vastseliina Castle by Axiraa
Vastseliina Castle, a photo by Axiraa on Flickr.

Eines der ersten Bilder, die ich aus Estland gesehen habe, war in einem Buch mit Schwarzweissaufnahmen über Landschaft und historische Orte der drei baltischen Staaten. Die Ruinen der Mittelalterburgen blieben dabei am meisten in Erinnerung. Vastseliina gehört zu meinen Favoriten, die Burg liegt ganz im südöstlichen Winkel bei Voru.


Hier eine Webseite mit der Ruine aus verschiedenen Perspektiven und einem Modell der ursprünglichen Anlage. Vastseliina Castle Ruins

Mittwoch, Mai 18, 2011

Jugend in Narva

Auch wenn die Zeiten der illegalen Referenden über eine Autonomie von Ida-Virumaa, dem vorwiegend von Russen bewohnten Landkreis im Nordosten Estlands bald 20 Jahre her sind, ist das Thema der Russen immer noch eines, wenn auch nicht im täglichen Bewußtsein. Ida-Virumaa ist von Tallinn und Tartu aus weit weg – aus den Augen aus dem Sinn. Vor Ort ist es mit dem Estnischen nach wie vor schwierig – logisch: Warum sollten plötzlich russische Muttersprachler miteinander Estnisch sprechen. Estnisch ist nun nicht gerade eine einfache Sprache, vor Ort braucht man sie nicht und warum sollte man gerade eine so kleine Fremdsprache wie das Estnische lernen. In einer EU mit Freizügigkeit sind da andere viel interessanter.

Aber das gilt nicht ausschließlich. Die Zeitung Postimees berichtete jüngst, daß sich russische Jugendliche in Narva, dem Zentrum Ida-Virumaas und immerhin drittgrößter Stadt Estlands mehr Möglichkeiten wünschen, das Estnische zu praktizieren. Das wurde auf einem Schülerforum diskutiert, in dem es unter anderem um den Übergang zu Estnisch als Unterrichtssprache im Kreenholm Gymnasium ging.

Die Motivation der Schüler ist einfach, sie wollen in der Europäischen Union studieren und da gibt es eben keine Möglichkeit, die Ausbildung auf Russisch fortzusetzen, meinen die Schüler.

Letzteres stimmt nur bedingt. In Riga gibt es mit der Internationalen Baltischen Akademie eine Hochschule mit russischer Unterrichtssprache, und das in Sillamäe / Ida-Virumaa ansässige College für Ökologie und Technologie hat sich schon vor Jahren in ein Institut für Management verwandelt mit Filialen in anderen estnischen Städten, darunter selbstverständlich auch Narva und sogar Tallinn. Fragwürdig ist an diesen Institutionen natürlich die Qualität der Ausbildung.

Montag, Mai 16, 2011

Estnische Filmdokumente, digital

Im Rahmen eines von der Europäischen Union mitfinanzierten Projekts hat das Estnische Filmarchiv jetzt die Digitalisierung von 2000 Filmdokumenten abgeschlossen. Das älteste so neu erfasst und zugänglich gemachte Filmdokument stammt aus dem Jahre 1920, das neueste aus dem Jahr 2004. 

Wer Interesse an historischen filmischen Dokumenten hat und möglichst noch über estnische Sprachkenntnisse verfügt, der kann hier online verschiedene Filme sogar ansehen - wie das hier wiedergegebene Beispiel eines Films über die Stadt Viljandi aus dem Jahre 1940.

Samstag, Mai 14, 2011

Paldiski

Paldiski by josef.stuefer
Paldiski, a photo by josef.stuefer on Flickr.

Auf der Fotoseite von josef.stuefer stehen Motive im Vordergrund. Diesmal Paldinski, das von nicht wenigen Fotografen wegen des morbiden Ambientes aufgesucht wird. Übrigens früher auch als Baltischport bekannt.
Später das einzige Kernkraftwerk in der Sowjetrepublik Estland. Aus Wikipedia:


Übungs-Reaktor, Kernkraftwerk [Bearbeiten]

1968 wurde ein 70-MW-Trainingsreaktor in Betrieb genommen, an dem die Bedienung eines U-Boot-Reaktors trainiert wurde. 1982 folgte ein zweiter 90-MW-Reaktor. Die Stadt war als so genannte "verbotene Stadt" von der zivilen Außenwelt quasi abgeschnitten, und die Einwohner benötigten Sondergenehmigungen, um sie zu verlassen. Für Außenstehende war es praktisch unmöglich, hineinzukommen.

Beide Trainingsreaktoren wurden 1989 endgültig abgeschaltet. Der Abtransport der abgebrannten Brennelemente wurde 1994 abgeschlossen. Die kernbrennstofffreien Reaktoren wurden in jeweils einen "Sarkophag" eingeschlossen. Aufgrund eines Abkommens zwischen Estland und Russland ging die Verantwortung für den Standort einschließlich der dort verbliebenen radioaktiven Abfälle und kontaminierten Einrichtungen am 30. September 1995 an Estland über. Hierzu wurde die Gesellschaft ALARA gegründet.


Wikipedia: Paldiski

Montag, Mai 09, 2011

Intolerantes Estland?

Daß die postsozialistische Staatenwelt gegenüber in jeder Form andersartigen Menschen nicht besonders tolerant sind, ist nichts Neues. Über die Homosexuellen-Paraden und die damit verbundenen Schwierigkeiten wurde viel berichtet. Menschen anderer Hautfarbe betreffend besteht das Problem bereits darin, daß es kaum solche Menschen gibt in den baltischen Ländern. Immer wieder gibt es einige Vorzeigeausnahmen, die der Landessprache mächtig irgendwie im Showgeschäft Fuß fassen.

Nun gibt es eine Studie der OECD, die Estland erneut diesen Vorwurf macht. Dies muß erstens vor dem Hintergrund gesehen werden, daß es auch in anderen Ländern heftige Integrations- und Leitkulturdebatten gibt und die sogenannten Zigeuner eigentlich in keinem europäischen Land willkommen sind. Zweitens wird dieser Bericht im Jahre eins der Mitgliedschaft Estlands im Club der entwickelten Staaten publiziert.

Die OECD kommt nun zu dem Ergebnis, daß Estland unter den OECD-Staaten nicht nur mit Abstand die intoleranteste Gesellschaft sei, in der nur 26% der Befragten keine Probleme mit Fremden hätte, sondern sich diese Abneigung in den vergangenen Jahren noch verstärkt habe.

Der estnische Menschrechtsexperte Karl Käsper weist darauf hin, daß statistisch deutlich erkennbar ein Zusammenhang zwischen Toleranz und Lebensstandard bestünde. Je toleranter eine Gesellschaft ist, desto besser seinen die Indexe. In Estland konstatiert er, daß dieses Problem von offizieller Seite ignoriert werde. Daß es im Gegenteil zu anderen europäischen Staaten keine xenophobische Partei gebe, erklärt er damit, daß hinreichend viele Politiker der etablierten Parteien nicht anders dächten und dies auch öffentlich zum Ausdruck brächten.

Ein von der Zeitung Postimees befragter 28jähriger Portugiese, der in Estland seit sieben Jahren lebe, kommentiert, die Esten seien nicht intolerant, sondern vorsichtig. In der Geschichte habe das Volk Unterdrückung, Okkupation und Ausnutzung erfahren und sei deshalb Fremden gegenüber aus historischer Erfahrung zurückhaltend. Er habe in seinen Jahren in Estland keine Diskriminierung oder Gewalt erfahren. Natürlich gebe es einzelne Ereignisse, die den Rückschluß zulassen, daß jemand etwas gegen eine andere Hautfarbe oder fremde Gewohnheiten gehabt habe. Solche Menschen aber gibt es nach Meinung des Portugiesen in jedem Land.

Karl Käsper weist darauf hin, daß die Flüchtlinge aus Estland während des Zweiten Weltkriegs auch irgendwo in der Fremde angekommen seien und dort trotzdem aufgenommen wurden.

Ossi-Wessi-Konflikt auf Estnisch

Von Ende 2006 bis Mitte 2007 überschnitten sich die Amtszeiten der Präsidenten der baltischen Republiken so, daß gleichzeitig Rückkehrer aus dem Exil diese Position in Estland, Lettland und Litauen besetzten, Menschen, welche die Zeit der Sowjetherrschaft nicht persönlich erlebt hatten. Valdas Adamkus war in Litauen so populär, daß er nach dem Intermezzo mit dem später durch ein Impeachment abgesetzten Rolandas Paksas erneut gewählt wurde. Vaira Vīķe-Freiberga in Lettland überzeugte die Letten als Kompromißkandidatin, während in Estland mit Toomas Hendrik Ilves ein Mann aus der aktiven Politik das Amt bekleidet – er war vorher bereits zwei Mal Außenminister gewesen.

Über die Frage, was Osteuropa ist, gab es in der Politikwissenschaft in den 90er Jahren umfangreiche Diskussionen. Der Kompromiß lief in etwa darauf hinaus, sich auf diesen Begriff für die post-sozialistischen Staaten zu einigen. Estland jedoch mit seinem großen Bruder Finnland orientierte sich ganz im Gegenteil zu seinem südlichen Nachbarn Lettland schnell weg von einer Orientierung auf die schicksalhafte Vergangenheit hin zur Gestaltung einer neuen Zukunft. Ilves war es, der als Außenminister die Bezeichnung Estlands als osteuropäischen Staat zurückwies und erklärte, Estland sei ein nordischer Staat.

Vor den Sowjets waren viele Menschen aus dem Baltikum geflohen. Communities gibt es in Amerika, Australien, Schweden und Deutschland, um nur einige zu nennen. Einige der Flüchtlinge und auch einige Sprößlinge dieser Familien kehrten nach 1991 zurück. Für die örtliche Bevölkerung waren sie teilweisewillkommene Helfer, schnell aber wurde ähnlich wie im wiedervereinigten Deutschland klar, daß es Mentalitätsunterschiede gibt. In den 90er Jahren war der Vorwurf an die Exilanten aber auch andere Ausländer, sie verstünden überhaupt nichts, denn sie hätten ja nicht votr Ort gelebt, alltäglich.

Die meisten politisch aktiven Rückkehrer verschwanden schnell wieder von der politischen Bühne, wobei darunter sicher auch einige schillernde bis zwielichtige Personen waren wie etwa der Ex-Militär Jüri Toomepuu in Estland mit seiner radikalnationalistischen Partei wie auch der Pseudo-Lette Joachim Siegerist mit seinem Bananen-Coup.

Nun neigt sich die Amtszeit von Toomas Hendrik Ilves in Estland dem Ende zu und der Kolumnist Ahto Lohjakas meint, Ilves habe sich zunehmend von den Menschen im Lande entfernt und würde derzeit kaum eine Direktwahl gewinnen. Andrus Saar vom demoskopischen Institut Saar Poll pflichtet dem bei und sagt, Ilves habe seine Rolle als Präsident noch nicht gefunden, er wirke eher wie ein Gouverneur. Anstelle überzeugender Ideen, die er zielstrebig durchsetzen müßte, wechsele er häufig seine Positionen, mal näher am Volk mal ferner von ihm. Er halte Reden, welche die Angesprochenen nicht erreiche. Sein Urteil: den Präsidenten sähe man häufig, aber sichtbar sei er selten. Saar spricht von einer gläsernen Wand und wenig Empathie.

Da in Estland das Parlament den Präsidenten wählt und nicht das Volk, so Saar, ist von eienr Wiederwahl auszugehen, denn für die politische Elite gebe es keine Schwierigkeiten mit Ilves. Die estnische Verfassung sieht eine 3/5-Mehrheit für die Wahl des Präsidenten vor, was bislang seit der Unabhängigkeit nie geglückt ist, weshalb verfassungsgemäß ein Gremium aus Abgeordneten und Vertretern der kommunalen Parlamente zusammenkam. Nach den jüngsten Wahlen im März gibt es jedoch in Riigikogu nur noch vier Fraktionen. Die beiden Koalitionsfraktionen hatten Ilves auch früher unterstützt. Die oppositionellen Sozialdemokraten sind die politische Heimat des Präsidenten. Damit bleibt nur Savisaars Zentrumspartei, die gegen Ilves sein könnte. Gut möglich, daß das Parlament tatsächlich dieses Jahr erstmalig die Entscheidung direkt trifft.

Estland und der arabische Frühling

Estland ist nun seit Jahren Teil der EU und NATO-Mitglied. Oft werden diese als Wertegemeinschaften bezeichnet.
Nun, wie verhalten sich die Mitgliedsstaaten gegenüber der Entwicklung in vielen arabischen Ländern?
Elina Viilup geht in Diplomaatia dieser Frage nach:

The EU’s confused reaction to the Arab spring
...
Indeed, we seem to be witnessing the end of the so-called Arab exception, a patronising idea by which the concept of democracy is neither attractive nor possible in these countries. On the basis of this assumption, the Western powers have long made shady deals with the dictatorships in the region, despite the disregard of human rights and freedom of expression by the latter. The relations have been based on national interests, including stability concerns, ensuring energy security, and keeping religious fundamentalism at bay.

Da kann ich nur zustimmen, gerade von deutscher Seite spüre ich nicht viel Emphatie für die Bewegung gegen die alteingesessenen Diktaturen in Nordafrika und dem Nahen Osten. Das "aber" wirkt oft stärker.

Viilup kritisiert auch die Langsamkeit der EU. Allerdings gibt es da Traditionen:
Sowjetunion, Jugoslawien, nun so ähnlich mit den arabischen Staaten.

The events in the Southern Mediterranean countries and the Arabian Peninsula have unarguably taken the European Union by surprise and put its nascent common foreign and security policy to a tough test. The Union’s slowness and incoherent reaction to the events unfolding in what the Union perceives as its Southern Neighbourhood, and beyond it, has raised a number of questions regarding the efficiency of the Union’s common foreign policy and the lack of leadership at its helm.