In Tõstamaa trafen sich in den vergangenen Tagen alle diejenigen, die Estnisch im Ausland unterrichten, meldet ERR. Das wirft Fragen auf. Erstens: wo ist Tõstamaa? Eine Landgemeinde in der Nähe von Pärnu, ehemals bekannt durch ein Rittergut, dessen letzter Besitzer, Alexander Wilhelm Baron
Stael von Holstein, Professor für Sanskrit und tibetanische Sprachen war,
Direktor des Harward-Indian Instituts in Peking, wo er 1937 starb - soviel erfahren wir auf der Internetpräsentation der Familie Stael von Holstein.
1921 wurde in dem Gebäude die Schule von Testama untergebracht. Der Ex-Eigentümer war also so etwas wie ein Sprachgenie - ob er auch Estnisch konnte, ist an dieser Stelle nicht überliefert. Wikipedia ergänzt: obwohl er enteignet wurde, nahm er die estnische Staatsbürgerschaft an.
Immerhin sechzig Lehrerinnen und Lehrertrafen sich jetzt also in Tõstamaa zu Erfahrungsaustausch und Weiterbildung. Insgesamt 4000 Kinder sollen es sein, so ist in den Berichten über das Treffen zu lesen, die Estnisch lernen. Es geht hier allerdings in diesem Fall nicht um deutsche Studierende oder andere Kurse für Deutschsprachige - es dreht sich hier zumeist um Kinder von im Ausland lebenden Esten und Estinnen.
Für Deutschland finden sich in der Aufstellung des Estnischen Instituts (Eesti Instituut) erstaunlicherweise gleich sieben Angebote: mit der "Europäischen Schule" (Frankfurdi Euroopa Kool) und der "Estnischen Schule in Frankfurt" (Frankfurdi Eesti Kool) zwei sehr namensähnliche in Deutschlands Bankenhauptstadt. Und auch München mit doppeltem Angebot, und sehr ähnlicher Namensverwirrung: die "Europäische Schule München" (Müncheni Euroopa Kool) und die Estnische Schule in München (Müncheni Eesti Kool). In NRW gibt es eine Kölner estnische Schule für Kinder ab 4 Jahre, wo vor allem gespielt, gesungen und gebastelt wird (im Pfarrheim Aegidius in Köln-Wahn). Auch in Hamburg betreibt die Estnische Volksgemeinschaft einige Kindergruppen (Hamburgi Eesti Kool). Und Berlin darf natürlich nicht fehlen: hier trifft sich die "Berliini Eesti Kool" im Familienzentrum Mehringdamm.
Einen noch breiteren Fokus auf's Estnische soll die letzte Woche im September 2019 bekommen - sie soll zur "Woche der estnischen Sprache" ausgerufen werden, mit dem Ziel, drei Millionen Menschen zu erreichen und für das Erlernen des Estnischen zu interessieren. Und übrigens: nicht wundern, wenn im Zusammenhang mit Kindern im Estnischen immer von "last" die Rede ist - hier hilft nur: Sprache lernen und verstehen, dass auch die Est/innen absolut kinderfreundlich sind.
Ist Estland eigentlich "baltisch"? Die estnische Sprache ist ja dem Finnischen ähnlich (finno-ugrisch), und das sogenannte "Baltikum" ist sowieso ein Behelfsbegriff ohne Grundlage. Noch viel zu wenig ist in Deutschland bekannt über Kultur und Geschichte, über Politik und Gesellschaft in Estland. Die jungen Europäer in Deutschland und Estland werden die Zukunft prägen! Wir rufen auf zur Diskussion.
Dienstag, Juli 30, 2019
Estnisch lernen für Est/innen
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Dienstag, Juli 02, 2019
Ab sofort nur noch baltisch?
Bei den "Geburtstagsfeiern" Ende März 2018 hatte alles noch ganz anders geklungen: "Nordica", die "Fluggesellschaft Estlands", zähle, Zitat, "zu den wettbewerbsfähigsten in der Region" (tip). Und damit nicht genug. Jaan Tamm, der Vorstandsvorsitzende von Nordica, wurde mit den Worten zitiert: "was Nordica ausmacht, sind die Menschen in Estland." Am 21. Juni 2019 gab "Nordica" nun per Pressemeldung bekannt, ab Ende Oktober alle Passagierflüge einstellen zu wollen.
Ja, wo sind sie denn geblieben, die "Menschen in Estland"? Vermutlich sind sie lieber mit "Ryanair", "Wizzair" und anderen Billigjets gefolgen, und haben sich nicht darum gekümmert, dass die eigene Regierung viel Geld dafür aufwendete, Flieger mit estnischer Flagge auf den Flughäfen der Welt erleben zu dürfen.
Nun wollten doch die Estinnen und Esten so gerne "nordisch" sein - bleiben sie nun "baltisch"? "AirBaltic", die lettische Schwester (bisher Konkurrentin), gegenwärtig zu 80% im Besitz des lettischen Staates, bietet sich schon mal als neue "Wahl des Herzens" an, und fliegt neuerdings mit einem estnisch lackierten Flieger durch Europa. Der Rest ist wahrscheinlich eine Frage der Presseschlagzeilen (also = Image). "AirBaltic will die Herzen der Esten erobern", titelt die "Flugrevue". Estnische Herzensfragen - eine reine Flaggenzeremonie? Vorsichtshalber wird schon mal der moralische Zeigefinger ausgefahren: 1000 Arbeitsstunden habe die Lackierung gekostet, betonen die Auftraggeber. Vielleicht haben die Ärbalten auch noch die Meldungen des Jahres 2016 im Kopf, als es hieß: "Estlands Nationalairline ärgert Air Baltic" (AeroTelegraf).
Auch damals gab es Schlagzeilen der Art "Baltische Airline ist pleite" (fvw) - gemeint war Estonian Airlines. Schon um Gleichlautendes jetzt zu verhindern, dafür hat sich vermutlich der Flugzeuganstrich schon gelohnt. Und in der sonst eher als zurückhaltend bekannten Schweizer Presse weht der Duft unritterlicher Feldzüge: "Air Baltic zeigt mit Lackierung Anspruch auf Estland" (nau.ch).
Wer will, kann auch Schlagzeilen mit negativerer Tönung lesen. "Nordica ist am Ende" (fvw),"Nordica gibt auf" (AustrianWings), oder, etwas geschickter formuliert: "Estonia’s flag carrier forced to change its business model" (rusaviainsider).
Was die "estnischen Herzen" angeht, so kann man auch bei Nordica-Finanzmanagerin Kristi Ojakäär nachlesen; sie wird zitiert wird mit der Aussage, mit den Billigpreisen habe man nicht mithalten können, und ganz besonders mache "Nordica" die lettische "AirBaltic" zu schaffen. "Wo die Liebe hinfällt", heißt es da wohl. Oder, anders gesagt: auch Ojakäär wurde erst Anfang 2019 neu eingestellt und hatte vorher Erfahrung im Glückspiel-Business (Casinos).
Jaan Tamm (der mit den "Menschen in Estland") ist inzwischen seines Postens enthoben und fand in Gunnar Kobin einen Nachfolger. Es gibt erste Stimmen aus der estnischen Politik, denen zufolge der estnische Staat nun lieber seine Anteile an "Nordica" loswerden will - das heißt dann in Pressesprech: gesucht wird ein "strategischer Investor".
Trotz Steigerung bei Einnahmen und Passagieren um 30% habe "Nordica" 2018 5,4 Millionen Euro Verluste gemacht, schreibt ERR. 765.000 Menschen seien im Jahr 2018 mit der Airline geflogen (wie viele Est/innen unter ihnen waren, wurde nicht bekannt). Dem stehen die Statistiken von AirBaltic entgegen: 210.000 Passagiere seien es auf den Strecken von und nach Estland in den ersten fünf Monaten 2019 gewesen (ERR / AirBaltic), eine Steigerung um 32%. Ab sofort werde "AirBaltic" zwei ihre Flieger des Typs Airbus A220-300 in Tallinn stationieren. Auf der Flugroute Riga-Tallinn sind gegenwärtig jede Woche etwa 7.000 Passagiere unterwegs.
Zumindest die Szene der "PlaneSpotter" (Menschen, die Fotos machen von möglichst vielen Flugmaschinen) reagiert erregt: der blau-schwarz-weiße Flieger wurde schon in Wien (AviationNetonline), in Olso (Planespotters) und auch in Berlin gesehen (Berlin-spotter). Es spottet also jeder Beschreibung - will sagen: die Werbewelle rollt.
Nun warten wir alle gespannt auf die Eröffnung der Schnellzug-Route "Rail-Baltica" nach Tallinn. Der erste Zug wird dann sicherlich in Nationalfarben auf die Reise geschickt werden - vielleicht in digitaler Form an der Außenhaut, so dass die Flaggen jeweils gewechselt werden können, wie es gerade zum Image passt.
Ja, wo sind sie denn geblieben, die "Menschen in Estland"? Vermutlich sind sie lieber mit "Ryanair", "Wizzair" und anderen Billigjets gefolgen, und haben sich nicht darum gekümmert, dass die eigene Regierung viel Geld dafür aufwendete, Flieger mit estnischer Flagge auf den Flughäfen der Welt erleben zu dürfen.
Nun wollten doch die Estinnen und Esten so gerne "nordisch" sein - bleiben sie nun "baltisch"? "AirBaltic", die lettische Schwester (bisher Konkurrentin), gegenwärtig zu 80% im Besitz des lettischen Staates, bietet sich schon mal als neue "Wahl des Herzens" an, und fliegt neuerdings mit einem estnisch lackierten Flieger durch Europa. Der Rest ist wahrscheinlich eine Frage der Presseschlagzeilen (also = Image). "AirBaltic will die Herzen der Esten erobern", titelt die "Flugrevue". Estnische Herzensfragen - eine reine Flaggenzeremonie? Vorsichtshalber wird schon mal der moralische Zeigefinger ausgefahren: 1000 Arbeitsstunden habe die Lackierung gekostet, betonen die Auftraggeber. Vielleicht haben die Ärbalten auch noch die Meldungen des Jahres 2016 im Kopf, als es hieß: "Estlands Nationalairline ärgert Air Baltic" (AeroTelegraf).
Auch damals gab es Schlagzeilen der Art "Baltische Airline ist pleite" (fvw) - gemeint war Estonian Airlines. Schon um Gleichlautendes jetzt zu verhindern, dafür hat sich vermutlich der Flugzeuganstrich schon gelohnt. Und in der sonst eher als zurückhaltend bekannten Schweizer Presse weht der Duft unritterlicher Feldzüge: "Air Baltic zeigt mit Lackierung Anspruch auf Estland" (nau.ch).
Wer will, kann auch Schlagzeilen mit negativerer Tönung lesen. "Nordica ist am Ende" (fvw),"Nordica gibt auf" (AustrianWings), oder, etwas geschickter formuliert: "Estonia’s flag carrier forced to change its business model" (rusaviainsider).
Was die "estnischen Herzen" angeht, so kann man auch bei Nordica-Finanzmanagerin Kristi Ojakäär nachlesen; sie wird zitiert wird mit der Aussage, mit den Billigpreisen habe man nicht mithalten können, und ganz besonders mache "Nordica" die lettische "AirBaltic" zu schaffen. "Wo die Liebe hinfällt", heißt es da wohl. Oder, anders gesagt: auch Ojakäär wurde erst Anfang 2019 neu eingestellt und hatte vorher Erfahrung im Glückspiel-Business (Casinos).
Jaan Tamm (der mit den "Menschen in Estland") ist inzwischen seines Postens enthoben und fand in Gunnar Kobin einen Nachfolger. Es gibt erste Stimmen aus der estnischen Politik, denen zufolge der estnische Staat nun lieber seine Anteile an "Nordica" loswerden will - das heißt dann in Pressesprech: gesucht wird ein "strategischer Investor".
Trotz Steigerung bei Einnahmen und Passagieren um 30% habe "Nordica" 2018 5,4 Millionen Euro Verluste gemacht, schreibt ERR. 765.000 Menschen seien im Jahr 2018 mit der Airline geflogen (wie viele Est/innen unter ihnen waren, wurde nicht bekannt). Dem stehen die Statistiken von AirBaltic entgegen: 210.000 Passagiere seien es auf den Strecken von und nach Estland in den ersten fünf Monaten 2019 gewesen (ERR / AirBaltic), eine Steigerung um 32%. Ab sofort werde "AirBaltic" zwei ihre Flieger des Typs Airbus A220-300 in Tallinn stationieren. Auf der Flugroute Riga-Tallinn sind gegenwärtig jede Woche etwa 7.000 Passagiere unterwegs.
Zumindest die Szene der "PlaneSpotter" (Menschen, die Fotos machen von möglichst vielen Flugmaschinen) reagiert erregt: der blau-schwarz-weiße Flieger wurde schon in Wien (AviationNetonline), in Olso (Planespotters) und auch in Berlin gesehen (Berlin-spotter). Es spottet also jeder Beschreibung - will sagen: die Werbewelle rollt.
Nun warten wir alle gespannt auf die Eröffnung der Schnellzug-Route "Rail-Baltica" nach Tallinn. Der erste Zug wird dann sicherlich in Nationalfarben auf die Reise geschickt werden - vielleicht in digitaler Form an der Außenhaut, so dass die Flaggen jeweils gewechselt werden können, wie es gerade zum Image passt.
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