Freitag, März 16, 2007

Neues aus Mari El


Photo: Uralica.com
Oder doch wieder die alten Nachrichten. Mari El ist eine Republik innerhalb Russlands. Die Mari, oder Tscheremissen genannt, sind ein finno-ugrischer Zweig, sprachlich gehören sie zu den Wolgafinnen.
Da ihre Region weit abgelegen war, haben sich alte Traditionen gehalten. Die religiösen Vorstellungen vieler Mari beinhalten zum Teil noch altertümliche heidnische Elemente. Vielleicht so ähnlich wie die früheren Esten und Finnen vor der Christianisierung.
Es gibt Bestrebungen, die eigene Sprache zu retten, es fehlen Schulen. Und es gibt die üblichen Vorfälle:
...On 25 January of this year, Galina Kozlova, a member of the board of the Mari national organisation Mari Usem, and wife of Vladimir Kozlov, chair of the Mari council, was attacked and suffered severe head injuries. The attack follows a series of attacks on Mari activists and journalists in the Mari El republic, and no convictions or arrests have been made. The Mari are a Finno-Ugric minority in Russia, concentrated in the Mari El republic. They are pushing for full cultural and linguistic rights, such as access to secondary and higher education in their language.

Quelle: Europaparlament und www.mari.ee
Ein lesenswerter Beitrag zu diesen "Waldmenschen" stammt aus der schweizer WOZ von 2004. Und nicht nur russische Behörden spielen darin eine Rolle, sondern auch die Praktiken der Kirchen (auch finnische), die dieses Heidentumrelikt auslöschen wollen:
Doch nicht nur die russisch-orthodoxe Kirche kämpft um die Seelen der «kleinen Leute». Seit Ende der Sowjetunion sind unzählige Missionare, viele davon Angehörige protestantischer und fundamentalistisch-christlicher Gruppierungen, nach Russland geströmt. Besonders aktiv sind in Joschkar-Ola die LutheranerInnen. So fliessen etwa aus Finnland - die FinnInnen haben wegen der Verwandtschaft mit den Mari ein besonderes Interesse am kleinen Volk - nicht nur Hilfsgelder, sondern es kommen auch Missionare ins Land. Im Zug von Moskau nach Joschkar-Ola treffen wir eine Gruppe jugendlicher finnischer LutheranerInnen, die in Marij El ein Sommercamp organisiert. «Solch heidnische Rituale gab es in Finnland früher auch», erklärt mir eine der jungen Frauen. «Doch das ist heute Gott sei Dank vorbei.»

Deutlicher wird Gennadij Schwarjow. Der frühere Berufsmilitär mit dem für einen Russen untypischen, penetranten Strahlen im Gesicht ist der Leiter der Kirche der Evangelischen Christen in Joschkar-Ola. Schwarjow wurde von US-amerikanischen Evangelikalen bekehrt. Auch die Kirche in Joschkar-Ola wurde 1993 von Missionaren aus den USA gegründet. «Die Zaubereien und der Aberglauben der Mari sind Netze, die der Satan auslegt, um die Menschen darin zu fangen», sagt Schwarjow
...

1 Kommentar:

  1. Die Mari - so auch die Samen Skandinaviens - gelten als die letzten polytheistischen Kulturen Europas. Im Zuge der Globalisierung, der Entvölkerung der ländlichen Regionen und dem Eindringen westlicher Kultur werden diese uralten Kulturen jedoch bereits in 50 Jahren zerschlagen sein. Sie sind das letzte Relikt einer uralten, menschlichen Denkungsart, welche sich einst über den gesamten Kontinent (und die Welt) erstreckte. Die indigenen Polytheismen galten und gelten bis heute den monotheistischen Religionen als furchteinflößende Fratze, welche es durch missionarischen Eifer zu besiegt gilt. Dabei vergessen diese, dass sie zum einen selbst auf polytheistischen Grunde stehen (Festtage, religiöse Figuren als umgewandelte Götter, Göttinnen, Elbe, Riesen etc., s. auch die Bibel selbst) und zum anderen, dass der Mensch selbst Schöpfer aller Kultur, so auch aller Religionen ist und war. Der Mensch ist aufgrund seiner eigenen Weltwahrnehmung und Konstitution permanent im schöpferischen Prozess inbegriffen und erschafft sich ständig neue Polytheismen (historisches Beispiel: die Heiligen als Götterersatz). Im polytheistischen Denken kann der Mensch sich selbst entdecken, seine Ängste, seine Sorgen und Freuden auf eine schöpferische Weise zum Ausdruck bringen; die reine Vernunft ist diesem fremd, was natürlich – wie auch beim „rationalen“ Menschen vorkommend – zu schweren Fehlentwicklungen führen kann (Menschenopfer etc.).
    Gerade aber die marischen Polytheismen sind ein Beleg dafür, dass zum einen die friedliche Tendenz überweigt und zum anderen nicht nur das „Landvolk“ an der gleichen Dinge „glaubt“ und diesen „Glauben“ „bewahrt“, sondern dass auch insbesondere - wie kann es denn anders sein - kulturschaffende Menschen (Künstler, Dichter, Musiker, Schauspieler etc.) nötig sind, um die Integrität einer polytheistischen Kultur zu sichern oder überhaupt erst herzustellen. Als vorzügliches Beispiel sei Oleg Michailowitschs Tätigkeit hervorgehoben, welche in der arte-Dokumentation: „Ava – Die Stimme meiner Mutter“ vorgestellt wurde.
    Die bist heute anhaltende Mission und Unterdrückung polytheistischer Kulturen („Heiden“) stellt nicht nur eine kulturelle Verarmung, sondern eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte dar. - Kommentare erwünscht: Gast964@gmx.de.

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