Freitag, August 29, 2008

Boom, Boom, und Knut - in Estland

Einen neuen Estland-Blog hat Windows-Live-Fan und IT-Mangager Knut Albers unter der Bezeichnung >http://pealinn.spaces.live.com< eröffnet (alternativ auch unter >www.pealinn.tk<)

Erstes Kennzeichen: Deutschsprachig! Das ist schon mal sehr begrüßenswert, herzlich willkommen!
Als Einsteiger ist dort ein längerer Beitrag zur aktuellen Wirtschaftssituation in Estland zu lesen, garniert von interessanten Fotos zur Bausituation.
Ein zweites Kennzeichen ist leider, dass eine Beteiligung nicht so einfach ist: weder Kommentare schreiben, noch den Verfasser per Email erreichen ist möglich, ohne sich bei "Windows live" anmelden zu müssen. So bleibt uns vorerst das interessierte Lesen.
Einer Passage aus der dortigen "internen Hausmitteilung" dort können wir aber nur zustimmen: "Es gibt bisher leider nur wenige deutschsprachige Blogs über das aktuelle Geschehen in Estland und schon gar nicht auf politische und wirtschaftliche Themen spezialisiert. Diese Lücke soll mit diesem Blog geschlossen werden, in der Hoffung, dass die bereit gestellten Informationen nützlich sind."
- Also: viele Grüße, und viel Erfolg!

Mittwoch, August 27, 2008

Bundeskanzlerin Merkel in Tallinn

Georgien ist DAS Thema beim Besuch der Bundeskanzlerin in Estland. Ihre Rede im neuen Kunstmuseum wurde in den Agenturen zitiert. Eins wurde deutlich, estnische Politiker drängen auf Konsequenzen nach den Ereignissen in Georgien. Ich halte hier mal kurz einen Punkt von Präsident Ilves fest (aus der FAZ, der Artikel wird wohl nur vorübergehend online lesbar sein):
Ilves hält nichts mehr von kleinlichen Beschlüssen. Der Westen stehe vor einer enormen Herausforderung, denn die Grundannahme der internationalen Beziehungen der vergangenen zwei Jahrzehnte sei hinfällig. Es sei eben keineswegs anzunehmen, dass Russland vor einem Einmarsch in ein anderes Land wie 1968 in die Tschechoslowakei zurückschrecken werde. Die Nato müsse sich daher auf ihre Kernaufgabe besinnen, den territorialen Schutz seiner Mitgliedstaaten. Alle Aufmerksamkeit müsse vorerst darauf gerichtet werden, den Artikel 5 des Nato-Vertrages zu konkretisieren, also die Pflicht zum militärischen Beistand. Eventualplanungen für Polen gebe es im Bündnis bereits, führte Ilves aus. Nun müsse es auch Planungen für die Verteidigung der baltischen Staaten geben.


Bisher hat Estland erreicht, dass das Cyberwar-Forschungszentrum der NATO in Tallinn eingerichtet wurde. Aber für viele ist das nun kein ausreichender Schutz mehr.

Rückblickend bleibt die Suche nach den Details des Kriegsausbruchs, um festzustellen, was im August um und in Ossetien geschehen ist. Ein Beispiel liefert dieser Spiegel-Online Bericht. Aus anderer Perspektive hatte ich schon einen Artikel des Telegraph verlinkt: "In Washington nahm niemand das Telefon ab".
Und hier aus ossetischer Sicht die entscheidenden Tage:
Carnage in Tskhninvali

Offene Fragen bleiben viele: Wie kann ein Staat anerkannt werden, der möglicherweise gar keine Staatsbürger hat? Angeblich haben die meisten Südosseten die russische Staatsbürgerschaft. Die Meßlatte für die Anerkennung der Unabhängigkeit der baltischen Staaten war hoch. Mehrere freie Wahlen unter internationaler Beobachtung, zusätzlich ein Referendum unter Einschluß aller im Lande lebenden Personen. Noch nicht einmal das hatte am Ende gereicht.
Also, gibt es eine vernünftige, machbare Perspektive für eine Unabhängigkeit Ossetiens, nicht nur weil Russland es so will?

Sonntag, August 24, 2008

Fantasievoll für den Frieden

Estland ist ein fantasievolles Land. Hier wurde Skype erfunden, Genom-Projekte, E-Straßenschilder, der Buchstabe õ, und kostenlose Internetportale fürs Volk. Sicher einiges mehr. Dass die Esten dabei zwar manchmal wortkarg, aber doch sehr beharrlich auf ihre Eigenständigkeit pochen, ihre Sitten und ihre eigene Sprache pflegen, dürfte inzwischen bekannt sein. Auch wenn die eigenen Politiker und Repräsentanten in ihren Entscheidungen nicht immer das beste Bild abgeben (siehe kurzfristiger Umzug von Denkmälern), dann schweißt das die Esten doch offenbar noch mehr zusammen, und erstaunlicherweise zeigen die estnischen Imagekamgnen - verglichen mit denen ihrer südlicheren baltischen Nachbarn - ganz wirkungsvolle Effekte rund um die Welt.

Haben sich nun die Fragestellungen geändert?
Der bewaffnete Konflikt in Georgien scheint wie ein Katalysator zu wirken auf eine Neupositionierung der Kräfte Osteuropas, das heisst zwischen
Berlin und Moskau, zwischen Helsinki und Sarajewo. Voraussehbar oder nicht (einige bauen eben auf eine Verschärfung von Konflikten, auch wenn das manchmal aus Sicht der allgemeinen Menschlichkeit schwer vorstellbar ist). Könnte sein, dass Esten auch stur, engstirnig und so gar nicht weltläufig wirken, wenn sie sich um ihresgleichen scharen dort, wo sie leben.

Bedeutet die hervorgehoben klare Positionierung Estlands, zusammen mit Polen, Litauen, Lettland, an der Seite Georgiens auch eine innenpolitische Umorientierung? Jahrelang wurde immer von der "Brückenfunktion zu Russland" geredet. Inbegriffen alles, was den Esten an Integrationsaufgaben verschiedener Volksgruppen alles aufgebürdet wurde - mit hohen Ansprüchen an die internationale Rechtslage natürlich. Diese Positionen scheinen nun eingerissen zu sein - und zwar von beiden Seiten.
Es kann nicht so ganz beruhigen, wenn sich allgemein an Waffengewalt berauscht wird. Was wäre denn gewesen, wenn Präsident Saakaschwili seinen "internen Konflikt" in Südossetien einfach mit Waffengewalt hätte durchziehen können? Hätte jemand Beobachter gesch
ickt, die Toten gezählt, Beschwerden geschrieben, Botschafter abgezogen? Die Solidarisierung mit Georgien baut ja wohl völlig auf einer Frontstellung gegenüber Russland auf - und auf der Hoffnung auf eine internationale Solidarisierung. Diese Frontstellung gegenüber Russland ist dabei, halb Europa zu ergreifen, und muss ein kleines Land, dass direkt an der Grenze liegt, ja wohl auch erfassen. Auch wenn - oder gerade weil - noch so viele Raketen oder andere Waffen irgendwo stationiert sind.

Was soll die Welt von Estland lernen?
Es gibt ja die Auffassung, gerade bezüglich dem Umgang mit Russland müsse der Westen noch viel von den neuen, östlichen EU-M
itgliedsstaaten lernen. In punkto der estnischen Georgienbegeisterung (wer anders denkt, möge sich zu Wort melden!) bin ich mir da momentan nicht so sicher.

Auffällig ist jedoch die große Kampagnentauglichkeit mancher Ideen und Projekte auf estnischer Seite. Neben allen Auseinandersetzungen, ob nun estnische Kriegsfreiwillige nach Georgien reisen, oder um die Effektivität oder monetäre Höhe der estnischen humanitären Hilfe in Georgien gibt es immer wieder Schlagzeilen, die trotz des ernsten Themas schmunzeln lassen. Noch während der in Georgien aufgeflammten kriegerischen Auseinandersetzungen gab es Berichte, dass der Verkauf von georgischem Wein sich in Estland teilweise verdoppelt habe (speziell die Marke "Alt-Tbilisi"). Die Esten wollten damit ihre Unterstützung für Georgien ausdrücken, so berichteten einige Medien (im Unterschied zu Litauen und Lettland übrigens, aber die Letten zogen, offenbar animiert durch entsprechende Medienberichte, eine Woche später nach - siehe "Baltic Course").

Solidarische Trinker
Das Thema "georgischer Wein" geht übrigens noch weiter: die zwei britischen Journalisten
Matthew Lynn and Hugh Fraser beschreiben in ihrem Blog, es sei "schwierig, Georgien zu besuchen, und nicht diesen wundervollen Wein zu trinken". Auch das Raketenstationierungsabkommen zwischen Polen und den USA sei zwischen den beiden Außenministern Rice und Sikorski mit georgischem Wein begossen worden (Zitat aus "The Independent"). Es zieht sich also durch, das solidarische Weintrinken (und was wird wohl Kanzlerin Merkel bei ihrem Estland-Besuch morgen von Präsident Ilves kredenzt bekommen?). Keine Angst, Antialkoholiker können auch solidarisches Mineralwasser aus der Region Borjomi trinken.

Russland hatte die Einfuhr von Weinen auch schon mal verboten, weil diese angeblich "gesundheitsschädlich" seien. Aber damit waren wohl eher die illegal gepanschten Waren gemeint.
(Foto: aus der Borjomi-Werbung)
Den Esten das Singen verbieten?
Warum sollte die Wirksamkeit von konsumorientierten Aktivitäten von Estland gegen Russland eigentlich wirksamer sein als umgekehrt? Aber vielleicht kommt zumindest den Esten ihre Ausgangslage schon allzu alltäglich und gewohnt vor: die Energiepreise steigen, die Öl-Transportwege werden an ihnen vorbeigeführt, nach Osten hin ist die Grenze im Brüsseler Auftrag abzuschotten, und von Landesfläche und Einwohnerzahl her haben Esten in der Welt allein sowieso nichts auszurichten (ähnlich dem in Deutschland früher so bekanntem Spruch: "was kümmert mich, ob in China ein Sack Reis umfällt"). Nun kommt noch mit der Wirtschaftsflaute die offenbare Abhängigkeit von erstens den US-Banken und zweitens dem Weltmarkt zutage.
Was kann man tun? Estnisches Public Relation geht in die Offensive. Nun will Kulturministerin Laine Jänes ihren Landsleuten das Singen verbieten.

Nein, Mundtücher werden die Esten nicht tragen müssen. Seit der Ausrichtung des Grand Prix d'Eurovision im Jahre 2002 in Tallinn wissen sie, was ein gutes Kulturmanagement ausmacht - auch und vor allem für die Imagewerbung (für Bremer: gleichzeitig war es das Debakel von Corinna May). Die Ausrichtung der Eurovision hat damals Estland ganz sicher auf dem Weg in die Europäische Union geholfen. Also: wenn wir uns doch von der gegenwärtigen Politik Russlands bedroht fühlen (um das mal von den Beziehungen zwischen den Menschen zu unterscheiden), dann fokussieren wir uns doch mal auf diejenigen Events, die speziell für Wirtschaft und Imagewerbung gemacht sind. Olympia in Sotschi wäre das eine - aber noch zu weit weg. Schon im Mai 2009 richtet Russland den Schlagerwettbewerb der Eurovision aus. Dies könnte ja eine reine Propagandaschow Russlands werden, beeilen sich die Esten nun zu verbreiten, und kündigen die Möglichkeit an, Estland könne dem Event fernbleiben.

Die Meldung geht offenbar schnell rund um die Welt. Nur kurze Zeit später reagieren Medien in
Finnland, Belgien, Rumänien, Aserbaidshan, Österreich, Deutschland (um nur ein paar Beispiele zu nennen) und natürlich Estland selbst - um nur einige zu nennen. Ein "Boykott" sei das aber nicht, lassen sich zwei der Initiatoren - Kulturministerin Jänes und Radio- und Fernsehchef Allikmaa sorgfältig zitieren, lediglich eine "Haltungsdemonstration".

Während einige salopp sagen "na gut, endlich hat dieses Trällern mittelmäßiger Lieder ein Ende", ist die Eurovisions-Fangemeinde naturgemäßg keinesfalls begeistert. Ob es denn richtig sei, gerade die Künstler zu bestrafen, so werden etwa bei ESCTODAY zurückhaltendere Äußerungen zitiert. Auch auf den Unterschied zwischen Eurovision und Olympia wird hingewiesen: während bei Olympia die Vergabe von politischen Entscheidungen abhänge, erwirbt bei der Eurovision ja nur der Sieger des vorangegangenen Wettbewerbs für sein Land die Austragungsrechte (ebenfalls Zitat Jänes).

Kultur + Politik = Kulturpolitik?

Beistand wird gesucht und gefunden vom schon in der Sowjetzeit äußerst erfolgreichen Komponist Raimonds Pauls aus dem Nachbarland Lettland (einige auf estnischer Seite wünschen sich einen gemeinsamen Boykott aller drei baltischer Staaten). Pauls erklärt eine derartige Reaktion erstens für verfrüht und erklärt zweitens sein Mißfallen gegenüber einer Vermischung von Kultur und Politik.

Tja, aber ist nicht auch sonst das Einsetzen von Kulturschaffenden für politische Zwecke gang und gäbe? Da müssen Jongleure und Feuerschlucker auch schon mal Atomkraftwerke eröffnen, Tänzer und Musikanten bei dutzenden politischen Anlässen den Rahmen garnieren, und gerade in diesem Jahr bemüht sich Deutschland mit deutsch-estnischen Kulturveranstaltungen darum, ein allzu verschrödertes Image wieder aufzupolieren.

Jedenfalls: nun diskutieren auch die Schlagerfans über Georgien, Süd-Ossetien und Abchasien (siehe ESCTODAY, oder auch OIKOTIMES). Zu hoffen bleibt eigentlich, dass all diese fantasievollen Aktionen letztendlich nur einem Ziel dienen: der Erhaltung des Friedens. Die Menschen in Russland, oder gar diejenigen russischer Abstammung oder Sprache in Estland hätten anderes sicher nicht verdient.

Donnerstag, August 21, 2008

Öölaulupidu 19.08.08


Öölaulupidu 19.08.08
Originally uploaded by Martinlu
Das Nacht-Songfestival, ein Höhepunkt des Kultursommers in Tallinn. Unter anderem standen die Festival-Hits der letzten Jahrzehnte auf dem Programm.
Wie immer im Sängerstadion. Martinlu mit einigen Eindrücken der Veranstaltung auf seiner Fotoseite.

Dienstag, August 19, 2008

Heute in Beijing

Für einen Moment steht heute in Estland die Olympiade im Vordergrund. Um 15 Uhr beginnt das Finale im Diskuswurf der Leichtathletik. Nicht nur theoretisch ist sogar ein gesamtbaltischer Gewinn möglich. Unter den besten Zwölf sind die Esten Aleksander Tammert und Gerd Kanter und der Litauer Alekna.
Trotz aller Orientierung nach Skandinavien, beim Sport wird sich immer noch unter baltischen Nachbarn verglichen. Foto aus delfi.ee:

Aleksander Tammert, Wikipedia-Foto


Update: Kuld!=Gold

Kanter wird Olympiasieger, Tammert 12. Und Alekna bekommt Bronze. Malachowski ist ein Aufsteiger aus Polen und erringt Silber.
Zwar gehen nicht alle drei Medaillen ins Baltikum, aber sie bleiben immerhin in der Gegend.

Und ich hatte Probleme das Ganze live zu sehen. Es gab weltweit weder vernünftige Livestreams ( die von den Bahamas waren die Besten, die ich gefunden habe) noch Übertragungen. Deutsche Sender streamen nur im Inland, dann kann ich auch den Fernseher einschalten. Noch nicht einmal die offizielle olympische Webseite hat einen Ergebnis-Liveticker für Leichtathletik. Da waren wir schon stellenweise vor 10 Jahren weiter bei anderen Leichtathletik-Wettbewerben. Internet-Steinzeit überall.
Deswegen ein Link mit Presseausschnitten zum Siegeswurf von Kanter irgendwo bei Youtube, wo das jemand hochgeladen hat. Und übrigens auch Online-Eurosport und der Spiegel-Liveticker waren Info-Wüsten, was den Diskuswettbewerb betrifft. Harting, der Deutsche, hatte Chancen und wurde Vierter. Ich gebe die Hoffnung auf, dass ich jemals eine Leichtathletik-Übertragung ohne Kompromisse sehen kann. Ich bin bereit zu zahlen. Nur Diskus dann bitte. Aber das ist wohl Illusion.

Donnerstag, August 14, 2008

Cyberwar - virtuelles Verwirrspiel, estnische Erfahrungen

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Georgien haben auch eine neue Diskussion um den sogenannten "Cyberwar" eröffnet. Einerseits deswegen, weil Estland gern Georgien mit estnischen Erfahrungen aushelfen will (AFP), und die IT-kundige Szene bereits zu berichten weiß, dass Estland bereits die Webseite des georgischen Aussenministeriums hostet (PCWelt). Andererseits wird das als "sich verschärfende Cyber-Auseinandersetzungen" gedeutet.

Vielleicht ist es aber auch schlicht und einfach ein Zeichen dafür, dass über das Internet eben inzwischen auch in Europa jede Art propagandistische Auseinandersetzungen laufen. Ich selbst hatte zumindest den Eindruck, dass auch die Seiten der staatlichen russischen Nachrichtenagentur "RIA Nowosti" in den vergangenen Tagen eine längere Zeit nicht zu erreichen waren. Also geht es wohl auch beim Blockieren der anderen und im Gegenzug Groß-Herausbringen der eigenen Seiten in erster Linie um die "virtuelle Lufthoheit" auf dem Felde der Propaganda.

Die NETZEITUNG bringt dazu eine ausführlichere Analyse. Dort ist auch von "Edit-Schlachten bei Wikipedia" die Rede. Aber auch davon, dass von Beeinträchtigungen militärischer oder wirtschaftlicher Art bisher noch keine Rede sein könne (im Fall Georgien, und bezogen auf die "virtuellen Angriffe"). Schlußfolgerung: digitale Aufrüstung, die sich in der Öffentlichkeit bemerkbar macht, zwingt politische Gegner zunächst mal nur dazu, ebenfalls tätig zu werden. Eine "Übermacht", die sich etwa aus der Größe eines Landes schließen lassen könnte, ist damit aber nicht verbunden.

Beim IT-Spezialisten HEISE.DE werden auf russischer Seite Namen genannt: ein "Russian Business Network" sei dafür verantwortlich, dass drei wichtige Verbindungsserver (zwei in Russland, einer in der Türkei) blockiert worden seien, somit die georgischen Seiten nicht mehr erreichbar waren. Ob die Blockade russischer Server dazu führt, dass auch russische Seiten mit betroffen sind, wird an dieser Stelle leider nicht erklärt.

Eine weitere Meinungsäusserung gibt es auf SPIEGEL ONLINE. Das Zwischenfazit dort weist darauf hin, dass im Laufe der vergangenen Woche eben viele Einzelmenschen aus persönlicher Motivation, und mit guten IT-Kenntnissen ausgestattet, aktiv waren. Viele davon "hätten ihre Pubertät noch vor sich", so der SPIEGEL süffisant, und für die Regierungen sei deren Aktivität "konkurrenzlos billig" (wenn sie in den jeweiligen Kram passen).

Vielleicht ist es ja auch das - als Ziel von "Cyberwar-Abwehrmaßnahmen"? Die Regierungen vor den kenntnisreichen Bürgen zu schützen? Oder werden eher die Polizei- und Anticyberwar-Behörden politisch entsprechend fanatisierte Bürger dort gewähren lassen, was ihre liebste Spielwiese zu sein scheint?

Mittwoch, August 13, 2008

Georgische Exkursionen

Nun also auch hier - im Estland-Blog - das Thema Georgien. Auf "vielfachen Wunsch", sozusagen.
Ich glaube ich stehe nicht alleine, wenn mich diese baltische Georgien-Euphorie verunsichert. Da wird eine Menge Geld dafür ausgegeben, damit möglichst viele Projekte mit Georgien gemacht werden, von wissenschaftlichen Konferenzen bis zu Jugendlagern, damit letztendlich auch dieses Nachbarland Russlands noch unbedingt in die NATO kommen muss. Inklusive US-amerikanischer Raketenstationierungs-Träume. Muss das sein?

Zunächst mal das Aktuelle: Heute (13.8.) versammelten sich die Präsidenten Estlands, Lettlands und Litauens sowie der Regierungschef Lettlands in der georgischen Haupstadt Tblisi (Tiblis) und verabschiedeten ein gemeinsames Statement. Ich versuche mich an einer Übersetzung ins Deutsche:

"Wir haben Georgien besucht und drücken hiermit unsere volle Unterstützung aus für den demokratisch gewählten Präsident und die Regierung Georgiens aus.
Im Hinblick auf die Bemühungen, die von der EU-Ratspräsidentschaft und der internationalen Gemeinschaft unternommen wurden, betonen wir folgendes:
1) Wir brauchen einen sofortigen Waffenstillstand, ein Ende der Aggression und einer weiteren Okkupation des souveränen demokratischen Georgien;
2) Die Notwendigkeit die Okkupationstruppen aus Georgien zurückzuziehen, und eine internationale Friedenstruppe unter Aufsicht der Europäischen Union zu etablieren;
3) Die einzige Option um ähnliche Akte der Aggression und Okkupation gegenüber Georgien in Zukunft zu verhindern, ist es einen NATO Aktionsplan zu schaffen (Membership Action Plan MAP);
4) Die Schaffung von humanitären Korridoren ist dringlich, genauso wie internationale Anstrengungen den zivilen Opfern der russischen Aggression humanbitäre Hilfe zukommen zu lassen;
5) Wir haben den Eindruck, dass das in der vergangenen Nacht präsentierte Dokument, in Moskau und Tbilisi, dieses grundsätzliche Element - der Respekt gegenüber der territorialen Integrität - vermissen lässt.

Aber ist es nun das, worauf Estland die ganze Zeit gewartet hat? Die Unterstützung für Georgien war schon längere Zeit einer der Schwerpunkte auch der estnischen Außenpoltik. Dass aber Friedenspolitik ausschließlich der Militärpolitik dienen soll, kann ich aber kaum glauben. Will sich Estland nun wirklich statt als Vermittler lieber als Generalankläger in russischen Belangen profilieren?

Der estnische Präsident Ilves schreibt in einem Statement: "Russland hat sich selbst zu einem Kriegsbeteiligten gemacht, und ist daher als 'Peacekeeper' in Abchasien und Südossetien diskreditiert." (Pressestatement 13.8.08). Das ist sicherlich wahr. Nur hätte ich nicht gedacht, dass Estland so schnell seine Erfahrungen aufgibt, die es ja im Zusammenleben mit Russen gemacht hat. Gesellschaftliche Integration würde ja auch in Estland nicht funktionieren, nur weil jemand mit der Waffe danebensteht und sagt "Vertragt euch, oder ich schieße!"

Es ist offenbar schon jetzt ein Preis, der für die schnelle NATO-Osterweiterung zu zahlen ist - sind wir wieder im Kalten Krieg angekommen?

Hintergrundinfo:
Der "Osteuropablog" übersetzt dankenswerterweise die Reaktionen russischer Oppostionspolitiker auf den Krieg in Georgien, die ROSBALT russisch zusammengestellt hatte

Georgien


Georgia 008.jpg
Originally uploaded by Flasher T
Kein leichtes Thema. Ein abschließendes Urteil über die Vorgänge im Kaukasus liegt für mich in weiter Ferne. Deshalb nur eine lose Ansammlung verschiedener Aspekte und Links.
Georgien ist ein großes Thema in Estland. Mehr als in vielen anderen europäischen Ländern. So ist es verständlich, dass die drei baltischen Staatsoberhäupter nach Tiflis flogen, aber auch der polnische Präsident. Und Polen ist schon ein politisches Schwergewicht innerhalb der Europäischen Union.
Das Foto stammt von Flasher_T, der die kleine Unterstützung-Demo für Georgien in Tartu dokumentiert hat.
Flasher weist darauf hin, dass das russische Militär auf nur eine Entscheidung eines anderen Landes reagiert habe. Die Drohung der Ukraine, die Schwarzmeerflotte nicht mehr in den Heimathafen zu lassen. Deswegen seien während der Krise russische Schiffe zurückgekehrt.

Eine Szene stößt einigen amerikanischen Bloggern auf: Georgien ist mindestens der drittwichtigste Verbündete in Afghanistan. Nun mussten sie Truppen abziehen, und manche Amerikaner fanden sich im Gegenzug als schmutzige Zaungäste wieder, die zu Passivität verdammt waren, ohne ihrem Verbündeten helfen zu können. R.J.Koehler im Blog Marmotshole:
Georgia sent 2,000 troops to Iraq, and as I said to a friend of mine this morning, we have 150,000 US troops in Iraq and another 20,000 in Afghanistan bringing “democracy” to people who wouldn’t know democracy from a goat’s cunt, yet we might sit and watch as the Russians steamroll the Georgians. I’m not saying the US should intervene in Eastern European ethnic conflicts, or that the Georgians didn’t to a large extent bring this on themselves by punching the bear in the nose, but like I said, watching this one from the sidelines makes me feel rather dirty.


Georgien möchte der EU und Nato beitreten. Eigentlich dürfen dann keine ernsthaften Grenzstreitigkeiten mit Nachbarn vorhanden sein. Vielleicht haben hier einige Interesse am Status Quo, der Teilung des Landes.

Mehr als irritierend finde ich die Stalin-Statuen auf den Zentralplätzen in georgischen Städten. Ich möchte mir nicht ein EU-Mitglied vorstellen, das Stalin in der Mehrheit als nationale Größe verehrt. Vergangenheitsbewältigung light.
Und Aleks von All About Latvia hat die Demo in Riga photographiert.
Bei Giustino lautet der Georgien-Post: to die for Danzig?
Und viele Blogger verweisen auf Registan. Der Autor bietet viele weiterführende Links. Wer sich da hineinwühlen will: Ignore the Day-to-Day, and also Bloggers
Und wenn wir schon auf die drei baltischen Präsidenten in Tiflis hinweisen, hier ein Zitat aus Lapelis, einem Blog über Litauen. Es macht deutlich, wie Informationen das Meinungsbild prägen, hier über Südossetien:
Was damit gemeint ist, erklärt Lietuvos rytas-Journalist Rimvydas Valatka: „Wer regiert den südossetischen ‚Staat’? Die Osseten? Nein, die Russen. Die Mehrheit von ihnen mit Schulterklappen.“ Der Premierminister Südossetiens Juri Mozorow habe seine Ausbildung in Ufa erhalten, sei dann von Kursk aus, wo er in der Direktion einer Ölfirma gearbeitet habe, nach Zchinvali entsandt worden. Innenminister Michail Mindsajew hatte den blutigen Einsatz russischer Sondereinheiten gegen die Entführer von Beslan geleitet. Anatoli Barankewitsch, der Sekretär des südossetischen Sicherheitsrates wurde in Kaliningrad geboren und war als Offizier in Tschetschenien. Auch der Verteidigungsminister und die Sicherheitschefs waren vor ihrer politischen Karriere in Südossetien russische Militärs. „Was ist das,“ fragt Valatka, „wenn nicht die Annexion fremden Bodens?“


Update 18. August: Was war der Auslöser des Konflikts im Kleinen? The Telegraph versucht sich an einer Rekonstruktion der Ereignisse Anfang August. Die Komponente Missverständnis kommt nun auch ins Spiel: Ein platter Reifen als Auslöser des Georgienkrieges.

Sonntag, August 10, 2008

Olympiade in Beijing


Das estnische Team beim Nationenaufmarsch in Beijing. Hier beim Public Viewing in Korea. Vorneweg Gerd Kanter, der zu den besten Sportlern Estlands gehört. Vielleicht gibt es einen harten Wettbewerb um den ersten Platz im Diskus. Der andere Konkurrent ist Alekna aus Litauen. Gemeinsam ist beiden ihre Unterschrift unter eine politische Petition an den Präsidenten Hu, unterstützt von Amnesty International. Ein Offener Brief. Diese Seite der Olympischen Spiele jenseits des Sports ist allgegenwärtig. Jedenfalls in der Berichterstattung im Westen, wozu Korea in diesem Fall auch zählt.
Die Volksrepublik China ist bekannt für ihre selbtbewussten Botschaftsneubauten, auch in Tallinn ist sie nicht gerade klein im Vergleich zu den europäischen Vertretungen. Und die sind schließlich Nachbarn. Wenn das nicht ein Hinweis auf die Zukunft ist.
China Botschaft

Update 18. August. Nun ist die Unterschrift von Gerd Kanter wieder weg. Sie war wohl nicht autorisiert. Danke Larko für den Hinweis, hier auf seinem Blog.