"Erledige die Arbeit, dann kommt die Liebe von selbst", diesen Satz des Schriftstellers A.H. Tammsaare schrieb der jetzige Aussenminister Estlands, Urmas Paet, einmal anläßlich der Konferenz "Europa eine Seele geben" - als er noch Kulturminister war - den Europäern ins Stammbuch. Es soll wohl heißen: Erledige sachlich deine Arbeit, dann wirst du sie auch lieben lernen.
Ob Paet, der studierte Politologe und ehemaliger Radio- und Zeitungsjournalist, mit dieser Devise auch sein Amt aus Aussenminister ausfüllt, wird wohl sein Geheimnis bleiben.
Paet erzeugte erst kürzlich, im November 2005, wegen seines unkonventionellen Vorgehen gegenüber Russland Presseschlagzeilen. Paet hatte persönlich die Teilnahme an einem Runden Tisch zur Grenzkooperation an den neuen EU-Aussengrenzen in St.Petersburg zugesagt, der Kreml sagte aber "njet", verweigerte kathegorisch ein Einreisevisum, und wies dem Esten die kalte Schulter. Begründung: nur "gleichrangige Diplomaten" könnten einen Minister nach Russland einladen. Das wäre der russische Aussenminister Lawrov gewesen. Dieser rief Paet an und bedauerte den Vorfall - als es längst zu spät war; so jedenfalls wurde das Gespräch in verschiedenen Berichten wiedergegeben. Nun, vielleicht erinnerte sich Lawrov auch noch an die feierliche Unterzeichnung des estnisch-russischen Grenzvertrags am 18.Mai 2005 (dieselben beiden Beteiligten). Ein Vertrag, den Russland später als ungültig betrachtete, da Estland ihn bei Ratifizierung im Parlament mit einer auf die sowjetische Okkupation eingehenden einleitenden Präambel versah.
Vielleicht wächst ja langsam die Liebe Paet's zu seinem Amt, obwohl ihm also offensichtlich manchmal auch bei der Erledigung seiner Arbeit Steine in den Weg gelegt werden, und Erfolge nicht immer in der Anzahl ordnungsgemäß unterschriebener Dokumente zu messen sind. "Europäisch Beseelte" findet er offensichtlich auf Seiten des östlichen Nachbars kaum.
In Berlin war Paet dagegen am 24.November der Erste. Des neuen deutschen Aussenministers Steinmeier erster ausländischer Gast in Berlin. Das Gespräch war nur kurz, und weil ein Aussenminister ja nicht grundlos in der Welt umherjetten sollte, hielt Paet am Tag zuvor noch einen Vortrag an der Universität Jena zum Thema "Wie hält man das neue Europa in Bewegung?" (womit nicht direkt die Reisediplomatie gemeint war).
"Es gibt keine neuen oder alten europäischen Staaten", war einer von Paet's Leitsätzen dort (und spielte damit auf den flapsigen Rumsfeld an, dem nicht jeder in hochmütig geführte Kriege folgen wollte), "sondern nur ein neues Europa". "Wir Politiker sind doch nur Akteure im politischen Theater, und die Wähler, also die Zuschauer, haben die Möglichkeit uns auch von der Bühne zu vertreiben", sagte Paet im Laufe seiner Jenaer Rede. Auch das scheint wieder auf Tammsaare anzuspielen, wenn erst nach erledigter Arbeit ein wenig Liebe erwartet werden kann. Esten wirken eben fast nie so, als ob sie sich auf errungenen Lorbeeren ausruhen könnten. "Wir müssen aber mehr tun, um gegenüber der ganzen Welt unsere gemeinsamen Ideen und Werte zu verteidigen" - das könne auch der rote Faden im Umgang mit den an die erweiterete EU nun angrenzenden Staaten Osteuropas sein, so Paet.
Aussenminister Steinmeier gegenüber versicherte Paet am Tag darauf in Berlin, Estland werde den Prozess der Ratifizierung der Europäischen Verfassung trotz des Neins der Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden weiter betreiben.
Paet traf sich in Berlin ausserdem mit FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt, dessen Partei Paet's estnischer "Reformpartei" wohl politisch am nächsten steht.
Weit weniger Sympathie schlug wohl am 2.12. in Tallinn dem britischen Premierminister Tony Blair entgegen, der im Zusammenhang mit der gegenwärtigen britischen EU-Präsidentschaft offen für eine radikale Kürzung aller EU-Strukturhilfen eintrat. Das würde, Presseberichten zufolge, Estland 320 Millionen Euro an Einnahmen kosten (Litauen sogar 600 Mill.!). "Estonians were not amused", wird Blair vielleicht zu Hause berichtet haben. Aber einer der aktivsten Mitgestalter der europäischen Poltik sind die Esten nun inzwischen allemal.
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